Ich habe den Artikel von Herrn Glasemann "Wertbeständiges Handelskammer-Notgeld 1923" mit großem Interesse gelesen, und da ich den Ludwigshafener Schein besitze,
kamen mir folgende Gedanken:
Sollten tatsächlich nur die 200 verausgabten Scheine – wenigstens teilweise – existieren, wäre der Schein sicherlich nur sehr schwer zu bekommen und entsprechend teuer. Tatsächlich aber liegen die aktuellen Preise ca. zwischen 6 und 20 EURO.
Die wenigen mir bekannten Kontrollnummern gehandelter Scheine zwischen 703096 und 935487 legen den Verdacht nahe, dass der Restbestand wohl doch nicht (vollständig) vernichtet wurde und auf den Sammlermarkt gelangt ist.
T. Neldner
Antwort des Autors
Die Informationen zu dieser Emission habe ich der Dissertation von Rudolf Wilhelmy „Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Berlin, 1962“ entnommen. Ich möchte seinen Text hier zur Klarstellung zitieren:
"Die Handelskammer Ludwigshafen bemühte sich schon Anfang November 1923, die Genehmigung der I.A.R.K. zur Emission wertbeständigen Notgeldes zu erhalten.
Diese Genehmigung wurde nach langwierigen Verhandlungen erst Mitte Dezember 1923 erteilt, nachdem die Kammer den Gegenwert für die mit 4,2 Mio. Goldmark geplante Auflage bei der Elsässischen Bankgesellschaft, Filiale Ludwigshafen, in Dollar hinterlegt hatte.
Von der gesamten Auflage wurden ab 18.12.1923 nur noch 200 Scheine ausgegeben, die über ,,1 Dollar U.S.A. = 4,20 Mark Gold = 1 Pfälzischer Handelskammerdollar“ lauteten. Es wurde davon abgesehen, größere Mengen des Notgeldes in Umlauf zu setzen, weil inzwischen Rentenmarkscheine im französisch besetzten Gebiet" von der I.A.R.K. als ordentliches Zahlungsmittel zugelassen."
Seine Informationen erhielt Wilhelmy aus einem Schreiben der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz, Ludwigshafen, vom 6.12.1957
Es kann festgehalten werden:
Die geplante Auflage belief sich auf 1 Million Scheine
Davon wurden nachweislich nur 200 Scheine in den Umlauf gebracht
Da die Handelskammer den Gegenwert von 4,20 Mio. Goldmark bankmäßig hinterlegt hatte, ist vermutlich auch ein Druckauftrag für 1 Million Stück rausgegangen. Ihre Kontrollnummern 703096 und 935487 belegen dies.
Auch die heutige IHK Pfalz belegt dies und schreibt dazu aktuell unter „Eine Scheinwelt: Der Handelskammerdollar der IHK“:
Den Druck der Geldscheine übernahm die Druckerei der BASF. Auch das Papier beschaffte die Anilin. Der Einfachheit halber nahm man das Papier, das das Chemieunternehmen für den Druck seiner eigenen wertbeständigen Gutscheine verwendete. Die BASF sicherte eine tägliche Druckmenge von 250.000 Scheinen zu. Die Druckkosten beliefen sich auf 9.000 Goldmark. Vor der Herausgabe der eigenen Währung standen langwierige Verhandlungen mit der Hohen Alliierten Rheinlands-Kommission in Koblenz. Denn ohne deren Genehmigung ging in der französisch besetzten Pfalz damals gar nichts.
Der Notgeldschein der Handelskammer Ludwigshafen wurde am 18. Dezember 1923 herausgegeben und war im ganzen Regierungsbezirk Pfalz als Zahlungsmittel gültig, befristet auf sechs Wochen. Von der Auflage von einer Million Stück kamen jedoch nur 200 Stück in Umlauf, denn der Handelskammerdollar kam erst nach der Hyperinflation heraus. Inzwischen war die Deutsche Rentenmark auch im damals französisch besetzten Gebiet zugelassen. Damit stand ein wertbeständiges Zahlungsmittel zur Verfügung, das am 30. August 1924 von der Reichsmark abgelöst wurde.
Die nicht mehr benötigten Scheine wurden in sieben Kisten gepackt und erst einmal bei der Pfälzischen Hypothekenbank in Ludwigshafen im Keller gelagert. Die 50 Reichsmark für die Kisten verrechnete die Pfälzische Hypothekenbank ganz pragmatisch mit ihrem Handelskammerbeitrag. 1935 entschied das Präsidium der IHK schließlich, die Scheine zu vernichten. Die Bank übernahm das kostenfrei, verlangte aber die Überlassung des Altpapiers.
Fazit: 1 Million der Papiere haben existiert. Die nicht mehr benötigten, wertlosen Scheine gingen 1935 auf die Pfälzische Hypothekenbank über. Hier haben wohl vor der Vernichtung der Scheine Sammler-affine Mitarbeiter einige Stücke zur Seite gebracht … und dies sind wohl die heute angebotenen Pfälzischen Handelskammerdollars von 1923.
Hans-Georg Glasemann
Comments