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AutorenbildUwe Bronnert

Geld der 8-Tage-Republik Baranya-Baja 1921

Aktualisiert: 13. Nov. 2023

Im November 1918 begannen serbische Truppen, in den Süden Ungarns einzudringen. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie hatten die serbischen Truppen – unterstützt durch französische Entente-Streitkräfte – auch Gebiete besetzt, die nach dem späteren Friedensvertrag von Trianon Ungarn belassen wurden.[1] Obwohl der Vertrag die Grenzen nördlich der Drau und des Baranya-Dreiecks zog, zögerte die Regierung des serbisch-kroatisch-slowenischen Königreichs (dem späteren Jugoslawien) den Rückzug des Militärs hinaus. Hierfür dürfte es mehrere Gründe gegeben haben. So lieferten die Kohlegruben wertvolle Brennstoffe ins neue südslawische Königreich, ferner lebten 1919 nach einer serbischen Volkszählung in Péce 14.485 Südslawen, 17.901 Ungarn und 14.549 Deutsche. Diese Zahlen stehen allerdings im krassen Gegensatz zu den einer ungarischen Volkszählung aus dem Jahr 1920, wonach die Bevölkerung aus 45 Serben, 326 Kroaten, 5.034 Deutschen, aber 40.655 Ungarn bestand. Man hoffte in Belgrad, irgendwie die Herrschaft über dieses Gebiet behalten zu können. Im Oktober 1918 übernahm im ungarischen Teil der Habsburger Doppelmonarchie eine bürgerlich-sozialdemokratische Regierung die politische Führung. Der „Ungarische Nationalrat“ begann mit zahlreichen sozialen und gesellschaftlichen Reformen.

Den Arbeiterräten in den Betrieben gingen diese jedoch nicht weit genug. Sie forderten die Verstaatlichung von Industrie und Landwirtschaft sowie die Enteignung der Banken. Unterstützung erhielten sie von den rund 100.000 ungarischen Soldaten, die sich in russischer Kriegsgefangenschaft den Bolschewiki angeschlossen hatten. Zurück in der Heimat, bildeten sie das Herz der Kommunistischen Partei Ungarns. Im März 1919 errichtete diese unter Führung des Journalisten und Politikers Béla Kun[2] eine Sowjetrepublik. Im Ausland deutete man dies als Zeichen der bevorstehenden kommunistischen Weltrevolution. Daher wurde die ungarische Entwicklung entschieden bekämpft. Am 1. August 1919 besetzten rumänische Truppen Budapest. Nach nur 133 Tagen fand die Räterepublik ihr Ende. Miklós Horthy [3] übernahm die Führung Ungarns. Tausende Kommunisten und Sozialdemokraten wurden nun Opfer des weißen Terrors, der den roten Terror ablöste. Viele der Verfolgten fanden Unterschlupf im serbisch besetzten Grenzgebiet, dem Komitat Baranya. Die Zuwanderer gründeten mit Zustimmung der serbischen Behörden die Sozialistische Partei von Pécs. Bei den Kommunalwahlen im August 1920 wurde Béla Linder [4] Bürgermeister in Pécs und Sándor Doktor [5] Präsident des Stadtkomitees. Man war hier allgemein überzeugt, dass, trotz aller Pariser Entscheidungen, die jugoslawische Armee den Ungarn das Gebiet nicht übergeben würde. Aber nach Ratifizierung des Trianon-Vertrags im Juli 1921 wendete sich das Blatt. Linder informierte die Sozialisten in Pécs, dass man wohl nicht weiter auf Unterstützung des südslawischen Staates rechnen könne.


Bild 1: Karte der Republik Baranya-Baja

Grenzgebiet zwischen den Königreichen Ungarn und den Serben, Kroaten und Slowenen (später Jugoslawien). Das von der Baranya-Baja-Republik beanspruchte Gebiet ist in Braun dargestellt. Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Serbian-Hungarian_Baranya-Baja_Republic#/media/File:Baranya-Baja_Republic-EN.svg

Den letzten Ausweg, den Einmarsch der Horthy-Truppen zu verhindern, sahen die Verantwortlichen in Pécs in der Gründung eines eigenen Staates mit enger Bindung an das serbisch-kroatisch-slowenische Königreich. Am 14. August 1921 proklamierte Péter Dobrovits [5] vor 15.000 bis 20.000 Arbeitern am Széchenyi-Platz die Serbisch-Ungarische Republik Baranya-Baja (ungarisch: Baranya-Bajai Szerb-Magyar Köztársaság, serbisch: Српско-мађарска република Барања-Баја oder Srpsko-mađarska republika Baranja-Baja). Die internationale Anerkennung blieb der Republik versagt.

Am 16. August 1921 erklärte die ungarische Regierung gegenüber dem Hohen Kommissar, dass sie den neuen Staat nicht anerkennen würde. Unter dem sich entfaltenden diplomatischen Druck der Entente zog das südslawische Königreich seine Truppen am 18. August 1921 aus dem Gebiet nördlich von Baranya und der Linie zwischen Gyékényes und Újszeged zurück. Der serbische Generalkommissar von Pécs, Generalmajor Rajcić, bot am 20. August allen Personen einen Pass des südslawischen Königreichs an, die sich nicht der „ungarischen Besatzung“ unterziehen wollten. Am 22. August zog die ungarische Nationalarmee in Pécs ein. Nach 33 Monaten serbischer Besatzung nahm Ungarn das Gebiet wieder in Besitz. Damit war nach nur acht Tagen das Abenteuer der Serbisch-Ungarischen Republik Baranya-Baja beendet.

Bild 2.1: 20 Mark-Reichsbanknote vom 9. Februar 1914 und dem Stempel „PĚCS-BARANYA / KÖZTÁRSASÁG“, Rückseite.
Bild 2.2: 20 Mark-Reichsbanknote vom 9. Februar 1914 und dem Stempel „PĚCS-BARANYA / KÖZTÁRSASÁG“, Vorderseite.
Bild 3: Stempel „PĚCS-BARANYA / KÖZTÁRSASÁG“.
Bild 4.1: 20 Kronen-Banknote der Oesterreichisch-Ungarischen Bank vom 2. Januar 1913 mit dem Rundstempel „* Baranya-Bajai * SZERB-MAGYAR KÖZTÁRSASÁG“ und „1921“, ungarische Seite.
Bild 4.2: 20 Kronen-Banknote der Oesterreichisch-Ungarischen Bank vom 2. Januar 1913 mit dem Rundstempel „* Baranya-Bajai * SZERB-MAGYAR KÖZTÁRSASÁG“ und „1921“, deutsche Seite.
Bild 5: Rundstempel „* Baranya-Bajai * SZERB-MAGYAR KÖZTÁRSASÁG“ und „1921“.

Auch wenn die Republik Baranya-Baja von der Landkarte und weitgehend aus den Erinnerungen verschwunden ist, hat sie doch notaphile Spuren hinterlassen. In den 1960er Jahren fand man im Museum „Janus Pannonius“ in Pécs eine 20-Kronen-Banknote der Oesterreichisch-Ungarischen Bank von 1913 mit dem Handstempel-Aufdruck „PĚCS-BARANYA / KÖZTÁRSASÁG“. Später, in den 1970er Jahren, wurden Dutzende Banknoten mit diesem Stempelabdruck in Wien angeboten. Nach Branko Glišić [6] können die Abdrucke bei allen vor und im Krieg im Umlauf gewesenen Banknoten vorkommen, aber auch bei den späteren Werten zu 10.000, 25 und 200 Kronen. Der Stempel ist jeweils auf der ungarischen Seite angebracht und hat die Abmessung 65 x 16 mm. Verwunderlich ist, dass man in Pécs auf Geldscheine zurückgriff, die in den Ländern der ehemaligen k. u. k. Monarchie bereits nicht mehr umlauffähig waren. Da die Emigranten auch ungarische Noten mitbrachten, wurden auch diese gestempelt.[7] Letzteres gilt auch für einige deutsche Reichsbanknoten.

Über die Abstempelungs-Aktion selbst ist nichts bekannt. In jüngerer Zeit werden bei ebay des Öfteren mit „PĚCS-BARANYA / KÖZTÁRSASÁG“ gekennzeichnete Note angeboten. Es ist anzunehmen, dass diese zum Schaden der Sammler neu angefertigt wurden. Ein Nachweis der Echtheit dieser Stempelabdrucke dürfte kaum möglich sein. Ebenso fanden Scheine den Weg zu den Sammlern, die statt des bekannten Stempels einen violetten, runden Abdruck mit der folgenden Randschrift tragen: „* Baranya-Bajai * SZERB-MAGYAR KÖZTÁRSASÁG“; im Innenkreis „1921“. Der Abdruck hat den Durchmesser von 35 mm. Glišić scheint diesen Stempel, wie die gestempelten deutschen Reichsmarkscheine, nicht zu kennen. Beim Erwerb der Noten der Republik Baranya-Baja sollte man daher äußerste Vorsicht walten lassen und den Geldbeutel geschlossen halten.

Anmerkungen [1] Im Friedensvertrag von Trianon, unterzeichnet am 4. Juni 1920, musste Ungarn ähnlich harte Bedingungen wie Österreich akzeptieren. Ungarn musste endgültig mehr als zwei Drittel seines Staatsgebiets an die Nachbarn abtreten: Die Slowakei und die Karpato-Ukraine erhielt die neu gebildete Tschechoslowakei, das Burgenland Österreich, Kroatien, Slowenien, Prekmurje, die Regionen Batschka und Süd-Baranya (Drávaköz) sowie Teile des Banats verleibte sich das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (später Jugoslawien) ein, Siebenbürgen mit Resten des Banats und mit Partium fielen an Rumänien, ein kleines Gebiet mit 14 Dörfern im äußersten Norden wurde Polen zugesprochen. Die Stadt Fiume (Rijeka) bildete zunächst einen eigenen Freistaat, der 1924 von Italien annektiert wurde. So blieben von den 325.411 km² Transleithaniens nur 93.073 km² übrig.

[2] Zu Béla Kun, aus Hans-Ludwig Grabowski: "Der Jude nahm uns Silber, Gold und Speck ... – Für politische und antisemitische Propaganda genutzte Geldscheine in der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs":

Béla Kun (eigentlich Béla Kohn) wurde 1886 in Böhmischdorf in Siebenbürgen geboren,

1906 änderte er seinen jüdischen Familiennamen Kohn in die ungarische Form Kun.

Im Ersten Weltkrieg diente er in der österreichisch-ungarischen Armee und geriet 1916 in russische Gefangenschaft, wo er zum Anhänger der Bolschewiki wurde. Im Dezember 1918 wurde er nach Budapest entsandt, um hier eine kommunistische Revolution zu entfachen.

Er gab die "Rote Zeitung" heraus und wurde 1919 zur wichtigsten Figur in einer von ihm ausgerufenen Räteregierung aus Sozialisten und Kommunisten. Am 25. Juni 1919 verkündete die Räteregierung die "Diktatur des Proletariats" und zahlreiche politische Gegner wurden verhaftet und nach Revolutionstribunalen ermordet. Das Ende der Räteregierung kam mit dem Auseinanderfallen Ungarns und dem Einmarsch rumänischer Truppen. Kun floh zuerst nach Österreich und später in die Sowjetunion, wo er Funktionen in der KPdSU bekleidete. 1936 wurde er im Rahmen der stalinistischen Säuberungen hingerichtet.

[3] Miklós Horthy (* 18. Juni 1868 in Kenderes, Komitat Jász-Nagykun-Szolnok, Österreich-Ungarn; † 9. Februar 1957 in Estoril, Portugal) war ein österreichisch-ungarischer Admiral, ungarischer Politiker und nach dem Sturz der Räterepublik als Reichsverweser langjähriges Staatsoberhaupt des Königreiches Ungarn (1920 – 1944). [4] Béla Linder (* 10. Februar 1876 in Majs, Komitat Baranya, Österreich-Ungarn;

† 15. April 1962 in Belgrad, Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) war im

Ersten Weltkrieg k.u.k. Oberst des Generalstabs und nach Auflösung der Realunion

mit Österreich vom 1. November 1918 an erster Kriegsminister Ungarns. Bereits am

9. November 1918 entließ ihn der Vorsitzenden des Ungarischen Nationalrats Mihály Károlyi. Während der Herrschaft der Ungarischen Räterepublik wurde er von deren Anführer und Volksbeauftragtem für Außenbeziehungen, Béla Kun, als Militärattaché an die ungarische Botschaft in Wien entsandt, wo er vom 2. Mai bis zum 5. August 1919 tätig war. Nach dem Sturz der Räteregierung floh er in das von Serbien besetzte Komitat Baranya. [5] Doktor Sándor (* 4. Januar 1864 in Beregrákos, Österreich-Ungarn, heute Ukraine;

† 7. November 1945 in Keszthely, Ungarn) stammte aus einer armen Bauernfamilie mit zehn Kindern. 1889 graduierte er an der Medizinischen Universität. Einige Zeit war er Assistenzprofessor an der Geburtshilfe- und gynäkologischen Klinik der Medizinischen Hochschule und später als Arzt in Pécs tätig. Während des Ersten Weltkriegs war er als Freiwilliger im Sanitätsdienst an der Ostfront. Nach dem Krieg trat er der Sozialdemokratischen Partei bei, um 1920 die Leitung des Redaktionskomitees der Sozialistischen Partei von Pécs zu übernehmen. [6] Péter Dobrovits (* 14. Januar 1890 in Pécs; † 27. Januar 1942 in Belgrad) war ein serbischer Maler und Präsident der kurzlebigen serbisch-ungarischen Republik Baranya-Baja. [7] Branko Glišić, Pečati i pe aćene novčanice notafilije Srbije 1916-1921, Valjevo 2016, S. 160 ff.

[8] Ebenda, S. 273 f.


Uwe Bronnert

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