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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Leserpost: Kassenscheine der Freiwilligen Westarmee

Sehr geehrter Herr Grabowski, ich hätte gern eine Auskunft über die Banknoten der Westarmee (siehe Foto!!!!). Ich danke schon mal und eine schöne Weihnachtszeit aus Berlin.

B. Strippentow



Antwort der Redaktion

Bei den Kassenscheinen der Freiwilligen Westarmee handelt es sich nicht um Banknoten! Banknoten sind Noten, die durch eine konzessionierte Notenbank ausgegeben werden!

Der Einfachheit halber übernehme ich hier zur Darstellung der geld- und zeitgeschichtlichen Hintergründe der Ausgabe dieser Scheine die Einleitung zum Kapitel über die Kassenscheine der Freiwilligen Westarmee aus meinem Buch "Die deutschen Banknoten ab 1871".


Bereits im Sommer 1918 hatte es deutsche Pläne gegeben, im russischen Bürgerkrieg gegen die Sowjetherrschaft bis nach Sankt Petersburg vorzustoßen. Russische Kriegsgefangene wurden rekrutiert und bei Pleskau begann die Aufstellung erster Verbände. Die am 18. November 1918 ausgerufene Republik Lettland wurde jedoch weitestgehend durch die Rote

Armee besetzt und im Dezember 1918 zur Sowjetrepublik. Nachdem die Entente die Rückführung der deutschen Truppen entsprechend dem Waffenstillstandsvertrag von Compiègne forderte, wurden aus den rekrutierten Russen, der von Deutschland finanzierten und ausgerüsteten Baltischen Landeswehr, die aus Baltendeutschen bestand, und freiwilligen deutschen Soldaten verschiedener Korps, die im Osten verbleiben wollten, die sog. Freiwillige West­armee (auch Westrussische Befreiungsarmee) aufgestellt. Sie stand zwar nicht mehr unter zentraler deutscher Führung, sondern wurde vom russischen Kosaken-Oberst Bermondt-Avalow (1884–1972), der sich selbst Fürst Avalow-Bermondt nannte, kommandiert, doch sie bestand hauptsächlich aus deutschen und baltendeutschen Freiwilligenkorps unter deutschem Kommando (z. B. „Eiserne Division“ unter Major Bischoff mit etwa 15.000 Soldaten, „Deutsche Legion“ unter Kapitän Sievert mit 9.000 Soldaten, Korps Graf Keller mit 7.000 Soldaten). Man wollte ursprünglich über das Baltikum bis nach Moskau vorstoßen, um gemeinsam mit anderen weißen Truppen die Herrschaft der Sowjets zu beenden.

Hierzu führte die Armee Verhandlungen mit Deutschland, den Entente-Mächten, Litauen und Lettland. Ziel des Deutschen Reichs war es, dass die Unterhaltskosten der Armee auf die von Deutschland zu leistenden Reparations­kosten angerechnet würden, was die Entente jedoch ablehnte. Auch Verhandlungen Generals von der Goltz mit möglichen Geldgebern aus der Industrie scheiterten. Litauen und Lettland sahen sich sogar durch die Freiwillige Westarmee bedroht. Trotzdem weigerte sich u. a. auch die deutsche „Eiserne Division“ abtransportiert zu werden und trat geschlossen der Westarmee bei.

Zur Finanzierung der Armee wurden im lettischen Mitau zweisprachige Kassenscheine (Deutsch/Russisch) mit Datum vom 10. Oktober 1919 ausgegeben, deren Gegenwert durch den Staatsbesitz des von der Armee besetzten Gebiets gedeckt sein sollte. Außerdem sollten die Scheine in diesen Gebieten als gesetzliche Zahlungsmittel dienen. Es war vorgesehen, dass sie ab 1. Oktober 1920 bei staatlichen Banken und Zahlstellen gegen deutsche Mark oder gleichwertige russische Währung eingelöst werden sollten.

Weil man davon ausging, dass die Weißen auch ohne Unterstützung durch die „Bermondter“ über die Sowjets siegen würden, war das Eingreifen in den Lettischen Unabhängigkeitskrieg vorrangiges Ziel der Freiwilligen Westarmee. Anfang Oktober 1919 wurde Riga angegriffen, doch es kam zu erbittertem Widerstand. Am 11. November 1919 wurde die Freiwillige Westarmee aus Riga und schließlich aus ganz Lettland vertrieben. Die Letten selbst verdrängten Anfang 1920 die letzten bolschewistischen Verbände aus ihrem Land und riefen im Mai 1920 erneut ihre Unabhängigkeit aus, die dann im Rigaer Abkommen vom 11. August 1920 von den Sowjets akzeptiert wurde. Die meisten Korps der Freiwilligen Westarmee wurden 1920 aufgelöst, so z. B. die „Eiserne Division“ im Mai 1920 wegen Meuterei.


Noch eine Anmerkung zu Ihrem Foto. Auf Restbeständen von einseitig bedruckten Druckbogen der Kassenscheine der Freiwilligen Westarmee ließ die Lettische Post Briefmarken drucken, die 1920 und 1921 ausgegeben wurden. Genau darum handelt es sich bei Ihren Stücken, um kleine Briefmarkenbogen mit Marken zu 50 Lettischen Kopeken und

1 Lettischen Rubel auf Teilen solcher unfertiger Druckbogen.


Zu den Kassenscheinen der Freiwilligen Westarmee möchte ich noch auf folgenden Beitrag hier in unserem Geldschein-Blog verweisen:



Hans-Ludwig Grabowski

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