Sehr geehrter Herr Grabowski, ich habe mir erlaubt, Ihnen in der Anlage Scans mit mir unbekannten Scheinen als PDF-Datei zu schicken. Können Sie mir zu diesen Scheinen etwas sagen oder evtl. sogar den Katalog angeben, in dem diese Scheine beschrieben oder abgebildet sind? Für eine kurze Info wäre ich Ihnen sehr dankbar.
H.-W. Donath
Antwort der Redaktion:
Papier ist im wahrsten Sinne des Wortes geduldig, lässt sich mit vielem bedrucken und nicht jeder Schein ist auch ein Geldschein. Papiergeldsammler, die über den Tellerrand blicken, sammeln oft auch Belege "Rund ums Geld", wie Wechsel, Schecks, Quittungen, Bezugscheine, Spendenbelege, Lotterielose, Zinskupons, Wertpapiere oder Rationierungsbelege. Um Letzteres handelt es sich bei den Bezugs-Marken des Oberamtes Göppingen. Es steht eigentlich alles drauf, was man wissen muss. Es sind Lebensmittelmarken für den Bezug von Brot bzw. Mehl, die während des Ersten Weltkriegs ausgegeben wurden und in diesem Fall vom 1. Juni bis 5. Juli 1916 gültig waren. Die einzelnen Marken wurden aus einer Lebensmittelkarte getrennt oder geschnitten und dann im Geschäft als Bezugsberechtigung abgegeben. Bezahlen musste man die Ware dann natürlich trotzdem.
Es gibt einige Kataloge für Lebensmittelkarten aus dem Zweiten Weltkrieg, die aber in aller Regel nur eine Sammlung dokumentieren. Zum Ersten Weltkrieg ist mir kein vergleichbarer Katalog bekannt. Die Vielfalt der Lebensmittelkarten war einfach viel zu groß, da sie praktisch von jeder kommunalen Verwaltung ausgegeben wurden. Zudem gab es natürlich auch noch verschiedene Arten von Karten, so z.B. Grundkarten, Karten für einzelne Gruppen von Lebensmitteln bis hin zu Karten für kriegsbedingt rationierte Waren wie etwa Petroleum und Zusatzversorgungskarten (z.B. für Schwangere oder Schwerstarbeiter). Derartige Lebensmittelkarten kommen heute noch vergleichsweise häufig vor und können für wenig Geld erworben werden.
Auch hier dürfte es sich um eine Lebensmittelmarke von Göppingen handeln, die sichtbar aus einer Karte herausgeschnitten wurde. Das "B" ist nicht die Serie, sondern stand im Zusammenhang mit deutschen Rationierungsbelegen immer für Brot. Die "25" bezeichnet die Bezugsmenge. Da 25 g Brot nicht sonderlich viel ist, könnte es sich um eine Zusatzversorgungskarte handeln oder aber um eine Zusatzkarte für Fronturlauber. Wahrscheinlich stammt diese ebenfalls aus dem Ersten Weltkrieg, da im Zweiten Weltkrieg bestimmte Musterkarten für die Ausgabestellen vorgegeben waren.
Da hat es einem Veranstalter gefallen, einen günstigen Darlehnskassenschein mit den Daten zu seiner Banknotenbörse zu überdrucken. Wie gesagt, Papier ist geduldig. So etwas wird nicht katalogisiert.
Auch ein Beleg "Rund ums Geld": Eine Quittung, wie es unzählige gab und gibt.
Hier könnte man davon ausgehen, dass es sich um einen Beleg zur Entrichtung einer Gebühr der Stadt Stuttgart für den Betrieb eines Marktstandes handelt, sicher aber nicht um ein Zahlungsmittel, mit dem man an einem Marktstand einkaufen konnte.
Wenn man mehr wissen will, muss man wohl im Stadtarchiv forschen.
Anmerkung von Herrn Klaus Schweizer:
Nachtsteuermarken, Wiegegeld und andere Stücke sind keine Zahlungsmittel, werden aber von Stuttgart-Sammlern gerne gesammelt.
Hier gilt das bereits zur Quittung gesagte. Schecks können auch für Geldscheinsammler von Interesse sein, wenn es sich z.B. um solche von lokalen Banken handelt.
Das Beste kommt zum Schluss! Um was handelt es sich hier? Nun, wer im Internet auf Suche geht, der wird bald auf das Gymnasium des Salvator-Kollegs im schwäbischen Wurzach stoßen. Vorläufer des heutigen Gymnasiums war eine 1924 gegründete Lateinschule. Wohlgemerkt 1924, die Hochzeit der deutschen Serienscheine, an die diese beiden Werte stark erinnern, war aber 1921. Neben dem Gymnasium existiert in dem abgebildeten Wurzacher Schloss heute auch ein Kloster der Salvatorianer. Die haben 1921 in einer Bergkapelle angefangen und sind dann erst später in das Schloss gezogen, das während des Zweiten Weltkriegs teilweise als Kriegsgefangenenlager genutzt wurde.
Eine Nachfrage im heutigen Kloster ergab erst einmal keine neuen Informationen. Niemand kennt hier die Scheine. Immerhin wurden die Abbildungen an den Archivar des Klosters weitergeleitet. Vielleicht kann der noch etwas dazu herausfinden. Denkbar wären tatsächlich Serienscheine, deren Verkaufserlös der noch jungen Klostergemeinschaft zugute kommen sollte. Als Verkehrsausgaben kommen sie mit diesen Nominalen nicht in Frage, weil das Schloss als Sitz des Salvator-Kollegs abgebildet ist, in dem erst 1924 die Schule eröffnet wurde und in das die Klosterbrüder erst 1927 einzogen. Nach 1924 hätte man aber "Reichsmark" nutzen sollen, obwohl es auch Beispiele dafür gibt, dass das umgangssprachliche "Mark" auch weiterhin genutzt wurde. Um Spendenbelege kann es sich auch nicht handeln, da die Bezeichnung "Gutschein" dagegen spricht.
Beide Scheine tragen Rundstempel des Salvator-Kollegs. Das Gymnasium des Salvator-Kollegs hatte definitiv kein Geld ausgegeben, bleibt also nur die Hoffnung, dass noch Informationen im Klosterarchiv zu finden sind. Auch wenn sich das Interesse für derart weltliche Dinge hinter Klostermauern in Grenzen halten dürften, wäre eine Aufklärung nicht nur für Sammler, sondern auch für die eigene Geschichte des Klosters wünschenswert.
Sollten die Hintergründe geklärt werden können, werden wir hier im Blog darüber berichten.
Hans-Ludwig Grabowski
Information der Salvatorianer
Mein Name ist P. Michael Overmann, seit 2010 der Archivar der Dt. Provinz der Salvatorianer (in München). P. Konrad (vom Salvator-Kolleg Wurzach) hat Ihre Mail an mich weitergleitet und natürlich habe ich ein Interesse an diesen Raritäten. Ich bin immer noch dabei, die Materialmengen zu ordnen und zu strukturieren, aber irgendwann wird dann wohl auch mal deutlich werden, was es mit diesem Geld auf sich hatte. Ich vermute, dass es sich um ein internatsinternes Zahlungsmittel handelte, damit man die Ausgabe des Taschengeldes für die Schüler kontrollieren konnte. Aber wir werden sehen, was sich mit der Zeit ergibt.
P. Michael Overmann SDS
Anmerkungen
Zu Wurzach - Salvator Kolleg - hatte Kai Lindman im Forum Banknotesworld geschrieben "Die Scheine wurden in den 30er Jahren schulintern als Zahlungsmittel verwendet. Die Kriegsgefangenen wurden in den 40er Jahren direkt in der Schule untergebracht und haben beim Stöbern den Karton mit den noch vorhandenen Scheinen gefunden und sie bei der Entlassung als Souvenir mitgenommen. Die Scheine gehören also zu den Behelfszahlungsmitteln der Zeit von 1924 bis 1945." Außerdem gibt es noch einen Artikel im Geldscheinsammler, Ausgabe 3/91 auf S.134/135.
Im Artikel "Aktuelles am Randes des Notgeldgeschehens" von Klaus Karau sind die Scheine beschrieben, es gab acht Werte über 1, 2, 5, 10 und 50 Pfennig sowie 1, 2, und 10 Mark.
Weiter entdeckt wurden noch 5 und 20 Mark, wie ein Los aus der 36. Gärtner-Auktion von Anfang 2017 zeigt (Los. 3047, 200,- Ausruf) siehe https://stamp-auctions.de/katalogarchiv/36_band_7_ii.pdf Ringo Staudt
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