Höllengeldscheine – Hell Bank Notes – sind nirgendwo auf der Welt Zahlungsmittel. Die Scheine imitieren (reguläre) Banknoten oft mit übertrieben hohen Wertangaben. Ihr einziger Zweck besteht darin, als Opfer für Verstorbene verbrannt zu werden. Das Darbringen von Brandopfern hat in China eine lange Tradition. Erste Belege finden sich aus der Zeit der Drei Reiche um 220 vor unserer Zeit. Unbeschriftetes Papier wurde damals in Münzform geschnitten und zur Besänftigung der Geister verbrannt. Üblich wurde das Brandopfer bei Bestattungen ab dem 12. Jahrhundert. Die Verwendung von besonderem Räucherpapier (joss paper) im Aussehen von Geldscheinen ist seit dem späten 19. Jahrhundert gebräuchlich.
Frühe Exemplare dieser Scheine wurden meist in Stückelungen von 5 und 10 Yuan „ausgegeben“. Mit der chinesischen Inflation in den 1940er Jahren wurden auch die umlaufenden Banknoten mit höheren Nominalen gedruckt. Die großen Zahlen wurden auf das „Höllengeld“ übertragen. Scheine in Stücklungen von 10.000 Dollars und mehr waren ab nun üblich. Diese frühen Ausgaben zeigen eher Landschaftsbilder, Tempel oder Züge, und die zahlreichen Varianten gehen in die Millionen. Bei modernen Höllen-Banknoten reichen die Wertangaben bis zu mehreren Milliarden. Sie tragen in der Regel ein Bild des Jadekaisers, des herrschenden Monarchen des Himmels im Taoismus. Als oberster Gott „Shangdi“ – so sein Titel – steht er in engem Zusammenhang mit der Ahnenverehrung. Seine Unterschrift auf den Scheinen lautet romanisiert Yu Wong oder Yuk Wong.
Abb. 1: Hell Bank Note, 500.000.000, Vorder- und Rückseite.
Abb. 2: Hell Bank Note, 500.000.000, Vorder- und Rückseite.
Auf der Rückseite der Scheine befindet sich in der Regel ein Bild der Höllenbank. Das Wort Hölle bezieht sich auf Diyu (Unterweltgefängnis), das auch Difu (Unterweltgericht) genannt wird. Diese Wörter sind auch auf einigen Scheinen gedruckt. Im traditionellen chinesischen Glauben wird angenommen, dass Yanluo, der König der Hölle, über die Seelen der Verstorbenen zu Gericht sitzt. Nach seinem Urteil werden sie entweder in den Himmel geleitet oder in das Labyrinth der unterirdischen Ebenen und Kammern geschickt, um für ihre Sünden zu büßen. Viele Chinesen glauben, dass der Verstorbene gegen Zahlung von Höllengeld im Jenseits einen Ablass für seine irdischen Verfehlungen erhält. Das Wort „Hölle“ brachten christliche Missionare nach China. Sie predigten, dass alle nichtchristlichen Chinesen nach ihrem Tod in die Hölle kommen würden. Fehlerhafte Übersetzungen des englischen Begriffes „Hell“ führten dazu, dass die Chinesen das Wort für das Leben nach dem Tod übernahmen.
Häufige Höllenbanknoten sind die 5000er- und 10.000er-Scheine, die alten Federal-Reserve-Noten der Vereinigten Staaten nachempfunden sind. Die Vorderseite enthält neben dem Porträt des Jadekaisers auch das Siegel der Höllenbank, das aus einem Bild der Höllenbank selbst besteht. Einige Scheine zeigen nicht den Jadekaiser, sondern andere berühmte Figuren aus der chinesischen Mythologie, wie die Acht Unsterblichen, den Buddha, Yama oder Drachen.
Auf einigen sind sogar verstorbene Persönlichkeiten abgebildet, wie der US-Präsident John F. Kennedy, Stalin, Albert Einstein, Humphrey Bogart, Marilyn Monroe oder andere.
Abb. 3: Hell Bank Note, 1.000.000, Vorder- und Rückseite.
Abb. 4: Hell Bank Note, 1.000.000, Vorder- und Rückseite.
Nicht alle Scheine sind mit Hell Bank Note nezeichnet. Einige ersetzen das Wort Hell durch „Haeven“ oder „Paradise“, also Himmel oder Paradies. Diese besonderen Scheine findet man gewöhnlich in Räucherpäckchen, mit denen chinesischen Gottheiten geopfert wird.
Abb. 5: Haeven Bank Note, 5.000 Dollars, Vorder- und Rückseite.
Häufig finden sich in Asien in der Nähe von Tempelanlagen und Friedhöfen Geschäfte, die sich auf den Verkauf von Ritual-Artikeln spezialisiert haben. Sie verkaufen die Höllenscheine in ganzen Paketen. Einmal im Jahr werden anlässlich des Geisterfestes (zu Vollmond im August) größere Mengen an Höllengeld in Opferschalen verbrannt. Je nach Familientradition ist es üblich, bei jedem Besuch des Tempels oder Friedhofs Höllengeld zu opfern. Es gibt verschiedene Bräuche und Tabus in Bezug auf den richtigen Gebrauch des Höllengelds.
Bei der Verbrennung werden die Scheine in einem losen Bündel aufbewahrt, was als respektvoll angesehen wird. Bei einigen Bräuchen wird jeder Schein vor dem Verbrennen in einer bestimmten Weise gefaltet.
Abb.6: zwei Stapel von "Höllengeld".
Obwohl das Verbrennen von echten Banknoten Unglück bringen soll, werden z. B. deutsche Inflationsbanknoten als Joss Paper verwendet. In den 1980er Jahren und auch später noch kauften deutsche Händler Inflationsscheine als sog. "Chinaware" auf und exportierten großeMengen davon nach Ostasien. Uwe Bronnert Literatur James F. Frayne: Hell Bank Notes (Contemporary Issues). Milton Keynes, UK, 2015.
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