Mit einer steigenden Zahl von Papiergeldsammlern stiegen auch deren Ansprüche, vor allem was die Erhaltung der Scheine angeht. Es gibt immer Sammler, die lieber auf einen Schein verzichten, als ihn in schlechter Erhaltung in die Sammlung zu nehmen, da sie befürchten, dieser Schein würde die Beurteilung eines Betrachters ihrer Sammlung negativ beeinflussen. Sammler, die nicht so konsequent handeln, werden im Laufe ihrer Sammeltätigkeit immer wieder vor die Frage gestellt, ob sie einen Schein in minderer Qualität nehmen oder auf einen besseren warten sollen. Entscheidet man sich zum Warten, so kann es passieren, dass der Schein nie wieder angeboten wird oder aber in einer noch schlechteren Erhaltung und eventuell zu einem höheren Preis. Umgekehrt kann aber der direkte Kauf auch voreilig sein. Wenig später wird unter Umständen der gleiche Schein in besserer Erhaltung und dazu noch preiswerter angeboten. Doch ist dieser Schaden wieder gut zu machen, da durch einen zweiten Kauf der erste Schein als Dublette zu verwenden ist. Die Kenntnisse und Erfahrungen eines Sammlers spielen bei solchen Entscheidungen eine wichtige Rolle, doch oft reichen auch die nicht aus, um im richtigen Moment richtig zu handeln.
Die Qualitätsansprüche, die ein normaler Sammler an die Geldscheine stellt, sind bescheidener als etwa die eines Briefmarkensammlers. Die Briefmarke wird entweder "ungebraucht" (postfrisch) für die Sammlung gekauft oder vom Sammler nach der einmaligen postalischen Nutzung als gestempeltes Stück erworben. Das Papiergeld ist für die Zirkulation, also für die ständige Benutzung bis zum Verschleiß , bestimmt. Alte Scheine sind daher fast immer in einem gebrauchten Zustand, es sei denn, sie wurden aus irgendeinem Grunde nicht ausgegeben oder waren nur kurze Zeit gültig (Inflation). Der Sammler hat natürlich die Möglichkeit, kursierende Scheine ungebraucht, also "kassenfrisch" zu erwerben, doch ist auch das bei ausländischen Scheinen nicht immer möglich. Die Qualität gebrauchter Scheine lässt sich mit etwas Geschick und Übung durch den Sammler aufbessern (Reinigen von Geldscheinen).
Der Erhaltungsgrad eines Scheins spielt für seinen Preis oder Tauschwert eine wesentliche Rolle. Da bei der Angabe dieses Erhaltungsgrads nicht immer alle Gebrauchsspuren und Beschädigungen genannt werden können, bedient man sich bestimmter Formulierungen.
kassenfrisch (I, uncirculated): ohne jegliche Gebrauchsspuren, also auch ohne Schmutzflecken und Knickfalten;
außergewöhnlich gut (II, leicht gebraucht, extremely fine): fast ohne Gebrauchsspuren, leichte Knickem Nadelstiche oder winzige Schmutzflecke möglich;
sehr fein (III, gebraucht, very fine): unbeschädigt, doch stärkere Gebrauchsspuren, wie mehrfache oder stärkere Knickstellen, gut feststellbare Schmutzflecken;
sehr gut (IV, stärker gebraucht, very good): beschädigt durch kleine Einrisse oder unwesentliche fehlende Randstückchen des Papiers, insgesamt stärkere Gebrauchsspuren;
gut (V, stark gebraucht, good): stark beschädigt durch größere Einrisse, größere fehlende Stücke oder durch Lochung, sehr starke Verschmutzung etwa durch Tinte oder fett, Papiervergilbung möglich, eventuell repariert, jedoch sammelwürdig;
schlecht (VI, poor): Sammelwürdigkeit fraglich, wesentliche Stücke können fehlen, Verschmutzungen beeinträchtigen das Druckbild erheblich, eventuell auch stark repariert, nur wirklich seltene Scheine werden in dieser Erhaltung noch gehandelt.
Diese Bezeichnung der Erhaltungsgrade hat sich in Deutschland noch nicht vollständig durchgesetzt. Die meisten Händler haben über lange Zeit daher die Erhaltungsgrade mit römischen Ziffern (I, II, III, IV, V) oder in % angegeben (100% = kassenfrisch) angegeben.
Die genaue Festlegung des Erhaltungsgrads wird auch bei Einführung einer einheitlichen Skala eine Auffassungssache bleiben, ganz besonders beim Papiergeld, da zu viele Faktoren die Erhaltung eines Scheines beeinträchtigen können, wie Verschmutzung, verschiedenartige Flecken (Tinte, Fett, Farbe, Stockflecken usw.), Knicke (leichte, stärker eingedrückte), über kleine Ecken oder über den ganzen Schein verlaufend), Einrisse, Nadel- oder Heftklammerstiche, Perforation, Lochung, fehlende Stücke, verdünntes Papier, Verfärbungen, Vergilben des Papiers usw. Diese meist zusammen, jedoch oft in unterschiedlicher Stärke oder Größe auftretenden Verschmutzungen und Beschädigungen ergeben dann ein Gesamtbild, das zur Einstufung führt. Wie schwer eine solche Einstufung ist, sei an folgendem Beispiel erläutert: Auf einem insgesamt kassenfrisch wirkenden Schein ist ein größerer Tintenstrich. Hier hilft keine Einstufung, sondern nur eine genaue Beschreibung.
Man verlasse sich grundsätzlich nicht zu sehr auf die Angabe der Erhaltung durch den Händler oder Tauschpartner, sondern lasse sich den Schein im Zweifelsfall vorlegen oder die Verschmutzungen oder Beschädigungen genauer beschreiben. Unterschiedliche Auffassungen entstehen nicht nur, wenn der andere einen zu großzügigen Maßstab anlegt, sondern auch wenn man selbst zu kleinlich ist.
Ergänzend muss man auf die modernen Grading-Dienste hinweisen, die sowohl die Echtheit von Geldscheinen feststellen als auch eine Einstufung des Erhaltungsgrads vornehmen und die Stücke versiegeln. Dabei wird eine Skala von 1 bis 70 genutzt, da die Anforderungen an die genaue Bestimmung von Erhaltungen in den letzten Jahren deutlich gewachsen sind, seit historische Geldscheine nicht nur für Sammler, sondern auch für Geldanleger von hohem Interesse sind.
Hier geht es zur Bewertungs-Skala des bedeutenden Grading-Anbieters Paper Money Guaranty (PMG).
Beispiele für verschiedene Erhaltungsgrade
Genutzt werden die mittlerweile im Handel gebräuchlichen Erhaltungsgrade mit ergänzenden Hinweisen.
Abb. 1: Erhaltungsgrad I, kassenfrisch, unzirkuliert, uncirculated, UNC.
Ohne jegliche Gebrauchsspuren, sauberes Papier, keine Knicke, Falten, Nadelstiche oder Einrisse.
Abb. 2: Zwischenerhaltungsgrad I-, fast kassenfrisch, about uncirculated, AU.
Fast keine Gebrauchsspuren, sauberes Papier, leichte Knicke aber keine Falten.
Abb. 3: Erhaltung II, leicht gebraucht, extremely fine, EF oder XF.
Leichte Verschmutzung, eine kleine senkrechte oder waagerechte Knickfalte.
Abb. 4: Erhaltung III, gebraucht, very fine, VF.
Gebrauchsspuren, Verschmutzungen, senkrechte und waagerechte Knickfalten,
leichte Zerknitterung.
Abb. 5: Erhaltung IV, stärker gebraucht, very good, VG.
Deutliche Gebrauchsspuren, starke Zerknitterung, Knickfalten, Verschmutzung,
Einrisse, Nadelstiche und kleine Löcher.
Abb. 6: Erhaltung V, stark gebraucht, good, G.
Starke Gebrauchsspuren, starke Zerknitterung, Einrisse und fehlende Ecken.
Albert Pick / Hans-Ludwig Grabowski (Überarbeitung und Bebilderung)
Abb. Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Sammlung Grabowski.
Nach meiner Feststellung hat sich die Beurteilung der Qualität von Scheinen durch das Grading-(Un)wesen stark verändert: Was früher XF war, also z. B. ein deutlicher Mittelknick, ist gegradet oft AUNC.
Noch suspekter wird es oftmals bei den von PMG als VF gegradeten Scheinen (PMG 20!). Nach der konventionellen Bewertung würden diese Geldscheine höchstens ein F- bzw. aF erhalten.
Über diese "Beurteilungsverschiebung" habe ich leider noch nie etwas gelesen. Ich führe das darauf zurück, dass sich die Fachleute nicht trauen, weil die Gradingfirmen großen Einfluss haben.