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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Leserpost: Zuordnung von Belegen aus einer Notgeldsammlung

Sehr geehrte Damen und Herren, bei der Sichtung eines Teils einer Notgeldsammlung sind mir die im Anhang als Bilder beigefügten Belege aus Frankfurt am Main aufgefallen, die in zahlreichen Kriterien die „Anforderungen“ an Notgeld erfüllen, sich in der (mir vorliegenden) einschlägigen Notgeldliteratur aber nicht finden lassen. Auch der Gebrauchszustand spricht dafür, dass die Belege tatsächlich benutzt worden sind. Können Ihre Katalogautoren hier vielleicht weiterhelfen? In jedem Fall sind es interessante zeitgenössische Belege. Aber ist es vielleicht tatsächlich Notgeld, dass in den bisher existierenden/veröffentlichten Katalogen nicht aufgeführt ist? Oder handelt es sich eine andere Art von Bankbelegen? Über eine zeitnahe Antwort würde ich mich freuen. Mit freundlichen Grüßen, M. Urban


Spar- und Leihkasse e.G.m.u.H Ginnheim: Gutschein über 5 Mark auf 20 Pfennig ohne Datum, Vorder- und Rückseite.

Sparkasse der Gewerbe-Vereinsbank r.G.m.b.H. Frankfurt a. M.-Niederrad: Gutschein über 2 Mark ohne Datum, Vorder- und Rückseite.

Sparkasse der Gewerbe-Vereinsbank r.G.m.b.H. Frankfurt a. M.-Niederrad: Gutschein über 10 Mark ohne Datum, Vorder- und Rückseite.


Antwort der Redaktion:

Hallo Herr Urban, ich habe mit Herrn Gottwald in Frankfurt am Main gesprochen, dem Autor des 1981 erschienenen Buches über das Frankfurter Notgeld, und Ihre Anfrage an ihn weitergeleitet. Die Scheine sind tatsächlich in gewisser Weise Notgeld, das aber bereits seit einiger Zeit bekannt und durchaus selten ist. Noch am gleichen Tag habe ich mit Herrn Gottwald ein weiteres längeres Telefonat geführt, da die Scheine einige Rätsel aufgeben.


Beschäftigen wir uns zuerst mit dem Schein über 5 Mark der Spar- und Leihkasse Ginnheim.

Der wurde auf einem Grundschein zu 20 Pfennig gedruckt, der auf den ersten Blick eine gelaufene private Verkehrsausgabe eines Kleingeldscheins sein könnte. Diese Ausgabe ist allerdings als solche nicht bei Tieste katalogisiert. Auch den 5-Mark-Schein, der eigentlich zum Großnotgeld gehören sollte, findet man nicht bei Geiger. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man in dem Rundstempel der Spar- und Leihkasse Ginnheim e.G.m.u.H. (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung), der sich auf Vorder- und Rückseite befindet, das Datum "1./1. 10". Am 1. Januar 1910 gab es aber kein Notgeld, das kam erst mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 in Umlauf. Dieses Datum gibt unserer Meinung nach den entscheidenden Hinweis. Es dürfte sich um einen Geldersatz handeln, der ausschließlich für Zahlungen innerhalb der Genossenschaft gedient haben dürfte, also um ein "Genossenschafts-Geld", das durchaus nicht erst seit den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in der DDR bekannt war. Eine quasi "innerbetriebliche" Zahlungsabwicklung dient durchaus dem genossenschaftlichen Zweck. Hier wäre es sinnvoll, in entsprechenden Archiven über die damalige Genossenschaft in Ginnheim zu forschen.

Es handelt sich also höchstwahrscheinlich um kein Notgeld. Selten ist dieser Schein trotzdem und noch dazu ein interessantes Zeitdokument.


Um was für Notausgaben aber handelt es sich bei den beiden Scheinen der Sparkasse der Gewerbe-Vereinsbank Frankfurt-Niederrad? Von den Beträgen ( 2 und 10 Mark) würde es sich um Großnotgeld handeln, aber auch diese Ausgaben führt Geiger nicht auf. Ein Datum findet sich leider nicht. Äußerst wichtig ist aber der Hinweis auf den Umrechnungskurs in US-Dollar (eine Mark = 10/42 Dollar). Wie wir wissen betrug am Ende der Inflation der festgelegte Umrechnungskurs 1 US-Dollar = 4,20 Goldmark = 4,2 Billionen Papiermark. Üblich sind deshalb bei sog. wertbeständigem Notgeld Wertangaben wie 0,42 Goldmark = 0,1 US-Dollar, 2,10 Goldmark = 0,5 US-Dollar, 4,20 Goldmark = 1 US-Dollar oder 21 Goldmark = 5 US-Dollars.

Hier wird der Spieß umgedreht, man benennt das Nominal nur in Mark (eigentlich sollte es hier Goldmark heißen) und gibt den Kurs in Klammern an. 2 Mark sind demnach rund 0,48 US-Dollar und 10 Mark rund 2,38 US-Dollars. Diese Angaben sind ziemlich ungewöhnlich, aber denkbar. Die Mark war zu dieser Zeit (Ende 1923) immer noch die offizielle Währungsbezeichnung. Die Rentenbank war zwar schon am 15. Oktober 1923 gegründet worden und am 1. November wurde das Umtauschverhältnis zur Mark mit 1 Rentenmark =

1 Billion Papiermark festgelegt; Zahlungsmittel, die auf Rentenmark lauteten, konnte aber nur die Rentenbank ausgeben. Noch 1924 hatte die Reichsbank Banknoten über Billionen-Beträge ausgegeben. Erst am 30. August 1924 wurde dann die Reichsmark eingeführt (1 Billion Mark = 1 Reichsmark). Die Bezeichnung Goldmark war keine offizielle Währungsbezeichnung, sondern leitete sich lediglich umgangssprachlich aus der Deckung ab. Wäre natürlich immer noch die Frage, ob ein Emittent Ende 1923 Zahlungsmittel über so niedrige Markbeträge ausgegeben hätte, ohne einen eindeutigen Hinweis, dass es sich um sog. wertbeständiges Geld handelt. Der ist, wenn auch nicht sofort erkennbar, durch den Umrechnungskurs zum US-Dollar gegeben. Außerdem dürfte jedem klar gewesen sein, dass derart kleine Mark-Beträge in Zeiten der Hochinflation keinen Sinn gemacht hätten.

Nach reiflicher Überlegung und in Abstimmung mit Herrn Gottwald gehen wir deshalb beide davon aus, dass es sich tatsächlich um seltenes wertbeständiges Notgeld handeln muss, das damit in den einschlägigen Katalogen von Müller und Lindman fehlt.


Hans-Ludwig Grabowski

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