Am 11. November 1918, dem Tag, an dem der Waffenstillstand im Wald von Compiègne unterzeichnet wurde, umfasste das deutsche Heer noch mehr als sechs Millionen Soldaten. Etwa 3,2 Millionen davon befanden sich in Belgien und Ostfrankreich, die nun nach den Waffenstillstandsbedingungen umgehend ins rechtsrheinische Reichsgebiet zurückgezogen und demobilisiert werden mussten.
„Die meisten von ihnen hatten vom Krieg mehr als genug – aber nicht alle. Vielleicht jeder fünfte, vielleicht auch nur jeder zehnte war bereit, für seine jeweiligen politischen Vorstellungen weiter zu kämpfen.“[1]
Viele von ihnen fanden eine neue militärische Heimat in den östlichen Provinzen des Reichs, nach denen das wiedererstandene Polen seine Hand ausstreckte. Auch im Baltikum standen deutsche Truppen weiterhin im Abwehrkampf gegen die bolschewistische Rote Armee. Also warben deutsche Regierungsstellen unter den Demobilisierten Kämpfer für Freiwilligen-Verbände an, die man als Freikorps bezeichnete. Für viele der arbeitslosen und aus dem Militär entlassenen Soldaten waren die Verdienstmöglichkeiten verlockend, denn sie erhielten den Sold eines regulären Soldaten, zuzüglich fünf Mark pro Tag. Ein Mannschaftsdienstgrad kam so monatlich auf 180 Mark und ein junger Leutnant z.B. auf 300 Mark. Hinzu kamen weitere Zulagen für Verheiratete, für Kinder sowie besondere Qualifikationen und das Ganze bei freier Kost und Logie. Beim Einsatz in Polen oder im Baltikum gab es sogar noch einen „Gefahrenzuschlag“ von weiteren vier Mark pro Tag. Lohnsteuern und Sozialabgaben wurden hingegen nicht erhoben. Zum Vergleich, der durchschnittliche Monatsverdienst im Reich lag damals bei 167,50 Mark.
Das „Bataillon Generalfeldmarschall von Hindenburg“ gehörte zu den Freikorps, die sich damals bildeten. Wohl als einziger Freikorps-Verband stellte er eigenes Geld her.
Zwar werden in verschiedenen Katalogen 1- und 2-Mark-Gutscheine erwähnt, aber bisher nirgends abgebildet.[2] Diese undatierten Gutscheine sind von größter Seltenheit. Der vorliegende Gutschein zu einer Mark hat die Maße 94 mm x 70 mm.
In der Mitte der Vorderseite befindet sich die Abbildung des Abzeichens des Selbstschutzes Oberschlesien, das von allen Selbstschutz-Formationen teils am Arm, teils an der linken Brustseite getragen wurde. Daneben links „S.S. / O.S.“ und rechts „Eine / Mark“. Über dem Wappenschild im Halbkreis „Batl. Gen. Feldm. von Hindenburg“. Darunter zweizeilig „Dieser Schein wird eingelöst durch / die Kasse der III. Hundertschaft“. Die beiden Unterschriften sind leider nur bedingt lesbar und daher zur weiteren Bestimmung wenig hilfreich. In der Mitte der unbedruckten Rückseite ein Stempelabdruck (Ø 33 mm) mit dem schlesischen Adler in der Mitte und der Umschrift „III. Hundertschaft Batl. von Hindenburg . S.S. O/S. .“.
Die Gutscheine wurden im Hektographie-Verfahren hergestellt. Hierbei werden Schriftstücke ohne Anwendung einer Presse mittels einer abfärbenden Vorlage, der Matrize, vervielfältigt. Handzeichnung wie auch Schreibmaschinenschrift werden von einem Farbblatt auf eine mit besonderer Gelantine-Mischung beschichtete Unterlage übertragen, von der dann mittels einer Spirituslösung im Umdruck Abzüge auf saugfähigem Papier hergestellt werden. Hektographien zeichnen sich durch ein ausgesprochen minderwertiges Druckbild aus, das zudem oft nicht rein schwarz, sondern wie bei einem Tintenstift violett ist. Wie das Wort Hektographie (von altgriechisch ἑκατόν hekatón, deutsch ‚hundert‘ und -graphie, wörtlich „Hundertschreibung“, etwa „Verhundertfachung“) bereits andeutetet, ist die Anzahl der Abzüge auf ca. 100 beschränkt. Legt man eine Matrize in DIN-A4-Größe zugrunde, so hätte man bei entsprechender Anordnung der Beschriftung/Zeichnung in einem Arbeitsgang neun Scheine gleichzeitig herstellen können – mit einer Matrize also kaum mehr als 900 Exemplare, wobei zu berücksichtigen ist, dass mit zunehmender Zahl der Abzüge, die Vervielfältigungen immer schwächer werden.
Abb. 1: Batl. Gen. Feldm. von Hindenburg, III. Hundertschaft, o. D. (Mai/Juni 1921), 1 Mark, Vorderseite.
Abb. 2: Batl. Gen. Feldm. von Hindenburg, III. Hundertschaft, o. D. (Mai/Juni 1921), 1 Mark, Rückseite.
Zum Bataillon "Generalfeldmarschall von Hindenburg“ ist wenig bekannt. Nach von Schmidt-Pauli ging ein Freikorps mit diesem Namen aus der Bewachungskompanie der Obersten Heeresleitung hervor. Es wurde am 8. März 1919 in Kolberg gegründet und bereits am 21. Oktober 1919 aufgelöst und in das Reichswehr-Inf.-Regt. 110, Celle, bzw. das Reichswehr-Kavallerie-Regt. 101 überführt.[3]
Unser Geldschein stammt jedoch aus einer späteren Zeit und hängt mit dem dritten schlesischen Aufstand zusammen.
Nach der oberschlesischen Volksabstimmung am 20. März 1921, bei der 59,6 % (707.000 Stimmen) der Wähler für den Verbleib bei Deutschland und 40,4% (479.000 Stimmen) für eine Abtretung an Polen votierten, setzte in der Interalliierten Kommission eine Diskussion über eine mögliche Teilung des Abstimmungsgebiets ein. Die Polen wollten deren Entscheidung nicht abwarten und vollendete Tatsachen schaffen. In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1921 begann der sog. 3. Insurgenten-Aufstand. Die interalliierten Truppen sahen dem Treiben weitgehend tatenlos zu und die deutschen Selbstschutzverbände waren zu schwach, um sich gegen die polnische Übermacht behaupten zu können. Erst die Unterstützung durch Freikorps-Verbände aus dem Reich veränderte das Kräfteverhältnis.
Das (zweite) Freikorps-Bataillon "Generalfeldmarschall von Hindenburg“, das im Mai 1921 von Major a. D. von Waldow aus Freiwilligen gegründet wurde, kam an der Nordfront zum Einsatz. Dort nahm es Sicherungsaufgaben im Abschnitt Reinersdorf bis Simmenau wahr. Auch wenn Dr. Keller etwas anderes behauptet, wurde das Ersatzgeld nicht während der Schlacht um den Annaberg ausgegeben. Die Freikorps-Mitglieder kamen vorwiegend aus Braunschweig, Hannover und Clausthal oder waren Angehörige des Stahlhelmbunds aus Niedersachsen. Die Formation bestand aus drei Kompanien, deren anfängliche Stärke 35 Offiziere und ca. 560 Soldaten betrug. Später sollen es fast 1000 Mann gewesen sein. Teile des Freikorps nahmen im Juni an den verlustreichen Kämpfen um Zembowitz und Pruskau teil. Mit der Vereinbarung von Blottniz vom 25. Juni 1921 hörten die Kämpfe auf und wenige Tage später zogen beide Seiten ihre Kämpfer aus Oberschlesien ab. Ende Juni 1921 löste sich das Freikorps "Generalfeldmarschall von Hindenburg" auf und die Mehrheit seiner Mitglieder kehrten nach Niedersachsen zurück.[4]
Die Teilung Oberschlesiens durch den Beschluss der Pariser Botschafterkonferenz vom 20. Oktober 1921 markierte das vorläufige Ende des Oberschlesien-Konflikts.
Uwe Bronnert
Literatur:
Günther Körner; Selbstschutz in Oberschlesien 1921, Bilddokumentation, Dülmen 2014.
Ernst von Salomon, Das Buch von deutschen Freikorpskämpfer, Nachdruck der Ausgabe von 1938, Struckum 1988.
Edgar v. Schmidt-Pauli, Geschichte der Freikorps 1918 –1924, Stuttgart 1935.
Dominique Venner, Söldner ohne Sold, Die deutschen Freikorps 1918 – 1923, Bergisch-Gladbach 1978.
Anmerkungen:
[1] Sven Felix Kellerhoff, Wie es zu der Söldnerschwemme in der Weimarer Republik kam. < https://www.welt.de/geschichte/article206960769/Freikorps-1919-20-Wer-bezahlte-die-ganzen-Soeldner.html> (09.06.2020)
[2] Vgl. Das Deutsche Notgeld, Katalog Kleingeldscheine 1916 – 1922, I.-III. Teil: Verkehrsausgaben, Zusammengestellt von Dr. Arnold Keller, Neu bearbeitet von Albert Pick und Carl Siemsen, München 1979, S. 684, Kat.-Nr. 2962. Rolf Ritter, Notgeld aus der Abstimmungszeit 1920/22 in Oberschlesien, Kamen 1981, S. 65. Wieslaw M. Pawlowski, Piendiadz Zastepczy na Górnym Slasku w Okresie Plebiscytu I III Postania Slaskiego, Lublin 2020, S. 120, Kat.-Nr. 36.2-1/2. Ein Hinweis auf diese Ausgabe fehlt komplett bei Kai Lindman, Deutsches Militärgeld 1914 – 1945, Heer – Luftwaffe -Marine – Versorgungseinheiten, Gifhorn 2017. [3] Edgar v. Schmidt-Pauli, Geschichte der Freikorps 1918 -1924, Stuttgart 1935, S. 358. [4] Angaben nach < https://www.ehrenzeichen-orden.de/weimarer republik/hindenburg-bewahrungsabzeichen.html> (05.06.2020)
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