Das polnische Kernland – Kongress-Polen – war nach dem Willen der Gesandten des Wiener Kongresses 1815 dem russischen Zaren unterstellt worden. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs besetzten die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn das Land. Im Zweikaisermanifest proklamierten sie im November 1916 das „selbstständige“ Königreich Polen. Der Regentschaftsrat in Warschau nutzte die Gunst der Stunde und rief am 7. Oktober 1918 einen unabhängigen polnischen Staat aus. Der Zerfall der Vielvölkermonarchien in Zentral-, Süd- und Osteuropa hinterließ ein machtpolitisches Vakuum. Elf Nationalstaaten, darunter auch Polen, entstanden neu bzw. wieder, deren Grenzen häufig unklar waren, sodass es zu zahlreichen militärischen Zwischenfällen kam. Polen befand sich mit fast jedem seiner Nachbarländer in militärischen Auseinandersetzungen um Territorien und ethnische Minderheiten:
Posener Aufstand (1918–1919)
Polnisch-Ukrainischer Krieg, von 1918 bis 1919
Drei Aufstände in Oberschlesien, zwischen 1919 und 1921
Polnisch-Tschechoslowakischer Grenzkrieg, vom 23. Januar bis 5. Februar 1919, um das Olsagebiet und Teschen
Polnisch-Litauischer Krieg, vom 1. September 1920 bis 7. Oktober 1920 um Wilna (heute litauisch Vilnius)
Polnisch-Sowjetischer Krieg, von 1919 bis 1921
Im neu gegründeten Polen herrschte ein wahres Währungschaos. Im ehemaligen Generalgouvernement Warschau galten die von der „Polska Krajowa Kasa Pozyczkowa“ (Polnische Landesdarlehnskasse) ausgegebenen Darlehnskassenscheine. Sie lauteten auf polnische Marka und waren mit der deutschen Mark wertgleich. Die Bank war von der deutschen Besatzungsmacht gegründet worden. In den bisherigen preußischen Landesteilen war weiterhin die deutsche Mark in Umlauf. Da in den österreichisch-ungarisch besetzten Gebieten die Krone als gesetzliche Währung galt, aber auch noch russische Noten (Denkin- und Zarennoten, sowie ukrainische Karbowanez) zirkulierten, waren sechs Währungen im Umlauf. Hinzu kam diverses Notgeld.
Józef Klemens Piłsudski, dem der Regentschaftsrat am 11. November 1918 den Oberbefehl über die polnischen Truppen und kurz danach die Führung des polnischen Staates übertragen hatte, ordnete am 5. Februar 1919 an, dass die neue polnische Währung den Namen Lech tragen sollte, unterteilt in 100 Groszys (Groschen). Der Sejm (Parlament) sprach sich jedoch am 25. Februar 1919 dagegen aus und bestimmte den Zloty zur neuen polnischen Währung. Entsprechende Druckaufträge wurden erteilt. Bis auf Weiters gab die Landesdarlehnskasse weiterhin auf Mark lautende Darlehnsnoten aus. Mit einsetzender Inflation nahmen ihre Nennwerte und Menge zu. Im August 1919 mussten Geldscheine im Ausland, bei der Staatsdruckerei in Wien in Auftrag gegeben werden, die zwei Ausgaben mit den Jahreszahlen 1919 und 1920 und den Nennwerten von 1/2 bis 5000 polnischen Mark lieferte. Die Noten sind im typischen Wiener Jugendstil-Design gehalten.
Abb. 14.1: Polska Krajowa Kasa Pozyczkowa, 23. September 1919, 1000 Marek Polskich, Vorderseite.
Abb. 14.2: Polska Krajowa Kasa Pozyczkowa, 23. September 1919, 1000 Marek Polskich, Rückseite.
Die Kosten der Kriege und der Kursverfall der deutschen Mark begünstigten die Haushaltdefizite, die durch zusätzliche Geldemissionen finanziert wurden. Betrug der Banknotenumlauf Ende 1918 neun Milliarden polnische Mark, so stieg er auf 125.372 Milliarden polnische Mark Ende 1923. Zwischen der Übernahme der Regierungstätigkeit durch Wincenty Witos im Mai 1923 und dem 1. August 1923 fiel der Kurs der polnischen Mark gegenüber dem US-Dollar von 1:52.000 auf 1:230.000. Anfang 1924 erreichte er seinen Höhepunkt – ein Dollar kostete 10.250.000 polnische Mark. Banknoten zu zehn Millionen Mark wurden ausgegeben, solche zu 50 Millionen waren geplant. Die Landesdarlehnskasse nutzte neben ihren Noten auch Zahlungsanweisungen über 50 und 100 Millionen Mark bei Zahlungen. Sie liefen wie Banknoten um. Neun Monate lag die Inflationsrate über 50 Prozent und Im Oktober 1923 erreichte sie den Höchststand von 275 Prozent. Die Mark hatte als Geld ausgedient.
Abb. 15.1: Polska Krajowa Kasa Pozyczkowa, 10. xxx 1922, 50.000 Marek Polskich, Vorderseite.
Abb. 15.2: Polska Krajowa Kasa Pozyczkowa, 10. xxx 1922, 50.000 Marek Polskich, Rückseite.
Parlament und Senat statteten Ministerpräsident Wladyslaw Grabski, der gleichzeitig Finanzminister war, mit umfangreichen Vollmachten aus. Nachdem er den Haushalt konsolidiert hatte, leitete er mit dem Gesetz vom 11. Januar 1923 die Währungsreform ein.
Die Landesdarlehnskasse wurde am 28. April 1924 aufgelöst und an ihre Stelle trat die Bank Polski, die goldgedeckte, auf Zloty lautende Banknoten ausgab. Ein Zloty entsprach dem Wert eines Schweizer Franken. 1.800.000 polnische Mark wurden in einen Zloty umgewechselt.
Die Zloty-Banknoten im Wert von einem bis 50 Zloty wurden bereits 1919 in Frankreich und die Banknoten der höheren Stückelungen (100-, 500-, 1000- und 5000-Zloty-Scheine) 1920
in England gedruckt. Die neuen Scheine tragen als Ausgabedatum den 28. Februar 1919.
Auf die Ausgabe der Banknoten zu 1.000 Zloty und 5.000 Zloty wurde verzichtet, weil ihr Nennwert als zu hoch für die Bedürfnisse der Bevölkerung angesehen wurde. 1920, in der Zeit des polnisch-russischen Krieges, kam es in England zu einem Zwischenfall. Hafenarbeiter warfen bei der Verladung Kisten mit den neuen, polnischen Banknoten ins Wasser, weil sie meinten, dass diese Waffen und Munition zum Kampf gegen die sowjetische Armee enthielten.
Abb. 16.1: Bank Polski, 28. Februar 1919, 500 Zloty, Vorderseite.
Abb. 16.2: Bank Polski, 28. Februar 1919, 500 Zloty, Rückseite.
Abb. 17.1: Staatsnote, 28. April 1924, 1 Grosz, gedruckt auf 500.000 Marek Polskich, Vorderseite.
Abb. 17.2: Staatsnote, 28. April 1924, 1 Grosz, gedruckt auf 500.000 Marek Polskich, Rückseite.
Nach dreijähriger Kriegsteilnahme brodelte es in Russland. Die Unzufriedenheit und Kriegsmüdigkeit weiter Bevölkerungskreise machte sich in der sog. Februarrevolution im März 1917 Luft und bescherte dem Land vorübergehend eine konstitutionelle Demokratie. Aber die neue Regierung unter Alexander Kerensky beendete nicht den Krieg, sondern intensivierte ihn sogar noch, sodass es am 7. November zu einer zweiten Revolution (Oktoberrevolution) kam. Die Bolschewistische Partei um den revolutionären Sozialisten Wladimir Uljanow (Lenin) übernahm die Macht. Zwar beendete die neue Regierung den Krieg mit den Mittelmächten, jedoch erschütterte das Land ein mehrere Jahre dauernder Bürgerkrieg. Jeder schien gegen jeden zu kämpfen: die bolschewistische Rote Armee gegen zaristische Weiße Armeen und ausländische Interventionstruppen; Balten, Ukrainer, Kaukasier usw. um ihre Unabhängigkeit. Weite Teile Russlands wurden von Kriegsherren kontrolliert.
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Sommer 1918 verschlechterte sich die ohnehin düstere wirtschaftliche Lage in Sowjetrussland weiter. Nach dem Zusammenbruch des Steuersystems und dem Wegfall jeglicher Staatseinnahmen bei gleichzeitiger Aufblähung der staatlichen Verwaltung mussten die Bolschewiki enorme Ausgaben bewältigen. Die russische Zentralbank begann, Geldscheine nach Bedarf zu drucken, sodass ab Mai 1919 eine Hyperinflation einsetzte. Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass die Bolschewiki bereits ab Oktober 1917 zahlreiche Dekrete mit dem Ziel erlassen hatten, die gesamte Wirtschaft unter eine zentrale Verwaltung zu bringen. Dazu wurden Industriebetriebe verstaatlicht, der private Handel verboten und durch ein staatliches Verteilungssystem ersetzt. Auch sollte das Geld als Tauschmittel abgeschafft werden.
Die Verstaatlichung der Betriebe und Misswirtschaft führten dazu, dass viele Fabriken ihre Produktion aus Mangel an Rohstoffen einstellen mussten. Gleichzeitig wurde die Produktion militärischer Güter mit aller Kraft vorangetrieben, sodass die Herstellung von Konsumgütern fast zum Erliegen kam. Nach Schätzungen sank bis 1920 die Gesamtproduktion der russischen Industrie von 6,059 Milliarden Goldrubel auf 836 Millionen – ein Rückgang von mehr als 85 Prozent. Trotz staatlich verordneter Preiskontrolle stiegen die Preise. Die Bauern weigerten sich, ihre überschüssigen Erträge für Geld abzugeben, da man dafür nichts mehr kaufen konnte. Angesichts der Hungersnot in den Städten wurden landwirtschaftliche Produkte beschlagnahmt, was zu einer Verweigerungshaltung der Bauern führte und zu einem Schrumpfen der Anbaufläche.
Gegen den Widerstand der eigenen Partei setzten Lenin und Trotzki 1921 eine neue Wirtschaftspolitik durch. Die Neue Ökonomische Politik (Abk. NEP; russisch НЭП - Новая экономическая политика, NEP – Nowaja ekonomitscheskaja politika) sah eine Dezentralisierung und Liberalisierung in der Landwirtschaft und marktwirtschaftliche Elemente in Handel und Industrie vor. Eine der wichtigsten Aufgabe sah die NEP in der Stabilisierung der Währung. Betrug der Geldumlauf Anfang 1920 rund 225 Milliarden Rubel, so stieg er auf 1,17 Billionen Ende 1920. Dies entspricht einer 25-fachen Steigerung des Papiergeldumlaufs von 1917. In Folge der galoppierenden Inflation stieg der Geldumlauf rasch weiter. Die höchste monatliche Inflationsrate mit 212 % wurde im Februar 1924 erreicht. Lautete 1912 der höchste Wert einer Banknote 1000 Rubel, waren es 1921 bereits 10.000.000 Rubel und in Transkaukasien 1924 sogar 10 Milliarden Rubel.
Nach der Revolution war der „Volksbank“ die Notenausgabe übertragen worden. 1920 wurde sie aufgelöst und ihre Aufgaben übernahm das Finanzkommissariat. Doch bereits 1921 erfolgte eine erneute Umorganisation, die in der Gründung einer Staatsbank endete.
Sie erhielt aber erst ein Jahr später das Recht zur Notenausgabe.
Abb. 18.1: 10.000 Rubel, 1919 (1920), Vorderseite.
bb. 18.2: 10.000 Rubel, 1919 (1920), Rückseite.
Sog. „Babylonier“ wegen des in sechs Sprachen aufgedruckten Propagandatextes „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“.
Abb. 19.1: 25.000 Rubel, 1921, Vorderseite.
Abb. 19.2: 25.000 Rubel, 1921, Rückseite.
Abb. 20.1: 100.000 Rubel, 1921, Vorderseite.
Abb. 20.2: 100.000 Rubel, 1921, Rückseite.
Am 1. Januar 1922 versuchte die Sowjetregierung die Währung durch eine systematische „Abwertung“ des Rubel – im Umlauf waren immer noch die zaristischen und Kerenski-Rubel sowie die Sovznaki [1]– zu beseitigen. Ein „neuer“ Rubel ersetzte 10.000 „alte“ Rubel. Jedoch war diese Maßnahme von keinem langen Erfolg gekrönt. Um die Inflation einzudämmen, entschied sich die bolschewistische Regierung zum sog. „Bipaperismus“. Im Juli 1922 wurde eine neue Währung kreiert, der Tscherwonez, der durch Gold und Devisen gedeckt war. Beide Währungen blieben gleichzeitig in Gebrauch. Während die Tscherwonzen höherwertigen Zahlungen vorbehalten waren und nur in begrenzten Mengen ausgegeben wurden, zahlte die Bevölkerung ihre kleineren Einkäufe mit den Sovznaki. Sie unterlagen auch weiterhin einem ständigen Wertverlust, sodass sie bei einer neuerlichen Währungsreform am 1. Januar 1923 im Verhältnis 100 zu 1 umgestellt wurden. Der letzte Akt erfolgte am 7. März 1924. An diesem Tag wurde die Währungsstabilisierung erreicht und der Tscherwonez zur einzigen Landeswährung im Land. Aus 50.000 Rubel (Sovznaki) wurden ein Goldrubel.
Abb. 21.1: 1 Tscherwonez, 1923, Vorder- und Rückseite.
Für internationale Zahlungen ließ die Sowjetregierung den Tscherwonez (= 10 Rubel) auch als Goldmünze prägen. Sie wiegt 8,6 Gramm und ist 900/1000 fein. Geprägt wurden mit der Jahreszahl 1923 insgesamt 2.751.200 Münzen.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Sovznaks (russisch: совзнаки) waren Schatzbrief/Schuldscheine, die 1919 in Sowjetrussland ausgestellt und zwischen 1919 und 1924 im Zahlungsverkehr verwendet wurden. Der Name ist eine Abkürzung des Ausdrucks „Sovetskiye znaki“ (Советские знаки, sowjetische Zeichen). Während das erste von der Sowjet-Regierung ausgegebene Papiergeld noch Kreditbillet genannt wurde, lautete die Bezeichnung ab Ende 1919 Verrechnungsschein. Der Begriff „Verrechnungsschein“ war ein Euphemismus für „Geld“, das die Kommunisten eigentlich abschaffen wollten. Die Sovznaks wurden als Übergangsinstrument angesehen. <https://en.m.wikipedia.org/wiki/Sovznak> (27.06.2021)
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