Zur Ikonographie des 50-Millionen-Mark-Scheines der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen vom August 1923.
„Anno 1923“ steht auf dem gewundenen Band in der Mitte des Fünfzig-Millionen-Mark-Scheins, der von der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen für den „inneren Verkehr“ ausgegeben wurde. Er datiert vom 15.8.1923. Der einseitige schwarze Druck erfolgte auf weißem Büttenpapier ohne Wasserzeichen. Durch den breiten Schaurand an der linken Seite, ist der Schein 186 mm x 80 mm groß. Links und rechts die gekreuzten Schwerter, das Markenzeichen der Manufaktur. Eine handschriftliche Nummerierung und Unterschrift vervollständigen den Schein. Leider ist nicht bekannt, welche Druckerei diesen druckte.
Abb. 1: Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen, 15.8.1923, 50 Millionen Mark, Vorderseite.
Abb. 2: Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen, 15.8.1923, 50 Millionen Mark, Rückseite.
Die Unterschrift für die Direktion leistete Max Adolf Pfeiffer [* 22. Juni 1875 in Berlin; † 14. Januar 1957 im Haus Falkenheim in Tutzing]. Von 1913 bis 1933 war er kaufmännischer Direktor der Manufaktur. Sein beruflicher Werdegang begann mit einem Maschinenbau- und Chemiestudium an der Technischen Hochschule Darmstadt und Braunschweig, das er 1899 abschloss. Sein 1. Staatsexamen ließ er in den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs umwandeln, als dieser 1900 neu eingeführt wurde. Nach verschiedenen Stationen als Hochschul-Assistent, Dozent, Konstrukteur und Direktor der Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst in Unterweißbach (Thüringen) wurde er am 1. April 1913 kaufmännischer Direktor der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen. Unter seiner Leitung erlebte die Manufaktur in den 1920er Jahren eine besondere künstlerische Blüte. Sein Kunstverständnis passte nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten. So wurde er nach der Machtübernahme am 20. Mai 1933 von seinem Amt beurlaubt und am 31. März 1934 endgültig entlassen.
Es gibt sicherlich nur wenige Geldscheine, deren Bildersprache so vielschichtig ist, wie die des 50-Millionen-Mark-Scheins der Staatlichen Porzellanmanufaktur. Der Entwurf dazu stammt von Emil Paul Börner [* 12. Februar 1888 in Meißen; † 7. November 1970 ebenda], wie die Signatur „EPB“ belegt. Sicherlich unterstützt vom Hobby-Numismatiker Generaldirektor Pfeiffer, begann er sich 1920 mit Kleinreliefs in Form von Notmünzen zu beschäftigen.
Börner gestaltete hunderte Münzen, Medaillen und Plaketten aus Porzellan und etablierte binnen kurzer Zeit eine eigene, neue Betriebsabteilung innerhalb der Manufaktur. Seine Entwürfe spiegeln seine ausgeprägt nationalistische Überzeugung wider.[1] Mit Vorliebe verwendete er hierbei patriotische Symbole, wie beim 50-Millionen-Mark-Schein: Ein auf dem Rücken liegender Adler wird von zwei Raben attackiert, während ein majestätisch liegender Löwe und ein stolz daher schreitender Hahn das Bild vervollständigen.
Viele Bürger werden damals das gleiche empfunden haben wie Börner. Besonders schmachvoll empfanden sie Artikel 231 des Versailler Vertrags, nach dem dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten die Alleinschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs auferlegt wurde. Deutschland, symbolisiert durch den Adler, liegt militärisch, wirtschaftlich und politisch am Boden, ohnmächtig sich gegen seine Feinde zur Wehr setzen zu können, denn der Friedensvertrag gestand dem Reich nur eine Berufsarmee von 100.000 Mann zu, kaum groß genug, um die Grenzen sichern zu können. Der Besitz schwerer Waffen, von Flugzeugen und größeren Schiffen war verboten. Schwer wog der territoriale Verlust: 13 Prozent des Reichsgebiets (u. a. Elsass-Lothringen, Posen und Westpreußen, Nordschleswig und Teile Oberschlesiens) mit 10 Prozent seiner Bevölkerung bedeuten das Sinken der Eisenerzproduktion um rund die Hälfte, der Steinkohleförderung um ein Viertel, der Kartoffelernte um 17, der Weizenernte um 13 Prozent und dies bei den enormen Reparationsforderungen, die auch zu großen Teilen durch Sachleistungen zu begleichen waren. Seit dem Waffenstillstand im Wald von Compiègne im November 1918 war das Rheinland von französischen, belgischen, britischen und US-amerikanischen Truppen besetzt. Und am 11. Januar 1923 besetzten Frankreich und Belgien das wirtschaftliche Herz des Reiches, das Ruhrgebiet. Als Vorwand hierfür diente ihnen die Feststellung der alliierten Reparationskommission, das Deutschland mit der der Kohlenlieferung im Rückstand sei.[2]
Ein parteiübergreifender Sturm der Entrüstung ergriff die deutsche Bevölkerung. Die Regierung unter Wilhelm Cuno forderte die Bevölkerung zum passiven Widerstand auf und verbot ihren Beamten, Befehle der Besatzungsmächte zu befolgen. Arbeiter und Eisenbahner weigerten sich, für die Besatzer zu arbeiten. Diese verhängten den Ausnahmezustand und reagierten mit Terror gegenüber der Bevölkerung, mit abendlichen und nächtlichen Ausgangssperren, Ausweisungen, Verhaftungen, Gerichtsverfahren mit harten Urteilen, bis hin zur Todesstrafe, sowie Plünderungen, Erhebung von Kontributionen und Requirierungen aller Art, wovon auch die Reichsbank nicht ausgenommen war.
Die wirtschaftliche Absperrung des Ruhrgebiets und die Produktionsausfälle ruinierten die deutsche Wirtschaft vollends.[3] Die Kosten des passiven Widerstands überstiegen die Reichsfinanzen bei weitem, die Inflation und die mangelhafte Ernährungslage nahmen erschreckende Ausmaße an. War es der Reichsbank am Anfang gelungen, durch Stützungskäufe die Mark stabil zu halten, so brachen im Juli alle Dämme. Im August lag der Kurs des Dollars bei fast 4 Millionen Mark und er sollte bis zum Jahresende auf 4,2 Billionen Mark steigen. Angesichts dieser Entwicklung gab die Reichsregierung unter dem neuen Reichskanzler Gustav Stresemann den passiven Widerstand im September auf.
Die Feinde des Reichs, verkörpert durch die zwei Raben, die auf den Adler einhacken, sind nur vordergründig die Sieger des Krieges, die ein Stück aus dem Körper des Adlers reißen. Die Existenz der Republik war seit Beginn auch von Feinden im Inneren bedroht. Spartakus-Aufstand und Kapp-Putsch waren 1923 sicherlich noch nicht vergessen. Nahm die Darstellung nicht die politische Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte voraus? Im Rheinland unterstützen Franzosen und Belgier separatistische Bünde, die die Bildung eines Rheinstaates forderten.
In verschiedenen Städten des Rheinlandes kam es zur Ausrufung der Rheinischen Republik. In Hamburg probten im Oktober Kommunisten den Aufstand und in Bayern unternahmen im November konservative und nationalsozialistische Kreise mit Hindenburg und Hitler an der Spitze und dem Marsch auf die Feldherrnhalle einen Putschversuch. Wie instabil die politischen Verhältnisse waren, wird durch die Tatsache sichtbar, dass drei Reichsregierungen im Jahr 1923 ihr Glück versuchten. Und dann waren da noch die Spekulanten und Schieber, die ohne Rücksicht auf die verarmte Bevölkerung riesige Vermögen zusammenrafften.
Gegensätzlicher zum Adler könnten die beiden anderen Protagonisten auf dem Schein nicht dargestellt sein. Der majestätisch ruhende Löwe blickt müde und gelangweilt vom Adler weg, als ginge ihn das Gemetzel in seinem Rücken nichts an. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Briten die Ruhrbesetzung eigentlich ablehnten. Der gallische Hahn steht stolz über allem. Auch die Franzosen verloren ihr Interesse an Deutschland, das sie wie die Briten mehr oder weniger ihrem Schicksal überließen.
Uwe Bronnert
Anmerkungen [1] Vgl. Christian Lechelt, Manufaktur und Manufakturkünstler. Über das porzellankünstlerische Schaffen von Paul Emil Börner (1888 – 1970), Diss. Hamburg 2012, S. 49.
[2] Bereits am 10. Januar 1923 besetzten litauische Truppen das unter alliierter Verwaltung stehende ostpreußische Memelgebiet. Nur einen Monat später (16. Februar) stimmte die Botschafterkonferenz der alliierten Staaten der Übernahme durch Litauen zu.
[3] Die Besatzer verlegten die westliche deutsche Zollgrenze am 13. Februar 1923 an die östliche Grenze des Ruhrgebiets.
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