Ende der 1980er Jahre änderte sich die weltpolitische Lage grundlegend. Der "Kalte Krieg" schien der Vergangenheit anzugehören. Die Fertigstellung der neue Banknotenserie der Deutschen Bundesbank BBk III war abzusehen. In den Tresoren der Bundesbank lagerten aber noch immer die Sondergeldzeichen des Finanzministeriums aus den 1960er Jahren.
Sie blockierten den dringend benötigten Platz. Mit Zustimmung des Bundesfinanzministers beschlossen am 27./28. November 1990 die Teilnehmer der 122. Sitzung des Arbeitsausschusses für Betriebsangelegenheiten der Deutschen Bundesbank (ABB),
die eingelagerten Bundeskassenscheine vernichten zu lassen. Aufgrund der dezentralen Lagerung der Geldzeichen in über 40 Stellen der Bank, sollten sie aus wirtschaftlichen Gründen möglichst vor Ort über ortsansässige Aktenvernichtungsunternehmen vernichtet und entsorgt werden.[1]
In Bayern war die Aktion bereits angelaufen, als Ende März 1991 die Bundesbankleitung in Frankfurt am Main aufgeschreckt wurde. Dr. Persijn, damaliger Chefredakteur des „GELDSCHEINSAMMLERS“, fragte bei der Bundesbank (H 231) an, was es mit den Bundeskassenscheinen zu 10 Pfennig auf sich habe. Ihm seien originale Pakete mit je 500 Scheinen angeboten worden. Er bat um nähere Angaben, um die ihm unbekannten Stücke erwerben oder zumindest in der Fachzeitschrift etwas darüber publizieren zu können.
Nach interner Abstimmung in der Bank wurde er in einem Telefongespräch darauf hingewiesen, dass die Stücke nur auf unrechtmäßigem Weg an den Anbieter gelangt sein konnten. Daher wurde er gebeten, den Namen des Anbieters preiszugeben. Hierzu war er jedoch nicht bereit, versprach aber, den Anbieter der Scheine zur Rückgabe an die Bundesbank zu bewegen. Er könne nur so viel sagen, dass es sich hierbei um einen Sammler handele, der das Paket auf einem Flohmarkt für 2.000 DM erworben habe.
Da die Bundesbank die Angelegenheit möglichst „geräuschlos“ beheben wollte, ging man darauf ein. Man bat ihn aber, zunächst auf eine Publikation zu verzichten.
Dr. Alexander Persijn war seit November 1986 Chefredakteur der ersten Stunde des Magazins "Der Geldscheinsammler".
Am Freitag, dem 5. April 1991, rief Dr. Persijn gegen 11.45 Uhr in Frankfurt an und teilte mit, dass er gerade mit der Post ein Express-Päckchen erhalten habe.
Darin befand sich ein Geldscheinpaket mit Banderole und dem zweizeiligen Aufdruck „100 Deutsche Mark / in 1000 Scheinen zu 10 Pf“. An der Querseite der Banderole befanden sich zusätzlich ein Stempelabdruck „08. November 1965“ sowie zwei Zählerstempelabdrücke mit den Nummern „259“ und „235“. Beide Päckchen wurden durch eine Überbanderole umschlossen, die den dreizeiligen Aufdruck: „50 / Deutsche Mark / in 500 Scheinen zu 10 Pf“ trug.
Wie telefonisch vereinbart, wurden die Geldscheine am 9. April bei Dr. Persijn in Germersheim abgeholt. Beim Durchzählen der Bundeskassenscheine in Frankfurt stellte sich jedoch heraus, dass die Päckchen statt der ursprünglich 1000 Scheine nur 999 enthielt.
Sie wurden im Asservat des Geldmuseums unter Nr. 3761 hinterlegt. Dr. Persijn versicherte, dass er die Päckchen nicht geöffnet habe.
Nur wenige Tage später versuchte ein unbekannter Mann auf der „NUMISMATA“ in München Bundeskassenscheine zu 5 Pfennig und 1 DM zu verkaufen. In den folgenden Monaten wurden auf Börsen und Flohmärkten immer wieder Bundeskassenscheine angeboten.
Die Mitarbeiter der Bundesbank setzten alles daran, der abhanden gekommenen Scheine habhaft zu werden. So wandte man sich auch an die Papiergeldhändler und warnte vor einem Ankauf, da es sich bei den angebotenen Bundeskassenscheinen um Diebesgut handele und sie damit Hehlerware wären. Daraufhin verzichteten namhaften Händler auf den An- und Verkauf der Sonderzeichen und gaben bereits erworbene Scheine an die Bundesbank zurück.
Ob die Münzen- und Geldscheinhandlung in Saulgau darüber nicht informiert war oder wissentlich Hehlerware in der Liste 15/1993 „Banknoten aus aller Welt – World paper money“ anbot (unter den Nummern 763510 und 763515 je einen Bundeskassenschein zu 10 Pfennig zu 30 DM und zu 2 DM zu 40 DM), sei dahingestellt. Als die Bundesbank vom Verkaufsangebot erfuhr, ließ sie die Scheine aber durch die Kriminalpolizei beschlagnahmen.
Da die Büchse der Pandora nun einmal geöffnet war, ließ sich die Existenz der Bundeskassenscheine nicht mehr verheimlichen und diese boten Anlass zu den wildesten Gerüchten und Spekulationen. Händler und Sammler fragten immer häufiger bei der Bundesbank an, welche Bewandtnis es mit diesen Scheinen auf sich habe. Die Antwort aus Frankfurt fiel recht einsilbig aus:
„Die Bundeskassenscheine waren vorgesehen als Münzersatz zur Vorsorge gegen mögliche Engpässe in der Versorgung mit Bundesmünzen, z. B. bei Kapazitätsproblemen der Münzstätten.
Eine kleinere Menge wurde als sofort verfügbarer Handbestand ausgedruckt. [handschriftlich gestrichen, Anm. d. Verf.]
Da zwischenzeitlich derartige Engpässe wegen der inzwischen vorhandenen Bestände der Bundesbank an Münzen und der erweiterten Kapazität der Münzstätten nicht mehr zu erwarten sind, werden die Bundeskassenscheine jetzt vernichtet.“
So die amtliche Sprachregelung nach einer vertraulichen Bundesbanksache vom 18. April 1991. Ob diese Sprachregelung auf Anweisung des Zentralbankrates, des Direktoriums oder des Bundesministers der Finanzen zurückgeht, ist nicht bekannt. Der Dezernent I informierte den Zentralbankrat erst am 18. April 1991 und den Finanzminister nur einen Tag früher über das Vorkommen der Bundeskassenscheine.
Mittlerweile sind die Akten über die Bundeskassenscheine für die Öffentlichkeit freigegeben und im Historischen Archiv der Deutschen Bundesbank in Frankfurt/Main und im Bundesarchiv Koblenz einsehbar.[2] In einem handschriftlichen Papier vom 27. April 1990 werden die wirklichen Beweggründe für die Herstellung der Bundeskassenscheinen beim Namen genannt. Darin heißt es u. a.:
„Erfahrungsgemäß werden in Spannungszeiten Münzen von der Bevölkerung gehortet. Die Bereitstellung ausreichender Bestände ist jedoch nicht möglich, da das erforderliche Rohmaterial den Münzstätten nicht zur Verfügung gestellt werden kann, sondern vermutlich für Kriegszwecke verwendet werden.
In einer Krise werden Münzen zu 50 Pf, 1, 2, 5 DM wegen ihres Metallgehaltes vom Staat aus dem Verkehr gezogen (Aufruf der Münzen). Auch wenn inzwischen der Münzumlauf nach Aufhebung der Umlaufgrenze je Kopf der Bevölkerung anwuchs also eine gute Versorgung des Verkehrs mit Münzen besteht und die Metallzusammensetzung z. T. geändert wurde, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß in einem Kriegsfall kein Kleingeldmangel eintreten bzw. die umlaufenden Münzen als Münzreserve völlig bedeutungslos wird. …
Im Zuge der Einführung von Warenbewirtschaftungsmaßnahmen nimmt der Verkehrsbedarf an Münzen aus folgenden Gründen weiter zu: Der Trend zu Barzahlungen verstärkt sich. Es wird auch dadurch begünstigt, daß die durchschnittliche Kaufsumme infolge der Bewirtschaftung stark zurückgeht, d. h. es wird zunehmend Klein- und Wechselgeld benötigt.
Ist es schon während des Aufmarsches nicht einfach, Fahrzeuge, Kraftstoff, Bankpersonal und Begleitschutz zu haben, so gewinnt dieses Problem bei Kriegshandlungen weiter an Bedeutung, weil Verkehrswege zerstört sind und ein bewaffneter Begleitschutz nicht mehr gestellt wird (kein Kombattantenstatus). Örtliche Verknappungen können nicht ausgeschlossen werden.“
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bereitete das Bundesfinanzministerium „Maßnahmen zur Sicherstellung der Bargeldversorgung im Verteidigungsfall“ vor. In der diesbezüglichen Akte im Bundesarchiv Koblenz befindet sich auch ein Entwurf vom 5. August 1986 einer „Verordnung über die Ausgabe von Notgeld“, wobei mit Notgeld die Bundeskassenscheine gemeint sind.
Entwurf vom 5. August 1986 einer „Verordnung über die Ausgabe von Notgeld“.
Jedoch kamen Bedenken auf, ob die Verordnung so in West-Berlin übernommen werden könnte, da Art. 80 a des Grundgesetzes als Teil der Notstandsverfassung in Berlin nicht anwendbar sei. Überhaupt hatte die Bundesbank kein Interesse daran, die Angelegenheit zu vertiefen. Das Direktorium befürchtete, dass „diesbezügliche Aktivitäten im Falle einer Indiskretion die Gefahr von Mißverständnissen („Währungsschnitt“ u. ä.) in der Öffentlichkeit auslösen würden.“[3]
Woher kam das plötzliche Interesse an dem Thema „Geldversorgung im Verteidigungsfall“ und an den „vergessenen“ Bundeskassenscheinen? Dies war weniger der weltpolitischen Lage geschuldet als einer Nato-Übung. Seit 1968 führte die NATO alle zwei Jahre Wintex-Cimex durch, so auch 1989 vom 24. Februar bis 9. März. Die als Stabsrahmenübung konzipierte Übung war kein Manöver, bei dem Truppen bewegt wurden, sondern in erster Linie eine Verfahrensübung, die es dem Nato-Bündnis ermöglichen sollte, politische und militärische Maßnahmen zur Krisenbewältigung abzustimmen, Verfahren zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit vorzubereiten, den Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung sowie die zivil-militärische Zusammenarbeit zu erproben, so die Pressemitteilung der Bundesregierung.[4]
Als das Bundesfinanzministerium am 12. Dezember 1963 im „Rahmen von Vorsorgemaßnahmen für den Notstand/Zivile Verteidigung“ die Bundesdruckerei in Berlin mit dem Druck von 352,5 Millionen Sonderzeichen – kurz SZ abgekürzt – im Gesamtbetrag von 115 Millionen DM beauftragte, herrschte eine frostige Stimmung zwischen den Großmächten. Berliner Mauerbau und Kubakrise lagen erst kurze Zeit zurück. Der Auftrag wurde am 23. Dezember 1963 von der Bundesdruckerei bestätigt. In den Jahren 1965 und 1966 wurden dann insgesamt 383.085.256 Bundeskassenscheine zu 5, 10 und 50 Pfennig sowie 1 und 2 DM gedruckt, von denen 371.750.000 Scheine für eine spätere Ausgabe durch die Bundesbank übernommen wurden. Im Einzelnen:
Die Scheine sollten seitens der Bundesdruckerei verpackt geliefert werden, und zwar:
SZ 5 und SZ 10: 500 Scheine je Streifband 2 Päckchen je Paket 5 Pakete je Kunststoffkästchen 20 Kästchen je Karton
SZ 50: 200 Scheine je Streifband 5 Päckchen je Paket 5 Pakete je Kunststoffkästchen 12 Kästchen je Karton
SZ 1 und SZ 2: 100 Scheine je Streifband 10 Päckchen je Paket 5 Pakete je Kunststoffkästchen 10 Kästchen je Karton
Die Auslieferung der Sonderzeichen (SZ) erfolgte in Teilmengen: Bei den Scheinen zu 50 Pfennig geschah dies zwischen dem 12. März und 6. August 1965 in neun Lieferungen, bei den 10-Pf-Scheinen waren es 14 Lieferungen zwischen dem 20. August 1965 und 18. März 1966, während die Anlieferung der 5-Pf-Scheine in sechs Teilmengen im Zeitraum vom 25. März bis 6. Mai 1966 erfolgte. In acht Tranchen gelangten die 1-DM-Scheine in der Zeit vom 17. Mai bis 21. Oktober 1966 nach Frankfurt am Main. Über die Lieferung der SZ zu 2 DM liegen keine diesbezüglichen Angaben vor.
Am 30. Oktober 1967 meldete die Deutsche Bundesbank dem Bundesfinanzministerium, dass der Druck der SZ abgeschlossen sei sowie deren Erhalt:
Dem Bundesfinanzministerium wurde ferner mitgeteilt, „daß die Bestände ohne Nachzählung für die Auslagerung umgepackt“ würden, um anschließend als Wert-Asservate auf die Tresore der Landeszentralbanken verteilt zu werden. Über die bevorstehende Einlagerung in Holzkisten waren die Vorstände der Landeszentralbanken bereits am 14. August 1967 informiert worden. Da diese Holzkisten nicht die gleichen Maße wie die von der Druckerei gelieferten Kartons aufwiesen, änderte sich durch das Umpacken die Anzahl der Behältnisse. Sie wurden wie folgt auf die Landeszentralbanken verteilt:
Es ist anzunehmen, dass Mitarbeiter der Bundesdruckerei die Bundeskassenscheine entworfen haben – Näheres ist nicht bekannt. Alle fünf Werte sind undatiert und ohne Unterschrift. Sie weisen sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite einen ornamentalen Unterdruck auf. Die Vorderseite nennt neben dem Wert in Buchstaben die Währungsbezeichnung „Pfennig bzw. Deutsche Mark“, die Geldbezeichnung „Bundeskassenschein“ und den Emittenten „Bundesrepublik Deutschland“. Auf der Rückseite wird der Wert zusätzlich in Ziffern angegeben sowie der Hinweis „Geldfälschung wird mit Zuchthaus bestraft“. Die Nominale ab 50 Pfennig haben auf der Vorderseite eine rote, achtstellige Kontrollnummer mit einer vorgesetzten Serienziffer.[5] Alle Werte wurden auf weißem Papier ohne Wasserzeichen gedruckt. Die Formate werden mit zunehmenden Nominal größer.
Der Druckbogen der SZ 5 enthielt 144 Nutzen, beim SZ 10 waren es 100, während 60 Scheine auf dem Druckbogen des SZ 50 gedruckt wurden und jeweils 48 Scheine enthielt der Bogen der Scheine zu SZ 1 und SZ 2.
Abb. 1.1: Bundeskassenschein, o. D., 5 Pfennig, Vorderseite.
Abb. 1.2: Bundeskassenschein, o. D., 5 Pfennig, Rückseite, Größe: 60 x 40 mm.
Abb. 2.1: Bundeskassenschein, o. D., 10 Pfennig, Vorderseite.
Abb. 2.2: Bundeskassenschein, o. D., 10 Pfennig, Rückseite, Größe: 70 x 45 mm.
Abb. 3.1: Bundeskassenschein, o. D., 50 Pfennig, Vorderseite.
Abb. 3.2: Bundeskassenschein, o. D., 50 Pfennig, Rückseite, Größe: 80 x 50 mm.
Abb. 4.1: Bundeskassenschein, o. D., 1 DM, Vorderseite.
Abb. 4.2: Bundeskassenschein, o. D., 1 DM, Rückseite, Größe: 90 x 55 mm.
Abb. 5.1: Bundeskassenschein, o. D., 2 DM, Vorderseite.
Abb. 5.2: Bundeskassenschein, o. D., 2 DM, Rückseite, Größe: 100 x 60 mm.
Die Bundesregierung hatte sich am 18. März 1960 damit einverstanden erklärt, dass die Deutsche Bundesbank gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 Gesetz über die Deutsche Bundesbank auf
5 DM lautende Noten ausgibt, „soweit die Bedürfnisse des Verkehrs und die Versorgung der Bevölkerung mit kleinen Geldzeichen nicht durch Ausprägung entsprechender Scheidemünzen … befriedigt werden kann.“ Zwischen 1962 bis 1974 vergab die Bundesbank neun Aufträge zum Druck von 5-DM-Noten, dies entspricht etwa 2 Milliarden Noten.
„Der Umlauf an 5-DM-Noten, die in Konkurrenz zu den 5-DM-Münzen stehen, zeigt – nach anfänglich steigender Tendenz – seit 1970 eine rückläufige Entwicklung.“ So betrug der Umlauf an 5-DM-Noten am 30. November 1979 136,6 Mio. DM, während der Umlauf an 5-DM-Münzen zum gleichen Zeitpunkt 2.593,4 Mio. DM betrug. Bei ihrer Sitzung am 27. September 1979 beschloss daher der Zentralbankrat, auf die weitere Herstellung von 5-DM-Noten zu verzichten, zumal „mit dem Einstellen des Nachdrucks von 5-DM-Noten .. die Bank nicht nur dem Bedürfnis des Zahlungsverkehrs, sondern auch der Grundkonzeption des Gesetzgebers folgen [würde].“
Vereinzelt wurden Stimmen laut, die nun den Druck von Bundeskassenscheinen zu 5 DM als Reserve forderten. Bundesbank-Direktorium und Bundesfinanzministerium waren jedoch der Meinung, dass die Reserven an 5-DM-Noten ausreichen würden, zumal der Zentralbankrat in der 552. Sitzung am 13. März 1980 beschloss, „Vorschläge für die Ausgabe von neuen Bundesbanknoten zu DM 5 bis DM 1000 (BBk III) [zu] erarbeiten.“[6]
Das Auftauchen der Bundeskassenscheine in numismatischen Fachkreisen (s. o.) veranlasste die Teilnehmer der 123. Sitzung des ABB am 25. April 1991 die Vernichtung der Sonderzeichen zu stoppen. Die jeweiligen Revisionsabteilungen der Landeszentralbanken (LZBs) wurden aufgefordert, ihre Bestände zu kontrollieren und ggf. die bisherige Praxis der Vernichtung zu überprüfen. Ein Hintergedanke hierbei war sicherlich auch, dabei die Quelle zu ermitteln, aus der die im Handel angeboten Scheine stammten.
Vom 17. bis 29. April 1991 prüften Bundesbankdirektor Adam und Bundesbankinspektor z. A. Theobald die Asservatenbücher in Frankfurt am Main. Der Bericht der Hauptabteilung Revision lag im April/Mai 1991 vor. Danach waren auf dem Bankgelände der LZB Bayern bereits Sonderzeichen mit einem mobilen Schredder eines Aktenvernichtungsunternehmens vernichtet und anschließend im städtischen Heizkraftwerk verbrannt worden. Auch bei der LZB Nordrhein-Westfalen hatte ein Aktenvernichtungsunternehmen mit der Arbeit begonnen. Die Schredderung konnte hier durch ein Glasfenster beobachtet werden. Das Schreddergut wurde anschließend mit anderem Material verwirbelt und dem Papier-Recycling zugeführt.
Die Firma Swoboda-Dassler aus Ratingen verlangte für die Vernichtung des Inhalts eines Rollbehälters 119,70 DM (netto 105 DM + 14 % Umsatzsteuer = 14,70 DM), wenn Beamte des Geldbearbeitungsdienstes bei den Zweiganstalten die SZ-Kisten öffneten und den Inhalt der Kisten in die Rollbehälter füllten. Der Rollbehälter nahm in diesem Fall den Inhalt von 8 – 10 SZ-Kisten auf, also zwischen 400.000 und 1.000.000 Scheine. Sollten die Rollbehälter dagegen mit verschlossenen SZ-Kisten beladen werden, die anschließend für das Schreddern von Mitarbeitern des Entsorgungsunternehmens geöffnet und vernichtet werden, so wurden 176,70 DM (155,00 DM + 14 % Umsatzsteuer = 21,70 DM) verlangt. Der Rollbehälter nahm in diesem Fall auch nur vier SZ-Kisten auf.
Bei der LZB Rheinland-Pfalz waren bereits 200 SZ-Kisten mit einem hauseigenen Schredder vernichtet worden. Da noch größere Partikel vorgefunden wurden, beabsichtigte man das Schreddergut in der städtischen Müllverbrennung zu verbrennen. Mit der Umverpackung der Bundeskassenscheine in Packbeutel hatte man bei der LZB Schleswig-Holstein begonnen, während die LZB Berlin ihre Bestände zur Vernichtung an die LZB Hamburg geliefert hatte. Die restlichen LZBs hatten mit der Aktion noch nicht begonnen. Die Prüfer kamen zu dem Schluss, dass die vorgelegten Akten nicht mehr vollständig waren. „Ob Teile des Aktenmaterials wegen Zeitablauf bereits vernichtet worden sind, konnte uns nicht nachgewiesen werden.“
Während die Bestände der LZBs anhand ihrer Mitteilungen geprüft wurden, konnten die 570 in Frankfurt gelagerten Kisten in Augenschein genommen werden. 567 davon waren jeweils mit zwei Metallbändern verschlossen und mit der Plombe Nr. 18 versehen.
„Die dazugehörende Plombenzange wurde 1988 vernichtet. Drei Kisten waren geöffnet worden, und zwar eine Kiste mehrmals, zuletzt im Jahre 1982. Nach der letzten Öffnung war sie mit zwei Metallbändern verschlossen und verplombt (Plombenzange Nr. 17) worden; zwei Kisten waren 1990 geöffnet worden und sind seitdem mit zwei Metallbändern verschlossen.“
Im Bericht heißt es weiter:
„Die drei geöffneten Kisten haben wir am 22. April 1991 geöffnet und den Inhalt auf seine Vollständigkeit geprüft. Hierbei haben wir den Inhalt der beiden mit Sz 2 gekennzeichneten Kisten vollständig maschinell durchgezählt. Den Inhalt der mit Sz 5 gekennzeichneten Kiste haben wir nur überschläglich aufgenommen. Es ergaben sich keine Bemerkungen.“
Der Inhalt von drei anderen Kisten soll hier genauer betrachtet werden. Die Kisten Nummer 27, 222 und 300 enthielten lt. Inhaltsverzeichnis:
4 Astralon-Kopien Nr. 1 bis 4 vom Wertabschnitt zu 5 Pf
4 Astralon-Kopien Nr. 5 bis 8 vom Wertabschnitt zu 10 Pf
4 Astralon-Kopien Nr. 9 bis 12 vom Wertabschnitt zu 50 Pf
4 Astralon-Kopien Nr. 13 bis 16 vom Wertabschnitt zu 1 DM
4 Astralon-Kopien Nr. 17 bis 20 vom Wertabschnitt zu 2 DM
1 Mustermappe: Inhalt 12 Blatt mit Anweisungen und Mustern für den Nachdruck von Bundeskassenscheinen.
Um die Versorgung mit Bundeskassenscheinen jederzeit sicherstellen zu können, hatte die Bundesdruckerei 300 Druckbehelfe hergestellt, mit denen private Offsetdruckereien die Scheine nachdrucken konnten. Sie waren im Januar 1968 nach Frankfurt geliefert worden und lagerten zum Zeitpunkt der Prüfung im Asservat Nr. 21.
Auch der „Bericht über das Ergebnis der aus gegebenen Anlaß durchgeführten Bestandsaufnahme an Bundeskassenscheinen (Sonderzeichen) und Prüfungen durch die Revisionsabteilungen der Landeszentralbanken und des Direktoriums“ vom 28. Juni 1991 enthält keinen Hinweis darauf, woher die Scheine stammen, die auf den Sammlerbörsen angeboten wurden. Lediglich einige interessante Anmerkungen zur Vernichtungsaktion finden sich hier. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden die Arbeiten von jeweils zwei bzw. drei Mitarbeitern begleitet und ordnungsgemäß protokolliert, während im Prüfungsbericht der LZB Bayern folgendes festgehalten wurde:
„Die Durchführung der Vernichtung oblag einem Angehörigen der Organisationsabteilung, der zeitweise Bestände unter Alleinverschluß hatte und die alleinige Aufsicht führte. Es liegen keine Anzeichen dafür vor, daß er unerlaubte Veränderungen vorgenommen hat. Wir sehen deshalb von einer nachträglichen Prüfung der Vorgehensweise bei der Vernichtung ab.“
Diese Antwort macht stutzig, da die Vernichtung von Geldscheinen stets durch mindestens zwei Mitarbeiter überwacht werden sollte. Auch berichtete der damalige Papiergeldhändler Holger Rosenberg, Hamburg, Herrn Leue von der Bundesbank, dass ihm im vergangenen Jahr ein Paket mit 10-Pfennig-Scheinen zum Preis von 3.000 DM (Stückpreis: 3 DM) von einem Angehörigen der LZB München, dessen Namen er aber nicht preisgeben wolle, angeboten worden sei. Da ihm die Scheine unbekannt gewesen waren, habe er den Verkäufer gebeten, einen Ankaufsbeleg mit dem Passus zu unterschreiben, dass die Stücke Eigentum des Verkäufers seien. Da der Anbieter dies ablehnte, habe er vom Ankauf abgesehen.
Herr Leue wandte sich daraufhin am 30. Januar 1992 an die LZB München und informierte den Hauptabteilungsleiter Revision Bäumer über das Telefongespräch mit Herrn Rosenberg. Es wurde vereinbart, Stillschweigen zu bewahren und das Ergebnis der Revision der LZB München abzuwarten. In den Akten findet sich nichts darüber, ob ein Schuldiger ermittelt wurde.
Festzuhalten ist, dass laut Schreiben der beteiligten LZBs die Vernichtung in der Zeit vom
5. November 1991 bis 24. November 1993 abgeschlossen wurde. Mit Schreiben vom
12. Januar 1994 informierte die Bundesbank das Finanzministerium über den Abschluss der Vernichtungsaktion. Bleibt noch anzumerken, dass das Bundesfinanzministerium der Bundesbank erlaubte, zwei komplette Sätze für Archivzwecke aufzubewahren.
Obwohl sich an der rechtlichen Situation nichts geändert hat, gaben irgendwann Bundesfinanzministerium und Deutsche Bundesbank den Kampf auf, die gestohlenen Scheine zurückzufordern. Es ist nicht bekannt, wie viele Bundeskassenscheine in Sammlerhände gelangten. Sieht man vom 50-Pfennig-Schein ab, der meines Wissens nach so gut wie nie angeboten wurde, sind die übrigen vier Werte heute leicht zu „erwerben“.
Der 10-Pfennig-Schein ist bei ebay bereits für unter 10 € zu bekommen. Erheblich seltener sind die Scheine zu 5 Pfennig und 1 DM. Sie werden wie auch der 2-DM-Schein meist zu Preisen um 40 € offeriert.
An dieser Stelle danke ich Herrn Reibe vom Historischen Archiv der Deutschen Bundesbank für die freundliche Unterstützung.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Dem Bericht liegt, wenn nichts anderes vermerkt ist, die Akte B330/65108 des Historischen Archivs der Deutschen Bundesbank zugrunde.
[2] Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank, B330/65108 und BA Koblenz, B126/346494.
[3] BA Koblenz, B126/346494.
[4] Bulletin 18-89 vom 22. Februar 1989, PER E-MAIL TEILEN, NATO-STABSRAHMENUEBUNG WINTEX-CIMEX 89 PER FACEBOOK TEILEN, NATO-STABSRAHMENUEBUNG WINTEX-CIMEX 89
[5] Hans Ludwig Grabowski gibt in seinem Katalog beim SZ 50 die Serien 1, 2, 3, 4, beim SZ 1 die Serien 1, 2, 3, 4, 5, 6 und beim SZ 2 die Serien 1, 2 an. Darüber hinaus soll es von diesen drei Werten Austauschnoten geben, die statt der Serienziffer einen Stern tragen.
„Die deutschen Banknoten ab 1871. Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine, 23. überarbeitete und erweiterte Auflage, Regenstauf 2023, Kat.-Nr. BRD-68 bis BRD-70, S. 312.“ Die vorliegenden Akten haben hierzu keine Angaben.
[6] Hist. Archiv der Deutschen Bundesbank, B330/64854.
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