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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Leserpost: Notgeld oder nicht?



Sehr geehrter Herr Grabowski ! Am Wochenende hat mich unser Nachbar angesprochen und die Schätze seines verstorbenen Vaters gezeigt. Außer einem kleinen Karton mit Herrscher-Fotos aus den Nachkriegsjahren, gab es noch ein kleines Briefmarkenalbum mit dem üblichen Material, die älteste Marke zeigte Hitler. Allerdings bin ich bei einem Stück stutzig geworden und habe zuerst gedacht, es sei ein

Mini-Notgeldscheinchen. Ich durfte es zur „Prüfung“ mitnehmen, habe dann allerdings erst den Zusatz „bezahlt“ bemerkt. Es wird dann wohl eher doch etwas philatelistisches/behördliches sein als Notgeld. Die Maße sind wie das Metermaß angibt, die Rückseite habe ich dann quer fotografiert, entsprechend der Schrift. Das Stück ist auf ganz dünnem Karton gedruckt. Ich hoffe, dass es der Mühe überhaupt wert ist, drauf zu schauen. Mit freundlichen Grüßen, J. Diller


Antwort der Redaktion

Was zuerst auffällt, ist natürlich der Wert zu 6 Rpf. – muss also aus der Zeit von 1924 bis zur Währungsreform 1948 stammen – und das Wort "bezahlt". Außerdem macht das handschriftliche Fragment auf der Rückseite stutzig. Kann es sich wirklich um einen Notgeldschein handeln, z.B. aus der unmittelbaren Zeit am Ende oder nach dem Zweiten Weltkrieg? Handelt es sich um eine Art Quittung und was macht die in einem Briefmarkenalbum? Am Ende des Kriegs gab es auch eine ganze Reihe lokaler Notausgaben von Briefmarken, kann es sich etwa um eine solche Notausgabe handeln?

Manchmal ist die Lösung des Rätsels direkt vor den Augen des Betrachters und man sucht doch nach Erklärungen, die es nicht gibt. Wichtig ist der Bezug zur Philatelie! Wichtig ist auch der angegebene Wert, nämlich 6 Reichspfennig! Wer sich schon einmal mit Briefmarken aus der Zeit des "Dritten Reichs" beschäftigt hat, dem kommt dieser Betrag bekannt vor.

6 Reichspfennig betrug nämlich das Porto für eine Postkarte! Sammler kennen deshalb aus dieser Zeit die massenhaft für Postkarten verwendete lila 6-Reichspfennig-Marke mit dem Porträt Hitlers. Ganz nebenbei: Hitler hatte eine Übereinkunft mit der Reichspost! Für jede verkaufte Marke mit seinem Porträt erhielt er 1 Reichspfennig, da kamen in der Summe bei der Unmenge verwendeter Hitler-Marken Millionen zusammen.

Jetzt wird auch das Textfragment auf der Rückseite erklärbar und die Lösung des Rätsels ist verblüffend einfach. Es handelt sich um eine per Hand ausgeschnittene Wertangabe mit der Angabe "bezahlt" statt eines Poststempels aus einer beschriebenen Vordruck-Postkarte.

Das war's! Kein Notgeld, keine Quittung! Wenn das Porto auf dieser Vordruck-Karte praktisch schon von vornherein bezahlt war, könnte diese z.B. von einer Behörde verwendet worden sein. Hierfür gab es zum frankieren aber eigentlich sog. Dienstmarken. Es handelt sich aber ziemlich sicher um kein außergewöhnliches postgeschichtliches Belegstück.


Hans-Ludwig Grabowski




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