Die Geldscheine der Handelskammer Oldenburg (1921)
Die Handelskammer Oldenburg ließ eine Serie von sechs 50-Pfennig-Scheinen – insgesamt eine Million Stück – bei der Oldenburger Firma Gerhard Stalling[1] drucken. Der Entwurf zu den 72 x 114 mm großen Scheinen stammt von dem damals 24-jährigen Ernst Rudolf Vogenauer (* 1897 in München; † 1972 in Berlin). Der Graphiker fand eine eigene Formsprache für diese Wertzeichen; so verwendete er dekorative Elemente des Expressionismus, beispielsweise stark gezackte Rahmen, die die vier Strophen der Landeshymne „Heil dir, o Oldenburg“ aufnehmen. Den Text der Hymne verfasste 1844 Theodor Christian Cai von Kobbe (* 8. Juni 1798 in Glückstadt; † 22. Februar 1845 in Oldenburg) zum „Lied ohne Worte“ der Großherzogin Cäcilie. Er war Jurist, Schriftsteller und – heute würde man sagen: Menschenrechtler. Er gründete einen Verein zur Verbesserung des Schicksals entlassener Strafgefangener.
Die Vorderseite ist bei allen Scheinen einheitlich gestaltet. Im ersten Rahmen oben mittig „HANDELSKAMMER“ und unten „OLDENBURG“; im zweiten Rahmen oben „FÜNFZIG“ und unten „PFENNIG“ sowie links und rechts mehrfach „50 PFG“. Im Mittelfeld das gekrönte Oldenburgische Wappen sowie links und rechts davon „50 Pfg“. Es folgt ein vierzeiliger Text: „Dieser Schein besitzt im ganzen Staate Oldenburg Gültigkeit und / wird von allen öffentlichen Kassen angenommen. Der Schein ver-/liert seine Gültigkeit, wenn er nicht einen Monat nach erfolgter / öffentlicher Aufforderung eingelöst wird./Die Handelskammer:“ Dann folgen zwei gedruckte Unterschriften, getrennt durch „Oldenburg i/O.“ und der Jahreszahl „1~9~2~1“. Im Unterdruck des Textfelds findet sich noch die sechsstellige Kontrollnummer mit vorgedruckter „No.“; schließlich am unteren Rand der Druckereivermerk „GERHARD STALLING/OLDENBURG“.
Abb. 1: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, gemeinsame Vorderseite.
Für die Motivauswahl der heimatverbundenen Darstellungen der Rückseiten war der Syndikus der Kammer, Heinrich Wilhelm Dursthoff (* 7. April 1868; † 7. Dezember 1932), verantwortlich.
Im Zentrum des ersten Scheins stehen Oldenburger Pferde, während auf dem zweiten Graf Anton Günther hoch zu Ross reitet. Der Graf bewahrte sein Land vor den Schrecken des 30-jährigen Kriegs. Auf dem ersten Schein ist der Anfang der ersten Strophe abgedruckt, während der zweite den restlichen Text enthält:
1.
Heil dir, o Oldenburg, Heil deinen Farben!
Gott schütz' Dein edles Ross, er segne deine Garben,
Heil deinem Fürsten, Heil, der treu dir zugewandt,
Der dich so gern beglückt, o Vaterland!
Abb. 2: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 1. Rückseite: Oldenburger Pferde.
Abb. 3: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 2. Rückseite: Graf Anton Günther.
Auf dem dritten Schein wird der Heidenopfertisch an der Bäverbrooksbäke bei Visbek abgebildet. Hierbei handelt es sich um ein Megalith-Grab aus der Jungsteinzeit. Ober- und unterhalb der Darstellung die zweite Strophe:
2.
Ehr' deine Blümelein, pfleg' ihre Triebe,
Blau und Roth blühen sie, die Freundschaft und die Liebe;
Wie deine Eichen stark, wie frei des Meeres Flut,
Sei deutscher Männer Kraft dein höchstes Gut.
Abb. 4: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 3. Rückseite: Heidenopfertisch an der Bäverbrooksbäke bei Visbek.
Die dritte Strophe wird wieder gemeinsam auf dem vierten und fünften Schein wiedergegeben. Der Segler illustriert die Oldenburgische Seefahrt, während der andere Gutschein den während des Kriegs gesprengten Westturm von Wangerooge abbildet.
3.
Mutig Dein Wimpel fleucht durch alle Meere,
Wohin Dein Krieger zeucht, zollt man ihm Ruhm und Ehre;
Schleudert den fremden Kiel der Sturm an Deinen Strand,
Birgt ihn der Lootsen Schar mit treuer Hand.
Abb. 5: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 4. Rückseite: Segler.
Abb. 6: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 5. Rückseite: Westturm von Wangerooge.
Der letzte Schein zeigt eine Szene am Herdfeuer in einem niedersächsischen Bauernhaus sowie die vierte Strophe:
4.
Wer Deinem Herde naht, fühlt augenblicklich,
Dass er hier heimisch ist, er preiset sich so glücklich;
Führt ihn sein Wanderstab auch alle Länder durch,
Du bleibst sein liebstes Land, mein Oldenburg!
Abb. 7: Handelskammer Oldenburg, 1921, 50 Pfennig, 6. Rückseite: Szene am Herdfeuer in einem niedersächsischen Bauernhaus.
Die Notgeldserie wurde im Juni 1921 von der Handelskammer in Umlauf gesetzt.
Nur wenig später beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Notgeldscheine mit der Begründung, dass die Kammer zur Herausgabe des Geldes nicht befugt gewesen sei. Schnell wurde jedoch klar, dass der eigentliche Grund die Zeile „Heil deinem Fürsten, Heil, der treu dir zugewandt“ auf der Rückseite des zweiten Scheins der Serie war. In einer zeitgenössischen Sammlerzeitung ist noch Folgendes zu lesen:
„Nachdem nun auch die Vorderseiten der sechs Scheine das Oldenburger Wappen mit der Krone aufweisen, so sah die Oldenburger Regierung Gründe genug, den Staatsanwalt einschreiten […] zu lassen.“
Die Landesregierung vermutete hinter der Ausgabe reaktionäre Kräfte; schließlich hatte der letzte regierende Großherzog Friedrich August (1900–1918), der im Ersten Weltkrieg zur Gruppe der radikalen „Annexionisten“ angehörte, erst am 11. November 1918 unter dem Druck der Massen das Land verlassen. Die republikanische Ordnung war zu dieser Zeit in Deutschland keineswegs gefestigt, wünschten doch große Teile der Bevölkerung die Restaurierung der Monarchie.
Die Beschlagnahme hatte zur Folge, dass die „Nachfrage nach diesem hochpolitischen Notgeld“ stieg und bis zu 100 Mark für die Scheine im Nennwert von 3 Mark gezahlt wurden. „Die gerichtlichen Verhandlungen gegen die Vertreter der Handelskammer führten zwar .. zu einer Freigabe des Geldes, doch wurden dieselben trotzdem durch Verfügung des Staatsministeriums als Zahlungsmittel für ungültig erklärt,“ so die Sammlerzeitung.
Uwe Bronnert
[1] Die Druckerei druckte die 20-Milliarden-Mark-Reichsbanknote vom 1. Oktober 1923, bei der die Wert- und Strafsatzzeile am Rand vertauscht sind (Kat.-Nr. DEU-138) sowie 2-Billionen-Reichsbanknoten vom 5. November 1923 (Kat.-Nr. DEU-163 e). S. hierzu Hans-Ludwig Grabowski, Die deutschen Banknoten ab 1871, Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine, 21. vollständig neu erstellte Auflage, Regenstauf 2018.
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