Deutsch-Südwest-Afrikanisches Notgeld auf historischen Postkarten
Anders als von der deutschen Kriegsführung erhofft, blieb der im August 1914 ausbrechende Krieg nicht auf Europa beschränkt. Bereits am 5. August ordnete Großbritannien Angriffe auf die deutschen Kolonien an. Der Kaiserliche Gouverneur von Deutsch-Südwest-Afrika (DSW) erklärte am 7. August die allgemeine Mobilmachung. Die aktive Schutztruppe wuchs durch Reservisten und Freiwillige auf die fast doppelte Stärke – rund 5000 Mann.
Gouverneur Dr. Theodor Seitz rechnete damit, dass in Deutsch Südwest – wie auch anderswo in Kriegszeiten – von der Bevölkerung Silber- und Goldmünzen gehortet würden. Er ließ daher Kassenscheine zu 5, 10, 20, 50 und 100 Mark drucken und in Umlauf setzen. Datiert sind sie auf den 8. August 1914, dem ersten Mobilmachungstag. Sie waren bei der Gouvernements-Hauptkasse in Windhuk bis spätestens drei Monate nach Aufhebung des Kriegszustandes einzulösen. Nach der faksimilierten Unterschrift des Gouverneurs wurden sie "Seitz-Noten" genannt. Das verwendete dünne, weiße Papier zeigt teilweise Spuren eines Fabrik-Wasserzeichens (ROYAL LINEN BOND) und eine feine Leinenpressung. Jeder Schein trägt auf der unbedruckten Rückseite den Abdruck eines runden Trockenstempels mit 84 mm Durchmesser. Er zeigt den Reichsadler ohne Umschrift. Es stellte sich schon bald heraus, dass das Papier für den Umlauf als Zahlungsmittel eigentlich völlig ungeeignet war.
Abb. 1: DSW-1 a), Kassenschein, 8. August 1914, 5 Mark, Vorderseite[1]
Abb. 2: DSW-4 b), Kassenschein, 8. August 1914, 50 Mark, Vorderseite.
Dem Kommandanten der Schutztruppe, Oberstleutnant Joachim von Heydebreck, war bewusst, dass besonders der Süden der Kolonie bedroht war. Der Angriff der Soldaten der Südafrikanischen Union konnte im September zunächst abgewehrt werden. Es gelang ihr sogar im Handstreich die kleine, südafrikanische Walfischbuch zu erobern und bis zum Dezember zu halten. Meinhardt bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Kassenscheine auch hier gültig waren, dem einzigen Fall, dass deutsches Kolonialnotgeld in einer feindlichen Kolonie gesetzliches Zahlungsmittel war.[2]
Die deutsche Schutztruppe, die sich vornehmlich auf Pferden, Kamelen und mit Esel-Karren fortbewegte, zog sich – unterbrochen von gelegentlichen Gefechten und Scharmützeln – immer weiter nach Norden zurück, verfolgt von 50.000 Soldaten der gut ausgerüsteten südafrikanischen Armee. Am 14. Mai 1915 besetzten die Südafrikaner Windhuk, das von
Dr. Seitz kurz zuvor verlassen worden war. Aufgrund der vollkommen aussichtslosen Kriegslage kapitulierten am 9. Juli 1915 bei Otavi Gouverneur Seitz und Oberstleutnant Viktor Franke, der Nachfolger des im November 1914 verstorbenen Heydebrecks. Die Reservisten durften zu ihren Farmen zurückkehren und erhielten auch eine letzte Löhnung, die aus allerlei Notgeld bestand, das als Ersatz für die aus dem Zahlungsverkehr verschwundenen Silbermünzen von verschiedene Unternehmen 1914/15 als Notzahlungsmittel in Elisabethbucht, Gibeon, Khan, Karibib, Lüderitzbucht, Okahandja, Pomonahügel, Swakopmund, Tsumeb und Windhuk ausgegeben wurden. Bei dem Notgeld handelt es sich um Wertzeichen zu 50 Pfennig, einer und zwei Mark, um unscheinbare, sehr einfach gestaltete, kleine Papier-Scheinchen, meist ohne Angabe eines Ausgabeortes oder -datums.
Auch nach der Besetzung des Landes durch Truppen der südafrikanischen Union blieben die deutschen Münzen im Umlauf – 1 Mark = 1 Shilling – wohingegen die Reichsbanknoten nur zu 75 % des Wertes und das Seitz-Geld überhaupt nicht angenommen wurde. Die deutsche Bevölkerung bediente sich aber auch weiterhin der Seitz-Noten und Gutscheinen aller Art bei Zahlungen.[3]
Vor einiger Zeit konnte ich zwei historische Postkarten erwerben, die genau solche Scheine aus Windhuk abbilden. Auf ihrer Rückseite wird „R. Wywias, Windhuk, D.S.W, Tel. 132. Nachdruck verboten“ genannt. Robert Wywias kam im März 1896 mit dem Dampfer „Gertrud Woermann“ in Südwestafrika an und ging nach Windhuk. Hier war er als selbstständiger Fotograf tätig. In der Kaiserstraße 59 betrieb er ein Fotostudio, verkaufte Fotozubehör und unterhielt ein Fotolabor, das auch Amateure benutzen konnten. Nach dem verlorenen Krieg verließ er mit seiner Frau 1919 das Land.[4]
Abb. 3: Postkarte mit Notgeld-Abbildungen der Firma R. Wywias, Windhuk.
Abb. 4: Postkarte mit Notgeld-Abbildungen der Firma R. Wywias, Windhuk.
Die erste Karte zeigt in Form einer Collage Fotografien verschiedener Notgeldscheine mit dem zusätzlichen handschriftlichen Text: „Ersatz für Silbergeld im Kriegsjahr 1914/15 in Windhuk“. Im Einzelnen werden abgebildet:
Deutsche Farmgesellschaft AG., 2,00 Mark
Einkaufs- und Verkaufsgenossenschaft e.G.m.b.H., 50 Pfg.
Held & Straube, 1,00 Mark
H. Liwinowski, Spezialgeschäft für Damen und Herren-Mode, 0,50 Mark
Hotel Kaiserkrone, Münze, 100
Hotel „Thüringer Hof“, (P. Boeck), 1 Mark
Hotel Victoria (F. Gramowski), 1,00 Mark
Hotel Zur roten Erde (Gebr. Hülsmann), 0,50 Mark
J. G. Erhard Nachf., Herren-Moden, 1,00 Mark
Milchzentrale, 1,00 Mark
R. Rabald [Schumacher], 0,50 Mark
Rudolf Schuster, 2 M
Spießer & Silla, Bäckerei und Conditorei, 50 Pfg.
Wecke & Voigts, 0,50 Mark
Auch die zweite Postkarte bildet Notgeld aus Windhuk ab. Im Einzelnen:
Auto-Droschken-Verkehr Barthel, 1,00 Mark
Cape Town Silver Grill Café, 0,50 Mark
Heinr. Elias, 50 Pfennig
H. Gunkel, Kl.-Windhuk, 0,50 Mark
Hotel H. Röhlig, 2,00 Mark
Hotel Kaiserkrone, Münze, 100
J. Chiat [Hotel], 0,50 Mark
Josef Schneeweis, Schlachterei, eine Mark
Kazmaier & Wintterlin, 1,00 Mark
M. Sänger, Schneidermstr., 1,00 Mark
Restaurant „Ludwigslust", 0,50 M
Sonja Scholz, 0,50 M
Swakopmunder Buchhandlung G.m.b.H., Zweigniederlassung Windhuk, 0,50 Mark
„Die privaten Gutscheine aus der Besatzungszeit gehören durchweg zu den seltensten Geldzeichen in deutscher Währung. Nur wenige Scheine sind erhalten geblieben.“[5]
Sie sind extrem selten und werden praktisch im Handel nicht angeboten, sodass man sich als Sammler glücklich schätzen darf, wenn man einmal eine der abgebildeten Postkarten erwerben kann.
Durch die Vielzahl der privaten Gutscheine entstand letztendlich eine derartige Verwirrung, dass die Handelskammer in Windhuk mit Genehmigung der südafrikanischen Besatzungsmacht im April 1916 die Swakopmunder Buchhandlung damit beauftragte, ein einheitliches Notgeld herzustellen. Mit Bekanntmachung vom 10. August wurden einheitliche Scheine über 10, 25 und 50 Pfennig sowie 1, 2 und 3 Mark ausgegeben. Der gesamte Umlaufbetrag dürfte bei ca. 60.000 Mark gelegen haben.
Abb. 5: DSW-13, Swakopmunder Buchhandlung Ges.m.b.H. o. D., 1 Mark.
Abb. 6: DSW-15, Swakopmunder Buchhandlung Ges.m.b.H. o. D., 1 Mark.
Nachdem immer mehr südafrikanische Zahlungsmittel ins Land flossen, begann 1918 das Notgeld aus dem Verkehr zu verschwinden. Vom ersten Februar 1919 an war dann das Geld der südafrikanischen Union das einzige gültige Zahlungsmittel der ehemaligen deutschen Kolonie und die deutsche Abwicklungsstelle löste in den nächsten Wochen das Seitz-Geld ein.[6]
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Katalog-Nummern nach Hans-Ludwig Grabowski, Die deutschen Banknoten ab 1871, 22. überarbeitete und erweitere Auflage, Regenstauf 2020, S.508 ff.
[2] Günther Meinhardt, Die Geldgeschichte der ehemaligen deutschen Schutzgebiete, Heft 4: Deutsch-Südwest-Afrika, Rundschau der Geldzeichensammler, Dortmund 1955, S. 22.
[3] Ebenda, S. 24 f.
[4] Vgl. Festtagsgrüße aus Deutsch-Südwestafrika. <https://www.namibiana.de/namibia-information/literaturauszuege/titel/festtagsgruesse-aus-deutsch-suedwestafrika-peter-spaetling-9783869121741-978-3-86912-174-1.html> (27.12.2022)
[5] Jörg Zborowska, Das Papiergeld von Deutsch-Südwestafrika, Handbuch und Katalog der Geldzeichen aus deutscher Zeit 1884 – 1918, Edition Münzen & Sammeln, Regenstauf 2015,
S. 30.
[6] Nach Zborowska wurden die südafrikanischen Zahlungsmittel bereits am 1. Januar 1919 zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt.
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