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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Geldscheine im Geschichtsunterricht

Aktualisiert: 5. Mai 2021

Viele Numismatiker in Deutschland und anderen Ländern machen sich Sorgen um die Zukunft des Sammelns. Vielen ist klar, dass es um Nachwuchsgewinnung geht und dass die in Zeiten von Digitalisierung und Internet kaum die Vereine allein bewältigen können. Angesprochen werden muss schon die Jugend, denn nur mit der gibt es auch eine Zukunft.



Der Brief des Lehrers

Am 23. März 2021 erreichte uns die Zuschrift eines engagierten Geschichtslehrers aus Darmstadt.


Mein Name ist Timo Kiel und ich bin Geschichtslehrer an einer Gesamtschule in der Nähe von Darmstadt. Hierher hat es mich als gebürtigen Thüringer nach meinem Studium in Erfurt verschlagen. Ich versuche, meinen Geschichtsunterricht etwas aufzupolieren und für die Schüler interessanter zu gestalten. Dazu habe ich jetzt die Banknoten als gutes Mittel ins Auge gefasst. Ab 1871 bis zur deutschen Wiedervereinigung kann man praktisch ständig Anschauungsobjekte einfließen lassen. Ich habe mir kürzlich Ihre neueste Ausgabe des Kataloges „Die Deutschen Banknoten ab 1871“ zugelegt und bin begeistert von der Vielfalt, aber auch von der Art, wie Sie es aufbereitet haben. Ich habe ein Anliegen und vielleicht können Sie mir helfen. Ich suche Banknoten, die nicht einem sammelwürdigen Zustand entsprechen müssen. Ich habe zu diesem Zweck einige Händler angeschrieben, in der Hoffnung, es gäbe günstige Noten in diesem Zustand (ich werde es aus eigenen Mitteln bestreiten, da für solche Pläne im Schuletat kein Geld übrig ist). Leider war die Resonanz auf meine Anfrage nicht sehr groß. Haben Sie vielleicht eine Idee, wo ich solche Banknoten beziehen könnte (nicht sammelwürdig, und daher noch authentischer für den Unterricht)? Vielleicht können Sie mir ja aus Ihren umfangreichen Kontakten in der Sammlerszene jemanden empfehlen, der mir helfen könnte.

Ich wünsche Ihnen alles Gute. Bleiben Sie gesund.

Mit freundlichen Grüßen

Timo Kiel


Die Antwort der Redaktion

Hallo Herr Kiel,

es freut mich, dass Sie die geldgeschichtlichen Zeugnisse der deutschen Geschichte als mögliches Unterrichtsmittel entdeckt haben und einsetzen möchten.

Richtig so! Kaum ein anderes Zeitdokument macht Geschichte so nachvollziehbar, wie das Geld. Leider haben das bislang längst nicht alle Lehrer und Historiker erkannt.

Ich versuche in meinen Büchern auch immer den historischen Kontext mit einzubeziehen.

In einem Katalog von mittlerweile über 900 Seiten, muss man sich da allerdings einschränken.

Ihr Anliegen würde ich gern unterstützen. Wir haben erst gestern zu diesem Thema auf Anregung eines Lesers unter den Redakteuren gemailt. Da ging es allerdings um geldgeschichtliche Vorträge an Volkshochschulen, wenn das mal wieder möglich ist.

Gut wären Belege aus verschiedenen Epochen und zu verschiedenen historischen Ereignissen. Also z.B. nicht nur Kaiserreich, sondern dann dazu auch was aus dem Ersten Weltkrieg und den Kolonien. Ganz wichtig dann aber auch das Notgeld, das Krieg und Inflation hervorgebracht hat. Das Notgeld fehlt ja in dem von Ihnen erwähnten Katalog größtenteils, weil es sich dabei meist um regionale Ausgaben handelt. Außerdem gibt es natürlich auch noch Geld der Kriegsgefangenenlager im Ersten Weltkrieg und Militärgeld sowie Ausgaben unter deutscher Besatzung.

Auch ganz wichtig ist das judenfeindliche Propagandageld aus der Zeit der „Weimarer Republik" sowie das Geld der Konzentrationslager und der jüdischen Ghettos im sog. „Dritten Reich“ als Belege zum Thema Antisemitismus und Holocaust. Hierzu habe ich separate Bücher geschrieben.



Ich könnte mir vorstellen, dass ich einige Sammler und Händler motivieren kann, für diesen Zweck unentgeltlich Belegstücke zur Verfügung zu stellen. Es ist immer schon etwas anderes, wenn ein Schüler ein Original aus der Zeit (z.B. über Milliarden-Beträge aus der Inflationszeit) in den Händen halten kann, als nur dem „trockenen“ Lehrstoff zu folgen. Auch für die Numismatik und die Nachwuchsgewinnung von Sammlern ist das nur zu begrüßen, weil so doch auch Interesse geweckt werden kann, aus dem vielleicht sogar einmal ein Hobby wird.

Alle Sammler hatten schließlich irgendwann einmal ihren „Urknall“.

Unter Umständen können wir in Absprache mit dem Berufsverband des deutschen Münzenfachhandels einen Aufruf an den Handel starten, um entsprechendes Material zu sammeln. Da können dann natürlich auch Münzen dabei sein. Könnten Sie sich evtl. vorstellen, die Idee auch für andere Schulen publik zu machen? Wir suchen da praktisch einen Verbündeten!

Ein sehr positives Vorbild könnten die Niederlande sein, wo sich ein Verein um den Einsatz geldgeschichtlicher Belege im Schulunterricht bemüht und auch die Geldgeschichte selbst als wichtigen Teil der Geschichte zum Gegenstand des Unterrichts macht. Da werden dann auch Rätselaufgaben eingesetzt, bei denen die Schüler einen alten Schein oder eine Münze gewinnen können.

Ich hatte mit den Herrschaften vor zwei Jahren in Maastricht gesprochen, sehr interessant!

Außerdem gibt es in Deutschland eine Gesellschaft zur Förderung der Numismatik und die Deutsche Numismatische Gesellschaft, zu denen wir sehr gute Beziehungen haben. Für diese ist die Nachwuchsförderung ein wichtiges Thema.

Ich werde verschieden Personen kontaktieren und mich dann hoffentlich bald wieder bei Ihnen melden können.

Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen und bleiben Sie gesund

Hans-Ludwig Grabowski


Der Kontakt

Wir haben noch am gleichen und folgenden Tag telefoniert. Herr Kiel schrieb

"Vielen herzlichen Dank für das nette Telefonat. Ich freue mich, dass Sie sich um mein Anliegen kümmern wollen. Es tut gut, gehört zu werden!!!"

Herr Kiel möchte sich nicht nur an seiner, sondern auch an anderen Schule für die Idee des Einsatzes von Geldscheinen im Geschichtsunterricht einsetzen. In einer Pandemie-Zeit, in der die Ämter kaum über genügend Mittel verfügen, um ihre Schüler mit Laptops auszustatten (wie traurig für Deutschland), braucht ein Lehrer überhaupt nicht erst nach Mitteln für die Anschaffung geldgeschichtlicher Belege zu fragen.


Der Aufruf

Wir möchten Sie, liebe Leser – egal ob Sammler oder Händler – dazu aufrufen, diese hervorragende und viel versprechende Idee zu unterstützen. Bitte schauen Sie nach, ob Sie Material haben und abgeben können, das dem Ziel zweckdienlich sein kann. Die Erhaltung und der Sammlerwert spielen keine Rolle!

Bitte unterstützen Sie die Verbesserung der Vermittlung von Geschichte durch den Einsatz geldgeschichtlicher Zeugnisse und schicken Sie uns, was Sie nicht mehr benötigen und entbehren können. Ziel ist es auch, Schülern alte Geldscheine oder Münzen zu schenken und sie so nicht nur für Geschichte, sondern auch für die Numismatik zu begeistern.

Herr Kiel bestätigt, dass er sich auf jede Unterstützung freut und sich persönlich dafür einsetzen wird, das mit Ihrer Hilfe mögliche Modell auch an anderen Schulen zu etablieren.

Ich selbst werde auch meine Bestände sichten und erkläre mich bereit, entsprechende fachliche Unterstützung zu bieten. Als erstes stellen wir Herrn Kiel Fachliteratur zur Verfügung und ein persönliches Treffen ist in Vorbereitung.

Unser Aufruf geht nicht nur an Sammler und Händler, sondern auch an die Vereine und Verbände. Wir freuen uns über jede Spende, sei sie auch noch so klein!

Bitte schicken Sie Ihre Sendung an den


Battenberg Gietl Verlag GmbH

Redaktion "Geldscheine-Online"

Kennwort "Nachwuchsförderung"

Pfälzer Straße 11

93128 Regenstauf


Herzlichen Dank für Ihre Hilfe, noch viel Freude beim Hobby und bleiben Sie gesund!


Literaturempfehlung

Übrigens, wen das Thema interessiert, dem sei das beim Wochenschau-Verlag in der Reihe "Geschichte unterrichten" erschienene aktuelle Buch "Geldscheine im Geschichtsunterricht" empfohlen.


Frank Britsche

Historisches Lernen mit Sachquellen


1. Auflage 2020

ISBN: 978-3-7344-1091-8

Preis: 19,90 Euro



Beschreibung:

Geldscheine sind mehr als nur Zahlungsmittel, geben als Quellengattung Aufschluss über das zeittypische Gegenwarts- und Geschichtsverständnis. Die Abbildungen auf Banknoten repräsentieren den geschichtspolitischen Anspruch eines Staates und verdichten ikonografisch Wert- und Identitätsvorstellungen der jeweiligen Epoche. Als historisches Sachzeugnis lassen sich Geldscheine im Geschichtsunterricht methodisch vielfältig einsetzen. Sie bieten ein reichhaltiges Bildprogramm, das dekonstruiert werden kann, um politische und ideologische Botschaften zu erschließen – sowohl an die eigene Bevölkerung als auch gegenüber anderen Staaten.

Dieser Band erschließt die Quellengattung im bewährten und kopierfreundlichen Doppelseitenprinzip. Ausführliche Beschreibungen wesentlicher Gestaltungselemente, historische Einordnungen, Interpretationsvorschläge sowie praktische Anregungen erleichtern den Einsatz im Unterricht.


Hans-Ludwig Grabowski


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