Historischer Kontext
Für den italienischen Bündnisbruch mit den Mittelmächten und seinen Kriegseintritt auf der Seite der Entente gegen Österreich und Deutschland 1915 hatten die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg – wie zuvor versprochen – Bozen mit dem ganzen südlichen Tirol bis zum Brenner Italien zugeschlagen.
Im Zweiten Weltkrieg war Italien zwar lange Zeit erneut mit Deutschland verbündet, nach dem Scheitern der italienischen Großmachtpläne und in Anbetracht einer kurz zuvor erfolgten alliierten Invasion setzte der faschistische Großrat Italiens jedoch den Duce Benito Mussolini am 25. Juli 1943 ab. Noch während deutsche Soldaten an der Seite ihrer italienischen „Waffenbrüder“ gegen die Invasion kämpften, trat die neue italienische Regierung in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten.
Als US-General Eisenhower am 8. September 1943 über Rundfunk den Waffenstillstand mit Italien bekannt gab, liefen kurz darauf die deutschen Gegenmaßnahmen unter dem Tarnnamen „Fall Achse“ an. Im Norden Italiens wurde Mussolini von einem SD-Sonderkommando unter Führung des Otto Skorzeny befreit und schon am 23. September rief er die „Sozialrepublik Italien“ aus, die Anfangs den gesamten Norden des Landes umfasste und auch die „allerfaschistischste Republik“ genannt wurde.
Die Kriegserklärung des verbliebenen Königreichs Italien an Deutschland folgte am 13. Oktober 1943.1)
Zur Geschichte des Lagers
Schon im Winter 1943 diente ein kleines Lager an der heutigen Reschenstraße in Bozen als Unterkunft für eine Art Strafbataillon. Bis zum Sommer 1944 wurde das Lager für
eine größere Aufnahmekapazität ausgebaut und im Juli als Durchgangslager in Betrieb genommen. Hier wurden die Häftlinge des geräumten Lagers Fossoli aufgenommen.
Ab Oktober 1944 kamen noch weitere Baracken und ein Lagergefängnis dazu, so dass schließlich insgesamt mehr als 2.000 Häftlinge untergebracht werden konnten.
Fossoli in der Provinz Modena war im Dezember 1943 von den italienischen Faschisten zunächst als kleines Internierungslager für Juden errichtet worden. Nach der Übernahme des Lagers durch den deutschen Sicherheitsdienst (SD) im März 1944 wurde es als Polizeidurchgangslager unter hauptsächlich italienischer Bewachung genutzt, in dem sich ein separates sog. „Judenlager“ befand. Von Fossoli aus, das unter Leitung des SS-Untersturmführers Karl Friedrich Titho stand, erfolgte die Deportation mehrerer Tausend Juden in Vernichtungslager, vor allem nach Auschwitz.
Mit der näher rückenden Front wurde das Lager Fossoli aufgelöst und Titho wurde Lagerkommandant in Bozen. Im Unterschied zu den zahlreichen anderen Konzentrationslagern im faschistischen Italien stand nun allein Bozen unter deutscher Leitung. Neben jüdischen Gefangenen wurden im Lager z.B. auch Angehörige von
Widerstandsgruppen, Kriegsdienstverweigerer, sog. Politische aller Art oder ganze Familien in Sippenhaft interniert. Die Häftlinge, die von Bozen aus nicht in andere Lager, wie Mauthausen, Dachau, Ravensbrück oder Auschwitz, transportiert wurden, mussten Zwangsarbeit im Lager, in der Stadt oder im Virgolo-Tunnel leisten. Jüdische Häftlinge wurden ausschließlich für Reinigungsarbeiten im Lager und in den Häusern der SS herangezogen. Frauen kamen auch in einer Uniformschneiderei zum Einsatz.
Der von einem im Lager heimlich tätigen Komitee für Nationale Befreiung (CLN) geplante Gefangenenaufstand wurde nicht mehr notwendig, da die SS das Lager in den letzten Apriltagen 1945 räumte, ohne ein zuvor befürchtetes Massaker an den Häftlingen zu verüben. Danach wurde das Lager vom Roten Kreuz übernommen und am 3. Mai 1945 geschlossen.
Insgesamt sollen bis zu 15.000 registrierte Häftlinge durch das Lager Bozen gegangen sein. Hinzu kommen zahlreiche nicht registrierte jüdische Häftlinge auf ihrem Weg in die Vernichtung. Im Lager selbst wurde die Ermordung von bis zu 20 Häftlingen im Zellenbau bekannt.2)
Das Lagergeld von Bozen
Im Durchgangslager Bozen wurden von Häftlingen inoffiziell eigene Scheine in Lira-Währung hergestellt, die man zum Einkauf von Lebensmitteln und Waren aller Art außerhalb des Lagers nutzte. Die meisten Informationen hierzu stammen von dem ehemaligen politischen Häftling Bruno Galmozzi, der die Scheine auch gedruckt hatte.
Nach Galmozzi soll das Ersatzgeld im Auftrag des Internen Widerstands-Komitees (Comitato Interno di Resistenza) heimlich im Lager hergestellt worden sein. Das fertige Lagergeld wurde dann durch den Lagerältesten, Ermanno Pasqualini, versteckt und wie gültige Lira-Währung gehütet. Ausgewählte Häftlinge, die in Bozen oder beim Tunnelbau zur Arbeit eingesetzt waren, schmuggelten dann kleinere Beträge aus dem Lager und bezahlten damit notwendige Waren in „patriotischen Geschäften“, die bereit waren, das Lagergeld anzunehmen.
Galmozzi selbst entwarf auch die unterschiedlichen Wertstufen und druckte diese zwischen Dezember 1944 und Januar 1945. Als erstes wurde ein 500-Lire-Schein gedruckt, und auch einen Hunderter hat es nach Galmozzi gegeben, der in meinem Buch "Das Geld des Terrors" – genau wie der Wert zu 1 Lire – erstmals nachgewiesen werden konnte.
Drei Monate konnten Häftlinge mit dem illegalen „Lagergeld“ erfolgreich in verschiedenen Geschäften in Bozen einkaufen, bevor die Ladenbesitzer Angst bekamen, verraten und selbst inhaftiert zu werden. Schließlich stieß eine Wache auf die Scheine beim Durchsuchen von Gefangenen, die aus dem Lager gehen wollten. Der Posten informierte die Lagerleitung und Galmozzi musste sich selbst verteidigen, nachdem auch die Druckerpresse gefunden wurde. Er behauptete, dass die Scheine auf Abfallpapier gedruckt und ausschließlich für Poker-Spiele genutzt wurden. Zu dieser Zeit rückten die Alliierten bereits immer näher und das Ende des Lagers war auch für die SS absehbar.
Man bestrafte Galmozzi nicht, beschlagnahmte aber den gesamten Bestand des illegalen „Lagergelds“ und begann nun selbst, die Scheine in Bozen zur Bezahlung von Einkäufen wie Notgeld zu nutzen. Ladenbesitzer wurden zur Annahme der Scheine aufgefordert.3)
Dies kann, muss jedoch nicht der einzige Grund für Abstempelungen solcher Scheine mit Dienststempeln der SS sein. Es gibt auch Vermutungen, dass Stempel nachträglich aufgebracht wurden, um die Nachfrage von Sammlern und den Wert der Scheine zu steigern.
Fest steht jedoch, dass die Scheine aus dem Lager Bozen nicht das Geringste mit der „Prämienvorschrift“ des Wirtschafts-Verwaltungshauptamts der SS zu tun haben. Eine diesbezügliche Zuordnung, wie sie noch bei Pick/Siemsen erfolgte, ist nicht zutreffend.4)
Alle Werte sind heute selten, solche ohne Dienststempel sogar echte Raritäten.
Anmerkungen:
Hans-Ludwig Grabowski (unter Mitarbeit von Henning Huschka und Wolfgang Schamberg), Italien – Deutsche Intervention im Zweiten Weltkrieg, in: Ausländische Geldscheine unter deutscher Besatzung im Ersten und Zweiten Weltkrieg, S.114 – 119
Ada Buffulini, Das Konzentrationslager Bozen, in: Roter Winkel Nr. 1 – 2, 01.1976
Ray Feller/Steve Feller, Silent Witnesses: Civilian Camp Money of World War II, S. 52, sowie: Lance K. Campbell, Prisoner of War and Concentration Camp Money of the 20th Century, S. 104
Albert Pick/Carls Siemsen, C. Ausgaben nach der Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge, in: Das Lagergeld der Konzentrationslager und D.P.-Lager 1933 – 1947, S. 29
Mehr über die Geschichte von Konzentrationslagern und Gettos und deren Geld inkl. Katalogisierung und Hinweise zu Fälschungen finden Sie in meinem Buch "Das Geld des Terrors".
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Geldmuseum der Deutschen Bundesbank
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