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AutorenbildHans-Georg Glasemann

Holzwert-Gutscheine 1923

In der Gruppe der wertbeständigen Sachwertscheine waren die über Holz lautenden Gutscheine nach den Roggengutscheinen die häufigsten. Die Basis einer Sachwertsicherung beim wertbeständigen Notgeld sollte ein Sachwert mit möglichst breitem Markt sein. Dies war bei Holzwert-Gutscheinen sicherlich nicht der Fall, es waren eher ungewöhnliche und exotische Gutscheine. Die in der Hyperinflationszeit des Jahres 1923 ausgegeben Holzwert-Gutscheine lauteten auf den Geldwert (in Goldmark) bestimmter Mengen Holz.

Die Bemessung der Mengen von Holz erfolgte in der Regel auf Festmeter (fm), seltener auf Raummeter (rm) bzw. ein Mehrfaches davon. In der forstwirtschaftlichen Praxis war seinerzeit der Festmeter als Raummaß allgemein üblich. Der Geldwert ergab sich durch die Verknüpfung von Holzmenge bestimmter Qualität mit Goldmark. Die Emittenten der Holzwert-Gutscheine waren ausschließlich Städte und Gemeinden aus waldreichen Gegenden.


Stadt Glogau (Schlesien), Interims-Anteilschein über 1/8 Festmeter 5% Glogauer Holzwert-Anleihe im Werte von 5 Goldmark, ausgegeben in Glogau am 1. November 1923.



Die schlesische Stadt Glogau gab am 1. November 1923 für 20.000 Festmeter (fm) Rundholz Klasse 1-4 in sechs Wertstufen „Interims-Anteilscheine über 1/4000 Festmeter 5 % Glogauer Holzwert-Anleihe im Wert von 1 Goldpfennig“ bis „Interims-Anteilscheine über 1/8 Festmeter

5 % Glogauer Holzwert-Anleihe im Werte von 5 Goldmark“ aus. Die kleingestückelten Anteilscheine standen im praktischen Gebrauch an der Grenze, gewissermaßen in einer Scharnierfunktion zwischen Wertanleihe und wertbeständigem Notgeld. Die Anteilscheine waren im Buchdruck hergestellte, nicht durchnummerierte Inhaberscheine und dienten als wertbeständiges Notgeld insbesondere bei den täglichen Einkäufen ohne die Notwendigkeit, sie mit Unmengen von täglich wertloserer Papiermark zu zahlen. Eine gesetzliche Annahmepflicht für diese Geldsurrogate bestand nicht. Die Interims-Anteilscheine waren darauf angelegt, ab November 1923 zunächst als Notgeld zu zirkulieren. Die Tilgung der Scheine sollte von der Stadtbank Glogau einerseits durch Umtausch ab dem 1. April 1924 in Schuldverschreibungen der 5% Glogauer Holzwertanleihe von 1923 nach Maßgabe der Stückelung erfolgen. Die damit eingetauschten Schuldverschreibungen waren dann aber kein Geld mehr, sondern Vermögenswert. Andererseits war die Stadtgemeinde berechtigt, den Eintausch schon vorher zum angegebenen Goldwertbetrag in Rentenmark oder in Goldanleihe des Deutschen Reichs vorzunehmen.


Die Stadt Lemgo (Lippe-Detmold) emittierte am 6. November 1923 Gutscheine zum Erwerb von Brenn- und Nutzholz aus den Waldungen der Stadt über 1, 2 und 5 Goldmark.

Die Lemgoer Scheine waren nach ihrer Ausstattung kein Holzsachwert, sondern auf Goldmark lautendes Notgeld, das in seinem Verwendungszweck ausschließlich auf den Ankauf von Holz beschränkt sein sollte.


Die über unterschiedliche Mengen von Holz lautenden Scheine der württembergischen Gemeinde Horgen ob Rottweil, der hessischen Stadt Wimpfen, der bayerischen Stadt Wörth am Main und der Stadt Bad Wildungen (Waldeck) wurden vom 21. Oktober bis zum 20. November 1923 in den Verkehr gebracht.


Dem Wimpfener Holznotgeld lag ein Ausgabe- und Einlösungsverfahren zugrunde, das dem für die Kartoffel-Roggen-Gutscheine des Landes Waldeck ähnelte. Zur Versorgung der Stadtbevölkerung mit Weizen, Roggen und Kartoffeln wurde die Landbevölkerung durch öffentlichen Aufruf vom 10. November 1923 aufgefordert, diese Nahrungsmittel frei „Steinhaus“ oder Bahnhof Wimpfen anzuliefern und dafür je gelieferte 1,10 Zentner Weizen oder 1,40 Zentner Roggen oder 5 Zentner Kartoffeln einen Gutschein über 1 Raummeter Brennholz, Scheiter mittlerer Güte, im Werte von 10,50 Goldmark entgegenzunehmen.

Der Aktion war kein großer Erfolg beschieden, da es der Landbevölkerung zu der Zeit anscheinend möglich war, Holz auch ohne Abgabe ihrer höherwertigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu erwerben. Damit hatte das Wimpfener Holznotgeld keine besondere Bedeutung als Zahlungsmittel gehabt.


Stadt Wörth am Main, Gutschein über einen Ster Kiefernprügelholz II. Klasse gleich sechs Goldmark, ausgegeben in Wörth am Main am 15. Dezember 1923.



Die Gutscheine der Stadt Wörth am Main über „einen Ster Kiefernprügelholz II. Klasse gleich sechs Goldmark“ sollten ausschließlich zur Bezahlung von Bauhandwerkern verwendet werden, denen die Stadtverwaltung die Errichtung einiger Häuser in Auftrag gegeben hatte. Die Bauhandwerker brachten sie jedoch in den „allgemeinen Zahlungsverkehr, indem sie sie bei Einkäufen weitergaben und nur ausnahmsweise gegen Holz umtauschten.“


Von größerer örtlicher Bedeutung waren die am 5. November 1923 ausgegebenen Holzgutscheine von Bad Wildungen über 1/20, 1/10, ¼, ½ und 1 Festmeter Buchennutzholz mittlerer Güte. Festgelegt war: Die Gemeinde konnte bei der Rückzahlung bestimmen, dass die Einlösung statt in Holz in Geld beliebiger Währung erfolgen konnte. Der Festmeter Buchennutzholz mittlerer Güte sollte dann mit 20 Goldmark nach dem letzten amtlichen Kurs des der Zahlung vorausgehenden Tages berechnet werden. Die Gutscheine waren für den örtlichen Zahlungsverkehr durchaus von größerer Bedeutung und blieben neben dem Goldmarknotgeld des Landes Waldeck noch bis Ende März 1924 im Umlauf.


Bad Wildungen, Holzgutschein über ½ Festmeter Buchennutzholz mittlerer Güte, ausgegeben in Bad Wildungen am 5. November 1923.



Die auf den Holzwert-Gutscheinen seinerzeit angegebenen Goldmarkpreise je Festmeter Holz lassen sinnvolle Wertvergleiche nicht zu, da ihnen unterschiedliche Zeitwerte zu Grunde lagen, ferner die Holzarten und Qualitäten sehr unterschiedlich waren. Die Preise reichen von 6 Goldmark für Kiefernprügelholz II. Klasse bei Wörth, über 10,50 Goldmark für Brennholz Scheiter mittlerer Güte bei Wimpfen, 20 Goldmark für Buchennutzholz mittlerer Güte bei Bad Wildungen, 30 Goldmark für Nadelstammholz I. Klasse bei Horgen bis zu 40 Goldmark für Holz unbekannter Art und Güte bei Glogau.


Hans-Georg Glasemann


Bildquelle: Privat (7/2023) Literaturhinweis (Daten und Texte teilweise entnommen): Wilhelmy, Rudolf; Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962.


Literaturempfehlung:


Manfred Müller:

Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-519-0

Auflage: 1. Auflage 2011

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