Obwohl durch eine steigende Zahl der Notgeldsammler das allgemeine Verständnis für das deutsche Notgeld gewachsen ist, gibt es auch heute noch viele Geldscheinsammler, die unter "Notgeld" in erster Linie die bunten und motivreichen Scheine verstehen, die der Spezialist als "Serienscheine" bezeichnet. Da diese Scheine meist nur für Sammler hergestellt wurden, also nicht tatsächlich als Geld in umlauf waren, lehnen viele das Sammeln von Notgeld schlechthin ab. In Wirklichkeit machen diese etwa 8500 verschiedenen Serienscheine nicht einmal 8 % des gesamten deutschen Notgelds aus der Zeit von 1914 bis 1924 aus. Sieht man von den Serienscheinen und einigen wenigen Ausnahmen ab, so muss das deutsche Notgeld als wirkliches Ersatzgeld gelten.
Da das deutsche Notgeld von 1914 bis 1924 das bei weitem umfangreichste Spezialgebiet für Geldscheinsammler ist, wird es der leichteren Übersicht wegen, aber auch wegen der oft verschiedenen Ausgabeursachen in Notgeld-Epochen (früher hatte man Perioden statt Epochen verwandt, aber Perioden wiederholen sich schon vom Wortbegriff her ständig, also periodisch) eingeteilt, die sich teils zeitlich überschneiden.
Notgeld 1914
Elbing (Westpreußen), Stadt: Notgeldschein über 2 Mark vom 5. August 1914 mit Lochentwertung, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Ursache dieser Ausgaben, die vor allem in den östlichen und westlichen Grenzgebieten des Deutschen Reichs erfolgten, war der nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstandene Mangel an Gold- und Silbermünzen. Es gab Scheine von Städten, Gemeinden und Unterstützungsbehörden, von Banken, Gutsverwaltungen und Fabriken.
Von den zum Teil recht primitiv hergestellten Scheinen gibt es etwa 1600 verschiedene, die heute fast alle selten sind.
Als das Sammeln von Notgeld in Mode kam, versuchten viele Sammler diese frühen und seltenen Scheine direkt von der Ausgabestelle zu bekommen. So entstanden zahlreiche Neuanfertigungen (Nachdrucke), die sich jedoch meist von den Originalen unterscheiden lassen und wesentlich preiswerter sind.
Folgende besondere Stücke wären zu erwähnen:
Gutsverwaltung Lopischewo: Scheine auf Teilen von Spielkarten gedruckt;
Flensburg, Löwenapotheke Th. Andrä: 50-Pfennig-Schein mit einem Lacksiegel;
viele elsässische Scheine, die auf Kattun gedruckt sind.
Literaturempfehlung:
Hans-Jürg Alfred Dießner
Deutsches Notgeld, Band 11:
Das deutsche Notgeld von 1914/1915
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-535-0
Auflage: 1. Auflage 2010
Format: 14,8 x 21 cm
Abb.: zahlreiche farbige Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 640
Preis: 39,90 Euro
Kleingeld 1916–1922
Marienwerder (Westpreußen), Vorschuß-Verein: Gutschein über 10 Pfennig vom 20. Dezember 1916, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Da der Staat nicht mehr in der Lage war, den Kleingeldmangel zu beheben, halfen sich Städte und Gemeinden, später auch Banken, Verbände, Firmen und Geschäftsleute durch die Ausgabe eigener Notgeldscheine. 1916 und 1917 waren es nur wenige Ausgaben, doch ab 1918 wuchs die Zahl der Kleingeldscheine (Pfennig-Beträge) ständig. Die zunächst einfach ausgeführten Scheine wurden, als die Zahl der Sammler stieg, motivreicher und farbiger.
Literaturempfehlung:
Hans-Ludwig Grabowski
Deutsches Notgeld, Band 5+6:
Deutsche Kleingeldscheine:
Amtliche Verkehrsausgaben 1916–1922
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-924861-85-8
Auflage: 1. Auflage 2004
Format: 14,8 x 21 cm
Abb.: zahlreiche farbige Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 976 Preis: 59,80 Euro
Eisenach (Thüringen), Stadt: Serienschein zu 50 Pfennig von 1921, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Schließlich stellte man von gleichen Wertstufen mehrere Scheine mit verschiedenen Bildern her, und so entstand der Ausdruck "Serienscheine". Diese zum Teil nur noch für Sammler geschaffenen Scheine lassen sich nicht immer von den Verkehrsausgaben unterscheiden und gehören mit in die Epoche der Kleingeldscheine.
Marienburg (Westpreußen), Jungdeutscher Orden: Baustein über 1 Mark ohne Datum, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Hingewiesen sei auch auf Spendenscheine (Spendenquittungen), Scherz- und Reklamescheine, deren Ausführung den Kleingeldscheinen angepasst wurde, damit auch sie an Sammler verkauft werden konnten.
Unter den Kleingeldscheinen gibt es viele Kuriositäten.
Literaturempfehlung:
Hans-Ludwig Grabowski/Manfred Mehl
Deutsches Notgeld, Band 1+2:
Deutsche Serienscheine 1918–1922
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-518-3
Auflage: 3. völlig überarbeitete und neu bewertete Auflage 2009
Format: 14,8 x 21 cm
Abb.: zahlreiche farbige Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 960 Preis: 45,00 Euro
Großgeld 1918/19 und 1920/21
Erfurt (Provinz Sachsen), Stadt: Gutschein über 20 Mark vom 20. Oktober 1918, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Die Ausgabe dieser Scheine geschah auf ausdrücklichen Wunsch der Reichsbank, die nicht in der Lage war, bei Kriegsende, während der Revolution, dann 1919 während des Räteaufstands in Bayern, bei den Aufständen von 1920 in Rheinland-Westfalen und Mitteldeutschland und 1921 während des sog. "Insurgentenaufstands" in Oberschlesien Reichsbanknoten in genügender Menge herzustellen. Die Reichsbank zahlte sogar den Ausgabestellen die Hälfte der Druckkosten und den halben Fälschungsschaden. Die Wertstufen dieser meist gut, oft sogar hervorragend gedruckten Großgeldscheine lagen zwischen 1 und 100 Mark. Sie gehören auch heute noch zu den von Sammlern bevorzugten Stücken.
Braunschweig (Braunschweig), Herzogliche Leihhaushauptkasse: Notgeld über 100 Mark vom 1. November 1918 auf einer Sparkarte der Herzoglich Braunschweigischen Sparkasse, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Einige besonders interessante Ausgaben:
Düren und Düsseldorf: Druck auf Zins- und Anteilscheinen der Kriegsanleihe;
Bielefeld und Bremerhaven: Druck auf Scheckformularen der Sparkasse;
Braunschweigische Sparkasse: Druck auf Sparkarten.
Literaturempfehlung:
Anton Geiger
Deutsches Notgeld, Band 3:
Das deutsche Großnotgeld 1918–1921
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-533-6
Auflage: 3. Auflage 2010
Format: 14,8 x 21 cm
Abb.: zahlreiche Schwarz- Weiß-Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 608 Preis: 39,90 Euro
Inflationsgeld 1922 und Frühjahr 1923 (Vorinflation)
Königsberg i. Pr. (Ostpreußen), Stadt: Gutschein über 500 Mark vom 30. September 1922, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Als die Reichsbank wieder in der Lage war, ausreichend Reichsbanknoten herzustellen, wurde das als Notgeld ausgegebene Großgeld eingezogen. Durch die 1922 stärker einsetzende Inflation musste die Reichsbank jedoch die Notenmenge erheblich vermehren. Bei der Herstellung dieser Noten halfen ihr schon in dieser Zeit einige private Druckereien. Obwohl die Regierung jede neue Notgeldausgabe verboten hatte und das noch einmal durch ein Gesetz vom 17. Juli 1922 unterstrich, tauchten doch zum gleichen Zeitpunkt die ersten neuen Notgeldscheine auf. Schließlich sah man sich gezwungen, durch den Erlass vom 18. September 1922 das Notgeld wieder zuzulassen. Die Werte dieser Inflationsscheine lagen zwischen 50 und 1000 Mark. Anfang 1923 reichten sie bis 50.000 Mark. Unter den meist schmucklosen und bei den Sammlern nicht sehr beliebten Scheinen finden sich viele, die auf Scheckformulare gedruckt sind.
Literaturempfehlung:
Manfred Müller
Deutsches Notgeld, Band 4:
Die Notgeldscheine der deutschen Inflation von August 1922 bis Juni 1923
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-534-3
Auflage: 3. Auflage 2010
Format: 14,8 x 21 cm
Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 760 Preis: 39,90 Euro
Inflationsgeld 1923 (Hochinflation)
Apolda (Thüringen), Stadt: Notgeldschein über 50 Milliarden Mark vom 25. Oktober 1923 mit Lochentwertung, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.
Die in zunehmendem Tempo voranschreitende Inflation zwang die Reichsbank zu immer neuen Maßnahmen, um die benötigten gewaltigen Mengen an Banknoten herstellen zu können. Obwohl 133 private Druckereien bei der Herstellung von Reichsbanknoten mitwirkten und neben den Reichsbanknoten auch Scheine der Länder, der Reichsbahn und der Reichspost zirkulierten, reichte die Menge des umlaufenden Geldes nicht aus. In immer stärkerem Maße wurden Notgeldscheine von Regierungsbezirken, Kreisen, Städten, Gemeinden, Banken, Handelskammern und Firmen ausgegeben. Zunächst waren es Scheine in den Wertstufen zwischen 50.000 und 500.000 Mark, die aber bald von Millionen-, Milliarden und schließlich Billionen-Mark-Scheinen abgelöst wurden. Die bereits 1922 bekannt gewordenen Schecks tauchten auch jetzt wieder auf. Es gab solche Schecks, die von Banken auf sich selbst oder andere Banken ausgestellt wurden, oder aber Scheckformulare mit aufgedruckter Wertangabe und Firmenaufdruck, die die Banken ihren Kunden zur Verfügung stellten. Man schätzt die Zahl der verschiedenen Scheine dieser Notgeld-Epoche auf 70.000 bis 80.000. Auch jetzt noch werden von Sammlern immer wieder bislang unbekannte Ausgaben entdeckt. Obwohl die meisten Inflations-Notgeldscheine im Vergleich zu den Kleingeldscheinen motivarm sind, bevorzugen viele Sammler diese durch ihr größeres Format dem normalen Geld ähnlicheren Scheine.
Wertbeständiges Notgeld 1923/24
Baden, Landwirtschaftskammer Karlsruhe: Gutschein über 8,40 Mark Gold = 2 Dollar vom 19. November 1923, Vorder- und Rückseite, Sammlung Grabowski.
Man muss zwei verschiedene Ursachen für die Ausgabe dieses Geldes, also zwei Epochen unterscheiden. Die bereits vor der Stabilisierung der Währung erfolgte Ausgabe sollte als eine neue Art von Notgeld dem in der Bevölkerung stark gewachsenem Misstrauen gegenüber dem Papiergeld begegnen. Die Ausgabe nach Einführung der stabilen Rentenmark erfolgte, als noch nicht genügend Zahlungsmittel vorhanden waren.
Der überwiegende Teil des wertbeständigen Notgelds lautete auf Gold, Dollar oder beides. Besonders interessant sind jedoch die zahlreichen auf Sachwerte lautenden Scheine, wie auf Fett, Holz, Roggen, Leder, Weizen, Ziegelsteine, Zucker usw.
Es gibt wenig Sammler, die sich speziell mit dieser Notgeld-Epoche (etwa 3000 verschiedene Scheine) befassen. Meist werden die Scheine zusammen mit den Notgeldscheinen der anderen Epochen gesammelt.
Literaturempfehlung:
Manfred Müller
Deutsches Notgeld, Band 12:
Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924
Titel: Gietl Verlag
ISBN: 978-3-86646-519-0
Auflage: 1. Auflage 2011
Format: 14,8 x 21 cm
Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen
Cover-Typ: Broschur
Seitenanzahl: 608 Preis: 39,90 Euro
Notgeld 1945 und 1947/48
Reichsgau Kärnten, Notgeldschein über 50 Reichsmark vom 15. April 1945,
Vorder- und Rückseite, Sammlung Grabowski
Während des Zweiten Weltkriegs bestand in Deutschland ein grundsätzliches Notgeldverbot. Als jedoch gegen Ende des Kriegs in einigen Gebieten der Nachschub an Reichsbanknoten ausblieb, musste man sich selbst helfen. Von einigen Städten, Gemeinden, Kreisen usw. wurden im April/Mai 1945 Notgeldscheine in den Werten zwischen 1 und 50 Reichsmark hergestellt. Die etwa 120 verschiedenen Scheine kamen zum Teil nicht mehr in Umlauf und wurden nach dem Einmarsch der alliierten Truppen verboten. In Schleswig-Holstein galten vorübergehend Reichskreditkassenscheine mit dem Stempel einer Reichsbankfiliale als Notgeld. Hinzu kamen vorübergehende Notausgaben der Reichsbankstellen Graz, Linz und Salzburg, des Reichsgaus Kärnten, der Sächsischen Staatsbank und der Reichsverteidigungsbezirke Sudetenland und Niederschlesien.
1945 führte Österreich wieder die Schilling-Währung ein, wobei die deutschen Scheidemünzen zunächst Zahlungsmittel blieben. Das bedeutete für die Pfennig-Münzen, die dort ihren Nennwert in Groschen behielten, eine Aufwertung, so dass die Münzen von Deutschland nach Österreich abwanderten. Der Mangel an Kleingeld führte deshalb in Deutschland ab 1947 zur Ausgabe von Notgeld. Diese meist schmucklosen Scheine (es gab mehr als 1000 verschiedene) waren zwar verboten, wurden aber von den Besatzungsmächten geduldet. Dagegen sind die in der französischen Zone von den Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern ausgegebenen Pfennig-Scheine geschmackvoll ausgeführt.
Nach der Währungsreform in den Westzonen und Westberlin galten diese Scheine vorübergehend zu einem Zehntel ihres Nennwerts in DM weiter.
Auch unter den Notgeldscheinen von 1947/48 gibt es einige Kuriositäten, z.B. Scheine, die auf Fahrkarten, Streichholzschachteln, Spielkarten, Prospekten, Formularen u.a. gedruckt wurden.
Literaturempfehlung:
Hans-Ludwig Grabowski
Die deutschen Banknoten ab 1871 Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine
Titel: Battenberg Verlag
ISBN: 978-3-86646-183-3
Auflage: 22. Auflage 2020
Format: 14,8 x 21 cm
Abbildungen: durchgehend farbig
Cover-Typ: Hardcover
Seitenanzahl: 928
Preis: 39,90 Euro
Unter den wenigen am Ende der "Weimarer Republik" und am Beginn des "Dritten Reichs" (1930 bis 1933) ausgegebenen "Notgeldscheinen" ist das Schwundgeld das interessanteste.
Heute ist der Aufbau einer Gesamtsammlung von deutschem Notgeld wegen des gewaltigen Umfangs dieses Spezialgebiets kaum noch möglich. Die meisten Sammler beschränken sich daher auf bestimmte Notgeld-Epochen oder auf die Scheine bestimmter Regionen. Gerade solche Spezialsammler, die sich auf relativ wenige Scheine konzentrieren können, bietet sich immer wieder die Gelegenheit zum Forschen und Entdecken von neuen Varianten, ja sogar von bisher unbekannten Ausgaben.
Sehr beliebt ist das deutsche Notgeld auch bei Motivsammlern. Viele dieser Scheine (vor allem der Serienscheine) zeigen, neben lokalen Sehenswürdigkeiten und Errungenschaften in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, historische Ereignisse, berühmte Persönlichkeiten, Märchen, Sagen und Volksbräuche und fordern vom Betrachter geschichtliche, aber auch kunst- und literaturgeschichtliche Kenntnisse, so dass sie sich gut als Vorlage für den eigenen "Nachhilfeunterricht" eignen. Sie sind damit nicht nur Zeugnisse der Geld-, sondern auch der Kulturgeschichte Deutschlands.
Einige Druckereien gaben den von ihnen gedruckten Notgeldscheinen eine eigene Note, so dass sie von Sammlern leicht zu erkennen sind. Dazu gehören die Erzeugnisse der Firmen:
DuMont Schauberg, M., Köln;
Himmer, J. P., Augsburg;
Parcus, Gebr., München;
Giesecke & Devrient, Leipzig;
Flemming und Wiskott, Glogau;
Schleicher & Schüll, Düren;
Schwarz, Lindenberg u.a.
Oft war es der gleiche Künstler, der die Entwürfe der Notgeldscheine machte, wie z.B. der Maler und Bildhauer Ernst Schiestl für die Druckerei Schwarz in Lindenberg im Allgäu.
Albert Pick / Hans-Ludwig Grabowski (Überarbeitung und Bebilderung)
Comments