Zur Ikonografie deutscher Geldscheine des Kaiserreiches
Jeder, der Papiergeld sammelt, wird sich früher oder später auch mit ihrer Ikonografie beschäftigen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus – εἰκών eikón „Bild“ und γράφειν gráphein „schreiben“ – zusammen. Er wird in der Kunstgeschichte verwendet und meint die Bestimmung und Deutung von Motiven der bildenden Kunst mit wissenschaftlichen Methoden.
Katharina Martin weist in einem ihrer Aufsätze auf die Bedeutung hin, die die Bilder haben, die sich auf dem Geld, auf Münzen und Scheinen befinden. Sie „sprechen“ zum Benutzer.
Die „Sprache des Geldes“ „vermittelt tagtäglich kulturelles und politisches Selbstverständnis und damit eine Botschaft vom Herausgeber des Geldes, dem politischen Souverän, dem Staat, dem Herrscher, der Stadt, an den Nutzer und bieten diesen die Möglichkeit einer national-kulturellen Identifikation. Münzen [und umsomehr Banknoten, Anm. d. Verf.] sind somit nicht nur Geld, sondern auch Bildträger, Medien einer von der herausgebenden Instanz ausgehenden Kommunikation, die mittels Bilder funktioniert.“[1]
Dabei gab es die Symbolfigur bereits seit Jahrhunderten. Die römischen Eroberer ordneten Germanien die „Germania“ in Form einer Frau als Numen[2] bildlich zu. Seit dem Mittelalter galt sie als die nationale Personifikation Deutschlands im Sinne des Verbreitungsgebiets der deutschen Sprachen. Im 19. Jahrhundert diente sie der demokratischen Bewegung in Deutschland als nationalromantisches Sinnbild für den von ihr angestrebten deutschen Nationalstaat. 1848 zeigte das Gemälde Germania bei der Frankfurter Nationalversammlung ein friedliches Bild der Befreiung und des Aufbruchs, angedeutet durch die zerbrochenen Fesseln. In der Ikonographie des deutschen Kaiserreichs nahm die Germania nationalistische Züge an und wurde in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts für kriegspropagandistische Zwecke umgedeutet.
Daneben etablierte sich die Eiche als Nationalbaum der Deutschen. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. Bereits in der germanischen Mythologie spielte der Baum eine Rolle.
Nach der Überlieferung fällte im 8. Jahrhundert der Missionar Bonifatius im heutigen Hessen die Donar-Eiche, die den Chatten als heidnische Kultstätte diente. In der Zeit der deutschen Romantik schließlich galt die Eiche als Symbol der Treue und Bismarck wollte die deutsche Heldenstirn mit deutschem Eichengrün statt mit welschem Lorbeer bekränzt sehen.
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wurden „Eichenlaub und Eichenkranz .. feste Bestandteile der Ornamentik deutscher Kriegerdenkmäler. Die bildlichen und plastischen Darstellungen der Germania, der allegorischen weiblichen Gestalt, die das Deutsche Reich verkörpert, verzichtet nur selten auf die Eichensymbolik.“[3]
Abb. 1: Die Germania auf deutschen Geldscheinen.
Trüge der Frauenkopf auf der 100-Mark-Reichsbanknote vom 3. September 1883, die ab November 1884 ausgegeben wurde und bis 1921 mit unterschiedlichem Datum von der Reichsdruckerei gedruckt wurde, keine Corona aus Eichenlaub, würde man sie schwerlich als Germania identifizieren. Mehr als zehn Jahre nach der Reichsgründung begegnet uns hier die Germania erstmals auf einem deutschen Geldschein. Der Entwurf stammt von Professor Friedrich Paul Thumann [* 5. Oktober 1834 in Groß Schacksdorf bei Forst (Lausitz); † 19. Februar 1908 in Berlin] und wurde von Professor Hans Meyer [* 26. September 1846 in Berlin; † 17. Dezember 1919 ebenda] gestochen. Die Rückseite zeigt das Kopfmedaillon der mit Eichenlaub bekränzten Germania. Die Rollwerkfassung wird von zwei weiblichen Allegorien gehalten. Die linke Frau symbolisiert den Bergbau (Bergkristall), die Waffenherstellung (Helm) und die Industrie (Hammer), während die rechte für die Landwirtschaft (Getreidegarbe, Früchte) steht. Im Unterdruck der Reichsadler.
Abb. 2.1: Reichsbank, 3. September 1883, 100 Mark, Vorderseite.
Abb. 2.2: Reichsbank, 3. September 1883, 100 Mark, Rückseite.
Der Entwurf des Reichskassenscheins zu 50 Mark vom 5. Januar 1899 von Professor Emil Doepler dem Jüngeren [* 29. Oktober 1855 in München; † 21. Dezember 1922 in Berlin] bildet auf der Vorderseite die Germania mit Hermelin-Mantel und Kaiserkrone am Meer auf einer steinernen Bank unter einer Eiche sitzend ab. Die rechte Hand liegt griffbereit auf dem abgelegten Schwert, während sie in der linken Hand einen Palmenzweig als Friedenssymbol hält. Zu ihren Füßen Attribute der Industrie (Hammer, Zirkel, Winkel, Zahnrad), der Kunst (Bildhauerhandwerkszeug: Eisen und Knüppel), der Wissenschaft (Urkunde mit Siegel, Buch) des Handels (verschnürter Warenballen) und der Landwirtschaft (Pflug). Dieser von O. Reim gestochene Schein gehört sicherlich zu den besonders gelungenen Geldscheinen des Kaiserreichs. Die Darstellungen auf Geldscheinen sind auch immer Spiegel des Zeitgeistes.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Ideale der griechischen Antike im deutschen Bildungsbürgertum fest verankert. Wen wundert es, dass die Germania auf diesem Geldschein eher wie eine griechische Göttin wirkt, als eine „germanische“ Walküre, wie bei späteren Entwürfe.
Abb. 3.1: Reichsschuldenverwaltung, 5. Januar 1899, 50 Mark, Vorderseite.
Abb. 3.2: Reichsschuldenverwaltung, 5. Januar 1899, 50 Mark, Rückseite.
Auch auf dem von Alexander Zick [* 20. Dezember 1845 in Koblenz; † 10. November 1907 in Berlin] entworfenen Reichskassenschein zu 5 Mark vom 31. Oktober 1904 wirkt Germania auf der Vorderseite noch wenig martialisch. Er zeigt die gekrönte „Mutter“ Germania am Meer mit Fahne und Schild, die das Deutsche Reich in Gestalt eines nackten Knaben bewacht, von dessen Hand eine Friedenstaube mit einem Ölzweig auffliegt. Vervollständigt wird die Darstellung durch Sinnbilder der Landwirtschaft (Früchte), der Industrie (Amboss, Hammer, Zahnrad), des Handels (Caduceus = Hermes-/Merkurstab, verschnürter Warenballen) und der Schifffahrt (Bug eines Schiffes): Symbole des Wohlstandes und Fortschritts. Gleichzeitig drückt die Bildkomposition Wehrhaftigkeit und Friedfertigkeit aus. „Auch der 10-Mark-Schein der Ausgabe von 1906 soll noch friedliche Absichten suggerieren: Die Frau mit der idealisierten Germanenkleidung hält neben dem Ruder und dem Caduceumstab, als den Symbolen der Schiffahrt und des Handels, den Palmzweig.“[4]
Abb. 4.1: Reichsschuldenverwaltung, 31. Oktober 1904, 5 Mark, Vorderseite.
Abb. 4.2: Reichsschuldenverwaltung, 31. Oktober 1904, 5 Mark, Rückseite.
Auf Dauer ließ sich die Beschränkung der Reichsbank auf die Ausgabe von Noten im Mindestbetrag von 100 Mark nicht aufrechterhalten, zumal der gesetzlich erlaubte Gesamtbetrag von 120 Millionen Mark für die Ausgabe von Reichskassenscheinen (5, 10 und 50 Mark) bereits erreicht war und sich ein Bedarf an kleineren Abschnitten bemerkbar machte. So wurden ab April 1906 Reichsbanknoten zu 50 Mark mit dem Ausgabedatum vom 10. März 1906 ausgegeben. Mit verändertem Datum folgten noch drei weitere Emissionen.
Auf der Vorderseite befinden sich in den oberen Ecken zwei einander zugekehrte, mit der Kaiserkrone bekrönte Germania-Brustbilder.
Abb. 5.1: Reichsbank, 10. März1906, 50 Mark, Vorderseite.
Abb. 5.2: Reichsbank, 10. März 1906, 50 Mark, Rückseite.
Von den Geldscheinen mit Germania-Abbildungen ist die Reichsbanknote zu 100 Mark vom 7. Februar 1908, der sog. „Flottenhunderte“, der Politischste. Der Schein wurde von Friedrich Wilhelm Wanderer [* 10. September 1840 in München; † 7. Oktober 1910 ebenda] entworfen und von Karl Straßgürtl gestochen. Auf der Rückseite wacht die wehrhafte Germania am Ufer des Meeres im Schutz einer mächtigen Doppeleiche sitzend, mit Eichenlaub bekränzt und mit Krone, Schwert, Schild und Brustpanzer ausgestattet. Vor ihr die Insignien des Handels (Caduceus, verschnürte Warenballen), der Landwirtschaft (Pflug) und der Industrie (Zahnrad, Amboss, Hammer). Im Hintergrund fahren drei Schlachtschiffe. Für Jürgen Koppatz verkörpert diese Darstellung den deutschen Imperialismus, der nach einer Neuaufteilung der Welt strebte.[5] Die Kriegsflotte sicherte nicht nur den freien Zugang zu den Weltmeeren und den Weg zu den Kolonien, sondern unterstreicht den deutschen Seemachtanspruch, der schließlich zum Konflikt mit dem britischen Imperium führte.
Diese sangen immerhin nicht nur davon, dass Britannien die Wellen beherrschen würde, sondern hatten auch den Anspruch jeder anderen Seemacht mindestens vierfach an Schiffen überlegen zu sein, um ihren Anspruch auf Beherrschung der halben Welt aufrecht erhalten zu können. Neue Kolonialmächte wie Deutschland, die ihre wenigen Kolonien mit einer eigenen Flotte beschützen wollten, störten die britische See-Hegemonie deshalb nicht unerheblich. [Anmerkung der Redaktion]
Abb. 6.1: Reichsbank, 7. Februar 1908, 100 Mark, Vorderseite.
Abb. 6.2: Reichsbank, 7. Februar 1908, 100 Mark, Rückseite.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges griff man auf ein geldpolitisches Instrument zurück, das bereits 1848 in Preußen bei einem akuten Kreditbedarf angewandt wurde. Darlehenskassen gaben gegen Verpfändung von Waren eigenes Papiergeld in Umlauf: Darlehenskassen-scheine zu 5, 20 und 50 Mark mit Datum vom 4. August 1914. Die Scheine zu 5 und 50 Mark zeigen auf der Rückseite zwei einander zugekehrte, mit der Kaiserkrone bekrönte Germania-Brustbilder.
Abb. 7.1: Reichsschuldenverwaltung, 5. August 1914, 5 Mark, Vorderseite.
Abb. 7.2: Reichsschuldenverwaltung, 5. August 1914, 5 Mark, Rückseite.
Abb. 8.1: Reichsschuldenverwaltung, 5. August 1914, 50 Mark, Vorderseite.
Abb. 8.2: Reichsschuldenverwaltung, 5. August 1914, 50 Mark, Rückseite.
Auch in Übersee war die Germania vertreten. Mit der japanischen Aggression gegen China 1894/95 (Japan annektierte Taiwan, die Pescadores-Inseln sowie den südlichen Teil der Provinz Fengtiän) verlangten auch die europäischen Mächte Stützpunkte in China.
1897 musste das chinesische Kaiserreich Deutschland das Pachtgebiet Tsingtau überlassen.
Als im Mai 1900 in China ein Volksaufstand (Boxeraufstand) gegen die ausländischen Eindringlinge ausbrach, wurde dieser von den Großmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und den USA niedergeschlagen.
Das Schlussprotokoll zu Peking vom 7. September 1901 räumte den Großmächten weitgehende wirtschaftliche Rechte ein, darunter auch das Recht, Notenbanken ich China zu betreiben. Am 8. Juli 1906 erhielt die Deutsch-Asiatischen Bank von der Reichsregierung das Notenprivileg verliehen. Ab 15. Juni 1907 emittierte die Bank ihre vom 1. März 1907 datierten und bei Giesecke & Devrient in Leipzig gedruckten Noten. Alle Ausgaben sind bildgleich und unterscheiden sich nur in der Nennung des Filialortes: Hankow, Peking, Shanghai und Tientsin. Die Scheine für Tsingtau haben darüber hinaus einen abgeänderten rückseitigen Textaufdruck. Die rechte Vorderseite der Banknoten ziert das Halbbild der gekrönten Germania mit Speer und Adlerschild. Ferner zeigt die Rückseite zwei einander zugekehrte, mit der Kaiserkrone bekrönte Germania-Brustbilder in einem Oval.
Abb. 9.1: Deutsch-Asiatische Bank, Filiale Tsingtau, 1. März 1907, 5 Dollar, Vorderseite.
Abb. 9.2: Deutsch-Asiatische Bank, Filiale Tsingtau, 1. März 1907, 5 Dollar, Rückseite.
Beim deutschen Notgeld sind ebenfalls einige Ausgaben mit Germania-Darstellungen bekannt, z.B. der Großnotgeldschein zu 10 Mark der Stadt Liegnitz (1918) oder das Kleingeld des Rheingaukreises (Rüdesheim) zu 10, 25 und 50 Pfennig vom 26. Juni 1917 mit der Abbildung des Niederwald-Denkmals.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Katharina Martin, Sprechende Bilder, Zur „Sprache des Geldes“ in der Antike, in: Geld als Medium in der Antike, hrsg. v. Benedikt Eckard und Katharina Martin, Berlin 2011, S. 91 – 93.
[2]Numen (lateinisch numen „Wink, Geheiß, Wille, göttlicher Wille“) ist ein Fachbegriff der Religionswissenschaft, der von Rudolf Otto eingeführt wurde. Er bezeichnet die Anwesenheit eines „gestaltlos Göttlichen“. In der historischen Römischen Religion bedeutet numen primär das Handeln einer Gottheit und sekundär das derart wirkende göttliche Wesen. <Wikipedia>
[3] Gottfried Gabriel, Ästhetik und Rhetorik des Geldes, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 111.
[4] Jürgen Koppatz, Motive auf Zahlungsmitteln und ihre historischen Ursachen, in: Numismatische Beiträge 1976/I, S. 37.
[5] Vgl. ebenda.
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