Henni Frese hat im großen Krieg sechzig Mark in Gold gesammelt
So lautet der Text auf einer Anerkennungsurkunde aus dem Sommer 1915, mit der Henni Frese für die Ablieferung von goldenen Reichsmark-Münzen im Betrag von 60 Mark von der Schulleitung in Ronsdorf ausgezeichnet wurde. Zum diesem Zeitpunkt war der Erste Weltkrieg schon ein Jahr in vollem Gange.
Ende Juli 1914 wuchs die Nervosität in der europäischen Bevölkerung. Militär- und Staatsführungen rechneten mit einem baldigen Waffengang. Die unsichere Zukunft veranlassten so manchen dazu, Gold- und Silbermünzen bei Zahlungen zurückzuhalten. Auch wechselte das Publikum an den Kassen der Reichsbank verstärkt Banknoten und Reichskassenscheine in Goldmünzen zu 10 und 20 Mark. Das Reichsbankdirektorium sah mit Sorgen ihren Goldvorrat schwinden.[1] Betrug der Goldbestand am 23. Juli 1914 noch 1.356,9 Millionen Mark, so „führte .. die starke Erregung weiter Kreise der Bevölkerung zu erheblichen Abhebungen, die einen Rückgang des Goldbestandes bis auf 1.253,2 Millionen Mark am 31. Juli mit sich brachten.“[2]
Als Teil der lange vorher vorbereiteten finanziellen Mobilmachung stellte die Reichsbank die Einlösung der Banknoten und Reichskassenscheine in Gold ein. Durch Reichsgesetz vom 4. August 1914 wurde nun auch die gesetzliche Pflicht zur Einlösung von Banknoten und Reichskassenscheinen in Reichsgoldmünzen 10 und 20 Mark rückwirkend zum 31. Juli aufgehoben.[3] Gleichzeitig wurden die Vorschriften bezüglich der Deckung der Reichsbanknoten geändert[4] und eine neue Papiergeldart, die Darlehnskassenscheine, kreiert,[5] die auf den deckungsfähigen Barvorrat der Reichsbank angerechnet wurde. Damit war die Goldwährung faktisch zur Papiergeldwährung geworden, obwohl die gesetzliche Dritteldeckung des Notenumlaufs in Gold formal beibehalten wurde.
Die Reichsregierung hatte bereits kurz nach der Reichsgründung 1871 beschlossen, einen Sonderfonds des Reichs in Höhe von 40 Millionen Thalern für den Mobilmachungsfall zu bilden.[6] Diesem Reichkriegsschatz wurden Teile des Goldes zugeführt, die Frankreich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 als Kriegsentschädigung nach den Bestimmungen des Frankfurter Friedens an Deutschland zahlen musste. Hieraus prägte die Berliner Münze 2 Millionen 10-Mark-Münzen (Kronen) und 5 Millionen 20-Mark-Münzen (Doppelkronen). Die ursprünglich vorgesehenen
40 Millionen Thaler machten in der neuen Reichswährung 120 Millionen Mark aus, nach heutigem Wert ca. 1,3 Mrd. Euro. Zur Aufbewahrung wurden die Goldmünzen in 1.200 Kisten verpackt, von denen jede 100.000 Mark enthielt. Der Feingoldgehalt aller Münzen des Reichsschatzes belief sich auf 4,3 Tonnen. Den Goldschatz nahm 1874 der Julius-Turm der Zitadelle in Spandau auf. Hier lagerte er hinter bis zu 3,60 Meter dicken Mauern. Er stand zunächst unter Aufsicht des Reichskanzleramts und wurde dann ab 1879 vom neu errichteten Reichsschatzamt verwaltet. Er durfte nur für unmittelbare Mobilmachungszwecke auf kaiserliche Anordnung und unter Zustimmung von Bundesrat und Reichstag verwendet werden. Er blieb in unveränderter Höhe bis 1913/14 bestehen, um dann im Zusammenhang mit den Heeresverstärkungen auf 240 Millionen Mark erhöht zu werden. Die neuen Mittel wurden bei der Reichshauptkasse und verschiedenen Reichsbankhauptstellen verwahrt. Unmittelbar nach Ausbruch des ersten Weltkriegs kamen auch die Goldmünzen aus dem Julius-Turm in die Reichsbank.
Durch weitere Zuflüsse aus dem Ausland stieg die Goldreserve der Reichsbank bis zum 7. August auf 1.477,5 Millionen Mark.[7]
„Inzwischen hatte sich die starke Erregung gelegt. Angeleitet durch die sehr dankenswerte Aufklärungsarbeit der gesamten Presse und der Behörden begann die Bevölkerung mehr und mehr einzusehen, daß die mit unbeschränkter gesetzlicher Zahlkraft ausgestatteten Reichsbanknoten zu Zahlungen genau ebenso verwendet werden können, wie die Goldmünzen, und daß eine tunlichst umfangreiche Ansammlung von Gold bei der Reichsbank durchaus im öffentlichen Interesse liegt. Mit dieser Kenntnis setzte in der Folge ein unerwartet starker Rückfluß von Gold an die Reichsbank ein. Überall, in allen Schichten und in immer größeren Kreisen erwuchsen der Reichsbank verständnisvolle freiwillige Helfer auf diesem Gebiete. Die öffentlichen Kassen, insbesondere auch die Post- und Eisenbahnkassen führten das bei ihnen einlaufende Gold an die Reichsbank ab und tauschten Goldmünzen behufs Ablieferung an die Reichsbank gegen Noten ein. So wurde es möglich, der Reichsbank Gold auch an den Orten zuzuführen, an denen sich eine Anstalt nicht befand. Durch alle diese Zuflüsse aus dem freien Verkehr stieg der Goldschatz ununterbrochen von Woche zu Woche durchschnittlich um mehr als 30 Millionen Mark. Er überschritt am 7. Dezember die zweite Milliarde und erhöhte sich bis zum 31. Dezember 1914 auf 2.092,8 Millionen Mark, seit Kriegsausbruch allein ein Zuwachs von 839,6 Millionen Mark.“[8]
Hinter diesen Sätzen aus dem Verwaltungsbericht der Reichsbank verbirgt sich eine schon im September 1914 einsetzende und über die ganze Kriegsdauer andauernde beispiellose Werbekampagne für die Ablieferung von Goldmünzen an die Reichsbank. Das Reich benötigte angesichts der britischen Seeblockade mit zunehmender Kriegsdauer weitere große Goldmengen und Devisenbeträge um kriegswichtige Güter und Rohstoffe in den neutralen Ländern kaufen zu können. Plakate, Handzettel und Zeitungsaufrufe forderten zur Goldablieferung auf. Geistliche predigten dies von der Kanzel und Lehrer warben in den Schulen für die gerechte Sache, die Unterstützung des Vaterlands. War der Ton zunächst eher bittend, so wurde er ab Mitte 1915 zunehmend fordernder und aggressiver, häufig verbunden mit dem Hinweis auf die vaterländische Pflicht zur Goldabgabe oder gar mit der Behauptung, dass der Verweigerer das Vaterland schädige und einen Sieg erschwere.
Mitte 1916 dehnte man die Sammlungstätigkeit auf goldenen Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Gold aus. Überall im Land entstanden Goldankaufsstellen, denen ein Ehrenausschuss aus vertrauenswürdigen Honoratioren – Bank- und Fabrikdirektoren, Rittergutsbesitzer, Schuldirektoren und Oberlehrer, Pfarrer, Ärzte und Apotheker – beratend zur Seite stand. Unter dem Motto „Eisen zur Ehr – Gold zur Wehr“ knüpfte die Propaganda an Parolen der preußischen Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft an. Mit dem berühmten Aufruf „An mein Volk“ hatte der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 17. März 1813 eine Welle der patriotischen Begeisterung und Opferbereitschaft ausgelöst. Prinzessin Marianne von Preußen appellierte an alle Frauen Preußens, ihren Goldschmuck gegen Berliner oder Gleiwitzer Eisenguss-Broschen und -Ringe mit der Aufschrift „Gold gab ich für Eisen“ zu tauschen.
Auch diesmal forderte man die Bevölkerung mit Flugblättern, Plakate, Zeitungsanzeigen und -berichten zum „Goldopfer“ auf, denn die Einlieferer erhielten für ihre Pretiosen nur Papiergeld, das immer schneller an Wert verlor. Selbst mit Hilfe patriotischer Postkarten versuchte man die Opferbereitschaft zu erhöhen. Eine damals weit verbreitete Karte zeigt ein Gemälde des Malers Kurt von Rozynski (* 1. Juni 1864 in Schippenbeil in Ostpreußen; † ?).
Auch wenn sich Bürgerinnen und Bürger freiwillig von ihren Trauringen und Schmuckstücken im Tausch gegen Schmuck aus Eisen trennten, so darf nicht der soziale Druck und die gesellschaftliche Kontrolle vergessen werden, die die Betroffenen zur Abgabe veranlassten. Wer den eisernen Schmuck trug, hatte sich als Patriot erwiesen, wer weiter Gold zeigte war ein Volksverräter, verlor zumindest an Ansehen.
Seit 1916 „belohnte“ die Reichsbank die Schmuckabgabe und den Tausch von Goldmünzen gegen Papiergeld, wenn deren Wert mindestens fünf Mark betrug, mit einer Medaille. Gleiches galt bei Zeichnung von Kriegsanleihen. Die Medaille besteht aus geschwärztem Eisen und hat bei einem Gewicht von 16,4 – 20,4 g einen Durchmesser von 39 – 41 mm. Sie war damit etwa so groß wie die silberne 2-Mark-Münze.
Die Vorderseite zeigt eine kniende, ihr Geschmeide darbietende Frauengestalt und am oberen Rand die Umschrift „In eiserner Zeit“ und am unteren Rand „1916“, während auf der Rückseite fünfzeilig der Sinnspruch „Gold / gab ich zur / Wehr Eisen / nahm ich zur / Ehr“ über zwei Eichenzweigen angebracht ist. Am unteren Rand „HOSAEUS“, der Name des Künstlers, von dem der Entwurf dieser Medaille stammt.
Der deutschen Bildhauer und Medailleur Hermann Kurt Hosaeus (* 6. Mai 1875 in Eisenach; † 26. April 1958 in Berlin), wurde besonders durch seine Kriegerdenkmäler und Medaillen bekannt. Die Eisenmedaille wurde durch die Erzgießerei Gladenbeck in Berlin gegossen, „Am 16. August 1916 waren bereits 150.000 Stück abgeliefert und die Firma für weitere Lieferungen beauftragt.“[9]
„Um den eisernen Gedenkstücken … ihren ideellen Wert zu erhalten und sie als bleibendes Erinnerungszeichen vor Entwertung durch Nachahmung und Handel zu schützen, verbot die Bekanntmachung zum Schutz eiserner Gedenkstücke der Reichsbank vom 3. August 1916 (RGBl. S. 833) grundsätzlich jede Vervielfältigung und Nachbildung dieser Stücke.“[10]
Daneben stellten Reichsbank und Ehrenausschüsse auch weiterhin Ehrenurkunden aus.
Abb. 15: Empfangsbestätigung des Ehrenausschusses der Goldankaufsstelle in Brandenburg vom 21. März 1917 über den Schmuckankauf über 50,25 Mark
Da der Weltmarktpreis für Silber während des Kriegs stark gestiegen war und nun ebenfalls zur Bezahlung von Importen genutzt werden konnte, kauften die Goldankaufsstellen ab Ende Dezember 1917 auch Silbermünzen an.
„Durch die regelmäßigen Zuflüsse von Goldmünzen aus dem Verkehr und durch den Ankauf von Gold vermehrte sich der Goldbestand der Reichsbank seit dem 7. August 1914 … ununterbrochen auf 2.533,3 Millionen Mark am 15. Juni 1917. In der dritten Juniwoche dieses Jahres zeigte der Ausweis zum ersten Male einen Rückgang um 76,5 Millionen Mark infolge einer notwendigen Goldausfuhr, die mit Hilfe der Zuflüsse aus dem Verkehr nicht hatte gedeckt werden können. Solche Rückgänge wiederholten sich bis zum Ende des Krieges noch zweimal, und zwar in der dritten Juliwoche 1917 um 56,2 Millionen Mark und in der dritten Aprilwoche 1918 um rund 64 Millionen Mark. In der dritten Septemberwoche und in der ersten Oktoberwoche 1918 nahm der Goldbestand um 98,9 und um 100 Millionen Mark zu. In diesen beiden Wochen wurden die ersten zwei Goldzahlungen … vereinnahmt, zu denen sich die Regierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik auf Grund des … Friedensvertrage[s] von Brest-Litowsk verpflichtet hatte. Am 7. November 1918 konnte die Reichsbank den höchsten in ihrer Geschichte bisher verzeichneten Goldbestand mit 2.550,3 Millionen Mark ausweisen.“[11]
Uwe Bronnert
Anmerkungen [1] Der Goldbestand der Reichsbank bewegte sich zwischen 1890 und 1907 auf etwa 500 bis 600 Millionen Mark. Als 1906 die Reichsbank auch 20- und 50-Mark-Banknoten ausgegeben durfte, etablierten sich diese Banknoten schnell im Zahlungsverkehr, sodass bis Ende 1913 der Goldbestand der Reichsbank auf 1.170 Millionen Mark stieg. [2] Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1914, Vorgelegt in der Generalversammlung am 29. März 1915, S. 6 f. [3] Gesetz, betreffend die Reichskassenscheine und die Banknoten, vom 4. August 1914 (RGBl. S. 347). Erst seit dem 1. Januar 1910 galten die Noten der Reichsbank als gesetzliche Zahlungsmittel. [Art. 3 Gesetz, betreffend Änderung des Bankgesetzes, vom 1 Juni 1909 (RGBl. S. 515)].
[4] Gesetz, betreffend die Änderung des Bankgesetztes, vom 4. August 1914 (RGBl. S. 327).
[5] Darlehnskassengesetz vom 4. August 1914 (RGBl. S. 340).
[6] Gesetz, betreffend die Bildung eines Reichskriegsschatzes, vom 11. November 1871 (RGBl. S. 403).
[7] Verwaltungsbericht für das Jahr 1914, S. 7.
[8] Ebenda.
[9] Gold gab ich für Eisen, Der Erste Weltkrieg im Medium der Medaille, Für das Münzkabinett herausgegeben von Bernd Kluge und Bernhard Weisser, Das Kabinett, Schriftenreihe des Münzkabinetts, Band 14, Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett 2014, S. 145.
[10] Die Reichsbank 1901 – 1925, Berlin 1925, S. 62.
[11] Ebenda, S. 63.
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