Ab 23. Oktober 1923 gestattete die Reichsregierung Unternehmen und Kommunen die Ausgabe von wertbeständigem Notgeld, wenn es auf Teile der Reichsgoldanleihe vom
14. August 1923 lautete und durch diese Anleihe gedeckt war. Das Notgeld musste nominal auf 4,20 Mark Gold oder kleiner lauten. Die Scheine mussten neben der Bezeichnung „Notgeldschein“ den Vermerk „Ausgegeben mit Genehmigung des Reichsministers der Finanzen“ tragen.
Die höheren Nennwerte der Reichsgoldanleihe wurden daraufhin in beträchtlichem Umfange von Handelskammern bei der Reichsbank hinterlegt und so zur Deckung ihrer eigenen wertbeständigen Notgeldausgaben verwendet. Auch von der Handelskammer Erfurt wurde wertbeständiges Notgeld als Goldmark-Notgeld mit Valutaklausel herausgegeben.
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 4,2 Pfennig-Gold = 1/100 Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Der 1923 gebräuchliche Begriff „Goldmark mit Valutaklausel“ bezog sich in der Regel auf den goldgedeckten Dollar mit dem Umrechnungsfaktor 4,20 Goldmark = 1 Dollar. Bei dieser Art von Valutaklausel liegt zwar eine Geldschuld in ausländischer Währung vor (Valutaschuld), gezahlt wird aber nach Devisenkursumrechnung in deutscher Reichswährung. Man spricht deshalb von einer unechten Valutaschuld bzw. Valutaklausel, im Gegensatz zu einer echten Valutaschuld bzw. Valutaklausel, bei der sich der Schuldner verpflichten würde, die Geldschuld in Fremdwährung zu zahlen. Das wertbeständige Notgeld der Handelskammern lautete ausschließlich auf Goldpfennig (Pfennig-Gold) bzw. Goldmark (Mark Gold) auf der Valutabasis des Dollars (4.20 Goldmark = 1 US-Dollars).
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 8,4 Pfennig-Gold = 1/50 Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Im Zeitraum vom 25. Oktober 1923 bis zum 18. Dezember 1923 emittierten im Deutschen Reich 23 Handelskammern 25 Ausgaben Goldmarknotgeld (insgesamt 104 wertbeständige Notgeldscheine). Die Handelskammern erschienen – wie gelegentlich auch schon in der vorangegangenen bzw. gleichzeitigen Periode der Papiermark-Notgeldausgaben – besonders geeignet, einheitliches Notgeld zur Vermeidung zahlreicher Firmenausgaben in den Verkehr zu bringen. Sie fungierten dann quasi als Treuhänderinnen der ihnen angeschlossenen Mitgliedsfirmen.
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 21 Pfennig-Gold = 1/20 Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Solches „wertbeständiges Handelskammer Goldmark-Notgeld“ wurde lediglich im Rheinland, in Hannover, in Hessen, Westfalen, Sachsen, Thüringen, Württemberg und in Baden ausgegeben. Die Handelskammern erfragten seinerzeit den Bedarf an Goldmark-Notgeld bei den angeschlossenen Industriebetrieben und Händlern und meldeten ihn dem Reichsfinanzministerium zur Genehmigung.
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 42 Pfennig-Gold = 1/10 Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Zu bemerken ist, dass das wertbeständige Notgeld der Handelskammern in allen Teilen Deutschlands oft weit über einen vorgesehenen örtlichen Bereich hinaus umgelaufen ist.
Ob es anderwärts angenommen wurde oder nicht, hing viel weniger von einer behördlichen Genehmigung als davon ab, ob es örtlich Vertrauen genoss und Verwertungsmöglichkeiten bestanden.
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 1,05 Mark-Gold = ¼ Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Die Handelskammer Erfurt in Erfurt (Provinz Sachsen) emittierte am 30. Oktober 1923 eine Reihe von sechs Notgeldscheinen in den Nennwerten von 4,2, 8,4, 21 und 42 Pfennig-Gold sowie 1,05 und 2,10 Mark-Gold (= 1/100, 1/50, 1/20, 1/10, ¼ und ½ Dollar).
Die Notgeldscheine wurden von acht Erfurter Banken angenommen, und zwar von der Bank für Thüringen vormals B. M. Strupp A-G Filiale Erfurt, der Commerz- und Privatbank A-G Filiale Erfurt, der Darmstädter und Nationalbank K.a.A. Filiale Erfurt, der Deutschen Bank Filiale Erfurt, der Dresdner Bank Filiale Erfurt und den Erfurter Bankhäusern Adolph Stürcke und H. Ullmann. Für den gesamten Betrag des von der Handelskammer Erfurt ausgegebenen Notgelds war der Gegenwert in Reichsschatzanweisungen (Reichsgoldanleihe) bei der Reichsbank in Erfurt hinterlegt worden.
Handelskammer Erfurt, Notgeldschein über 2,10 Mark-Gold = ½ Dollar, ausgegeben in Erfurt am 30. Oktober 1923.
Die Einlösung des Goldmark-Notgelds erfolgte für die Handelskammer Erfurt nach Aufruf des Reichsfinanzministers Anfang 1924 für das Gebiet der Provinz Sachsen im Zeitraum vom 10.5. bis 10.6.1924.
Hans-Georg Glasemann
Bildquelle: Sammlung Grabowski.
Literaturhinweis (Daten und Texte teilweise entnommen): Wilhelmy, Rudolf; Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962 und Brachmanski/ Pappler/ Staudt; Erfurter Papiergeld und geldähnliche Belege von 1813 bis 2001, Erfurt, 2020.
Literaturempfehlung:
Manfred Müller:
Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-519-0
Auflage: 1. Auflage 2011
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