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AutorenbildUwe Bronnert

Hyperinflationen der 1920er Jahre als Folge des Ersten Weltkriegs, Teil 1

Aktualisiert: 15. Sept. 2022

„Die Inflation in der Eurozone steigt deutlicher, als die Europäische Zentralbank (EZB) als Ziel vorgegeben hatte,“[1] titelte die WirtschaftsWoche Mitte 2021. Zwar betrug der Anstieg der Verbraucherpreise nur 2,0 % gegenüber dem Vorjahresmonat, aber dennoch „breitet sich die Angst vor Inflation wieder aus. Mittlerweile glaubt fast ein Viertel der Befragten, in den kommenden zwölf Monaten könnten die Preise‚ erheblich‘ steigen.“[2] Die Preise sind gestiegen!


Was ist unter Inflation zu verstehen? Inflation (lat. Inflare = aufblähen) ist eine starke Veränderung des Nachfrage- bzw. Angebotsverhältnisses durch eine erhebliche Aufblähung des nachfragewirksamen Geldes, hervorgerufen durch eine Vermehrung der umlaufenden Geldmenge und/oder eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes bzw. der Senkung des Gütervolumens.


Das Phänomen der Inflation ist weltweit und zu allen Zeiten zu beobachten.[3] In den vergangenen einhundert Jahren häuften sich jedoch die Hyperinflationen, d. h. Inflationen mit einer monatlichen Preissteigerung von mehr als 50 Prozent, dies entspricht einer jährlichen Inflationsrate von umgerechnet rund 13.000 Prozent. Solche Zahlen sagen wenig darüber aus, wie Personen die Hyperinflation erleben. Hans Fallada bringt die Hilflosigkeit der betroffenen Menschen in seinem 1937 erschienen Roman „Wolf unter Wölfen“ auf den Punkt: „Irgendwo in dieser Stadt stand eine Maschine und erbrach Tag und Nacht Papier über der Stadt. ‚Geld‘ nannten sie es. Sie druckten Zahlen darauf, wunderbare, glatte Zahlen mit vielen Nullen, die immer runder wurden. Und wenn du gearbeitet hast, wenn du dir etwas erspart hast auf deine alten Tage – es ist alles wertlos geworden; Papier, Papier und Dreck.“ Und Willi Schickling schrieb in einem Aufsatz zur deutschen Inflation: „Auf dem Höhepunkt des tollen Treibens werden die Preise jeden Tag, mitunter sogar von Stunde zu Stunde neu festgesetzt. Täglich werden schließlich auch die Löhne und Gehälter ausgezahlt. Die Unsummen an Reichsmark (sic) und Notgeld, die von den Notenpressen in rasender Hast ausgespuckt werden, müssen mit der gleichen Hast irgendwelchen Käufen dienen, wenn ihr Empfänger überhaupt noch etwas von ihrem Geld haben wollen, statt es wie Teufelsspuk zwischen den Händen zerrinnen zu lassen.“[4]


Nach einer Studie der US-Forscher, Steve H. Hanke und Nicholas Krus, von der Johns Hopkins Universität in Baltimore haben die gefürchteten Hyperinflationen die Weltwirtschaft bis Ende 2008 56-mal heimgesucht.[5] Und in den letzten Jahren sind weitere hinzugekommen.


Im Gefolge der Französischen Revolution begegnet uns die erste dokumentierte Hyperinflation der Wirtschaftsgeschichte. Das System der Papiergeldausgaben geriet sehr schnell aus den Fugen. Die Nationalversammlung verzichtete nicht nur darauf, die zurückfließenden Assignaten zu vernichten, sondern ließ noch mehr Scheine drucken.

Die Regierung verpflichtete die Händler zum Verkauf ihrer Waren gegen Papiergeld und untersagte den Umtausch gegen Edelmetall. Die Probleme wurden noch dadurch verschlimmert, dass das Land von englischen Fälschungen überschwemmt wurde.

Allein zwischen 1790 und 1793 verloren die Assignate 60 Prozent ihres Wertes. Im Mai 1795 stieg die monatliche Teuerungsrate auf 304 Prozent. Innerhalb von fünf Jahren schwoll die Umlaufmenge der Assignaten von 912 Millionen Livres am 1. Juni 1791 auf 27,6 Milliarden Livres am 1. Januar 1796 an. Im Februar 1796 ließ schließlich das Direktorium die völlig wertlosen Geldscheine – ihr Kurs betrug gegenüber dem Metall nur noch 1/3 Prozent – in Paris auf dem Place Vendome propagandistisch verbrennen und die Druckplatten zerschlagen.


Bild 1: République Française, 7 vendémiaire an II (28. September 1793), 250 Lavers, Vorderseite. Gesamtausgabe: 4.992.000 Noten.


Historische und aktuelle Beispiele gibt es reichlich, die belegen, dass „es .. zwei Gründe für heftige Ausbrüche von Inflation [gibt]: Entweder die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger schätzen die Situation völlig falsch ein und werden selbst von heftigen Preissteigerungen überrascht. Oder ein Staatswesen ist derart schwach, dass sich Regierungen nicht anders zu helfen wissen, als die Inflation laufen zu lassen und öffentliche Ausgaben über die Notenpresse zu finanzieren. Manchmal kommt beides zusammen.“[6]

Dies ist besonders in Kriegs- und Nachkriegszeiten zu beobachten.


Das Deutsche Reich machte während und nach den beiden Weltkriegen Erfahrungen mit der Inflation. Statt durch Steuererhöhungen die enormen Kriegskosten zu decken, wurde die Notenpresse angeworfen. Verschlimmert wurde die Lage nach Ende des Ersten Weltkriegs dadurch, dass die Siegermächte enorme Reparationszahlungen forderten. 1914 belief sich das Volumen aller Zahlungsmittel des Deutschen Reiches auf rund 6 Milliarden Mark und setzte sich aus Reichsbanknoten, Reichskassenscheinen, Privatbanknoten, Gold- und Scheidemünzen zusammen. Am 15. November 1923 waren neben 93 Trillionen Mark an Reichsbanknoten noch mehr als das Sechs- bis Siebenfache an anderen Zahlungsmitteln (kleine Stücke der Reichsgoldanleihe, wertbeständiges und nicht wertbeständiges Notgeld) im Verkehr. Bis Mitte Oktober 1922 lautete die höchste Reichsbanknote auf 1000 Mark.

Mit Datum vom 26. Oktober 1923 kam dann im November die erste 100-Billionen-Mark-Note in Umlauf. Im Oktober verdoppelten sich alle 3,7 Tage die Preise. Die monatliche Inflationsrate betrug 29.500 Prozent. Dies war der höchste Wert, der erreicht wurde.

Zwar emittierte die Reichsbank Mitte April 1924 noch eine weitere Note zu 100 Billionen Mark (Ausgabedatum 15. März 1924), aber zu diesem Zeitpunkt war die Hochinflation bereits beendet.


Abb. 2: Reichsbank, 25. Juli 1923, 20 Millionen Mark, Vorderseite, Rückseite unbedruckt.


Abb. 3.1: Reichsbank, (15. Dezember 1922), 1000 Mark aufgewertet zu 1 Milliarde Mark, Vorderseite.

Abb. 3.2: Reichsbank, (15. Dezember 1922), 1000 Mark aufgewertet zu 1 Milliarde Mark, Rückseite.


Abb. 4: Reichsbank, 26. Oktober 1923, 100 Billionen Mark, Fälschung, Vorderseite, Rückseite unbedruckt.

Durch Verordnung vom 15. Oktober 1923 wurde die Deutsche Rentenbank gegründet, die ab 23. November 1923 Rentenbankscheine ausgab. Der Wert der Rentenmark wurde am 20. November 1923 auf 1 Billion Mark festgesetzt. Da die Rentenbank eine strikte Politik des knappen Geldes betrieb und die Reichsbank die Notenpresse stilllegte, gelang das Währungsexperiment. Die Inflationsbanknoten blieben zwar noch bis zum 5. Juni 1925 gesetzliche Zahlungsmittel, da die neuen, auf Reichsmark lautenden Banknoten, erst ab Anfang November 1924 ausgegeben wurden. Ihr Umtauschkurs: 1 Billion Mark = 1 Rentenmark = 1 Reichsmark.

Abb. 5.1: Deutsche Rentenbank, 1. November 1923, 1 Rentenmark, Vorderseite.

Abb. 5.2: Deutsche Rentenbank, 1. November 1923, 1 Rentenmark, Rückseite.



Abb. 6.1: Reichsbank, 11. Oktober 1924, 10 Reichsmark, Vorderseite.

Abb. 6.2: Reichsbank, 11. Oktober 1924, 10 Reichsmark, Rückseite.


Die ehemalige k.u.k.-Monarchie brach 1918 auseinander und ein langes Tauziehen um die Oesterreichisch-ungarische Bank setzte ein. Während es den Nachfolgestaaten gelang, eigene, stabile Währungen zu schaffen, gerieten Österreich und Ungarn immer stärker in einen Inflationssog. Bei Kriegsende war der höchste Wert der Banknoten 10.000 Kronen.

Um die Staatsausgaben finanzieren zu können, beschäftigte auch die österreichische Regierung die Notenpresse. 1922 gab die Oesterreichisch-Ungarische Bank, Geschäftsführung Österreich, zunächst noch neue Noten zu 1 bis 1000 Kronen aus.

Aber schon bald folgten solche zu 5000, 50.000 und 100.000 Kronen. Im September wurde sogar eine 500.000-Kronen-Note in den Zahlungsverkehr gegeben. Die Krone hatte jetzt nur noch den Wert eines Zwanzig Tausendstel ihres Friedensgoldwertes. Die höchste monatliche Inflationsrate wurde im August 1922 mit 129 % gemessen.


Abb. 7.1: Oesterreichisch-ungarische Bank, österreichische Geschäftsführung, 2. Januar 1922, 100.000 Kronen, Vorderseite.


Abb. 7.2: Oesterreichisch-ungarische Bank, österreichische Geschäftsführung, 2. Januar 1922, 100.000 Kronen, Rückseite.


Um den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern, wurde die Oesterreichische Nationalbank gegründet, die in den ersten Januartagen des Jahres 1923 ihre Arbeit aufnahm. Ihr gelang in wenigen Monaten die Stabilisierung der Krone. Durch „Bundesgesetz vom 20. Dezember 1924 über die Einführung der Schillingrechnung, die Ausprägung von Goldmünzen und über andere das Währungswesen betreffende Bestimmungen“ (Schillingrechnungsgesetz) wurde in Österreich mit dem 1. Januar 1925 der Schilling auf der Basis von 10.000 Kronen als neue Währung eingeführt.


Abb. 8.1: Oesterreichische Nationalbank, 2. Jänner 1924, 1 Schilling (10.000 Kronen), Vorderseite.

Abb. 8.2: Oesterreichische Nationalbank, 2. Jänner 1924, 1 Schilling (10.000 Kronen), Rückseite.


Bei Kriegsende war auch Ungarn von einer planmäßigen Finanz- und Währungspolitik weit entfernt. Die 1919 gebildete Räterepublik beschlagnahmte nicht nur die Kassenbestände in den Filialen der Oesterreichisch-ungarischen Bank, sondern ließ in Budapest „eigene“

25- und 200-Kronen-Noten drucken sowie Noten zu 1 und 2 Kronen auf fotochemischem Wege herstellen. Zusätzlich beauftragte die Räteregierung die Postsparkasse mit der Ausgabe von Papiergeld (20 und 50 Filler, 5, 10 und 20 Kronen). Neben diesen drei verschiedenen Geldsorten zirkulierten kommunale und private Notgeldscheine.


Die bürgerliche Regierung, die der Räterepublik folgte, bemühte sich das Geldwesen wieder zu ordnen. Um das Einströmen der in den anderen Staaten der ehemaligen k.u.k.-Monarchie bereits ungültigen Banknoten der Oesterreichisch-ungarischen Bank zu verhindern, ordnete der Finanzminister am 17. März 1920 ihre Abstempelung an. 50 Prozent des Wertes wurden dabei als Zwangsanleihe eingezogen. Ausgenommen von dieser Maßnahme waren nur die Scheine zu 1, 2, 25 und 200 Kronen. Am 1. August 1921 erfolgte dann die Lösung von der Oesterreichisch-ungarischen Bank und die Gründung eines staatlichen Noteninstitutes, das Staatsnoten zwischen 1 und 10.000 Korona ausgab.


Abb. 9.1: Ungarn, Staatsnote, 1. Januar 1920, 1000 Korona, Vorderseite.

Abb. 9.2: Ungarn, Staatsnote, 1. Januar 1920, 1000 Korona, Rückseite.


Um die Ausgaben decken zu können, nahm ab Herbst 1921 der Staat die Notenpresse immer öfter in Anspruch, sodass sich der Koronakurs ständig verschlechterte und die Preise stiegen. Folglich stiegen auch die Zahlen auf den Noten: 25.000, 50.000, 100.000, 500.000 und Ende 1923 auf 1.000.000 Korona. Zwischen März 1923 und Februar 1924 kam es zu einer Hyperinflation; die höchste monatliche Inflationsrate lag im Juli 1923 bei 97,9 Prozent. Mitte 1924 hatte die ungarische Krone nur noch ein Zwanzig Tausendstel ihres Vorkriegswertes.


Ende Juni 1924 nahm die am 25. April gegründete Magyar Nemzeti Bank (Ungarische Nationalbank) ihre Tätigkeit auf. Ihr gelang es, den Wechselkurs zu stabilisieren, sodass durch Gesetz vom 18. November 1925 eine neue Pengö-Währung eingeführt wurde: 1 Pengö = 12.500 Korona. Bis zur Fertigstellung neuer Geldscheine galten die vorhandenen Noten mit einem Aufdruck des neuen Wertes als 8, 40, 80 Filler, 2, 4, 8, 40 und 80 Pengö weiter.

Auch nach Ausgabe neuer Noten blieben sie bis 1931 im Umlauf.


Abb.10.1: Ungarn, o. D., 8 Filler, Vorderseite.

Abb.10.2: Ungarn, o. D., 8 Filler, Rückseite.


In der 1920 infolge des Versailler Vertrags entstandenen Freien Stadt Danzig blieb die deutsche Mark weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel. Der Verfall der deutschen Währung machte eine Lösung der Währungsfrage immer dringender, zumal Polen die Einführung der ebenfalls inflationären polnischen Mark forderte. Dem Finanzsenator Dr. Volkmann gelang es, die Bank of England für den Plan einer eigenen Währung zu gewinnen, dem auch der Völkerbund in Genf zustimmte. Das „Gesetz vom 20. Oktober 1923 über eine wertbeständige Rechnungseinheit“ legte die Grundlage für den Danziger Gulden. Dessen Wert wurde an das englische Pfund gebunden: 1 £ = 25 Danziger Gulden. Bereits am 24. Oktober 1923 gab es einen ersten Zwischengulden, der von der Danziger Zentralkasse AG ausgegeben wurde.

Am 20. November erhielt dann die Bank von Danzig – die Gründung erfolgte erst am

5. Februar 1924 – durch Gesetz das alleinige Notenprivileg. Die deutschen Marknoten konnten in der Freien Stadt Danzig noch bis zum 31. Dezember 1923 verwendet werden.


Abb. 11: Stadtgemeinde Danzig, 22. September 1923, 100 Millionen Mark (Deutsche Reichswährung), Vorderseite, Rückseite unbedruckt.


Abb. 12: Danziger Zentralkasse Aktiengesellschaft, 22. Oktober 1923, 1 Danziger Gulden, Vorderseite, Rückseite unbedruckt.


Abb. 13.1: Bank von Danzig, 10. Februar 1924, 10 Gulden, Vorderseite.

Abb. 13.2: Bank von Danzig, 10. Februar 1924, 10 Gulden, Rückseite.


Uwe Bronnert


Fortsetzung folgt …


[3] Vgl. Richard Gaettens, Geschichte der Inflationen, Vom Altertum bis zur Gegenwart, Nachdruck der 2. Auflage von 1957, München 1982.

[4] Willi Schickling, Die größte Inflation aller Zeiten, in: Das Parlament, Nr. 38 vom 24. September 1983, S. 17.

[5] S. Steve H. Hanke und Nicholas Krus, World Hyperinflations, Institute for Applied Economics, Global Health, and the Study of Business Enterprise. The Johns Hopkins University, Baltimor, MD 21218, CATO Working Paper, August 15, 2012. <https://www.cato.org/sites/cato.org/files/pubs/pdf/workingpaper-8.pdf> (27.06.2021)

[6] Fn 2.

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