Da originale Scheine von Konzentrationslagern und Gettos heute meist sehr selten sind und die Nachfrage nicht nur bei Geldscheinsammlern, sondern auch bei Sammlern von Judaica und Zeugnissen des Holocausts sehr groß ist, werden leider auch immer wieder Fälschungen, Manipulationen und Fantasiedrucke angeboten, vor denen gewarnt werden soll. Für den Vertrieb werden besonders Internetauktionen genutzt, die oft auch von unerfahrenen Sammlern besucht werden.
Begriffsbestimmungen
Von Fälschungen spricht man, wenn echte Geldscheine möglichst detailgetreu nachgeahmt werden. Bei herkömmlichen Banknoten, die schon in der Zeit des deutschen Kaiserreichs über aufwendige Sicherheitsmerkmale verfügt haben, ist das in der Regel ein schwieriges Unterfangen. Außerdem kommen viele historische Banknoten heute noch recht häufig vor, weshalb sich Fälschungen zu diesen kaum lohnen und eher selten sind, es sei denn, es handelt sich um zeitgenössische Nachahmungen.
Da die Prämienscheine für die Konzentrationslager meist sehr einfach ausgeführt und dazu noch selten sind, wurden sie leider zu einem beliebten Objekt für Fälscher. Fälschungen sind z.B. von den Dachauer Prämienscheinen bekannt, die auch als Vorlage für Fantasiedrucke anderer Lager, wie Treblinka und Auschwitz, dienten.
Von Manipulationen spricht man, wenn echte historische Geldscheine, z.B. mittels Überdruck, Perforationen oder Stempeln, so verändert werden, dass deren Wert für Sammler erheblich steigt. Derartige Manipulationen sind von den 50-Pfennig-Quittungen aus Litzmannstadt bekannt, die man mit unterschiedlichen Teilbeträgen abstempelte, um so neue „Notausgaben“ zu kreieren. Bei Manipulationen werden zum Teil echte, aber auch falsche Stempel verwendet. In Zeiten digitaler Bildbearbeitung und computergesteuerter Stempelfertigung sind falsche Stempel und Fantasiestempel kein Problem mehr.
Bei Fantasiescheinen wird nicht versucht, etwas Echtes nachzuahmen oder zu manipulieren, es werden ganz einfach einzelne Ausgaben oder sogar ganze Ausgabeserien frei erfunden und angelehnt an historische Vorbilder neu gestaltet.
Abgesehen von den Ausgaben des Warschauer Gettos, die zumindest umstritten sind, trifft dies sicher auf die primitiv gestempelten Gutscheine der Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke in Diedenhofen/Westmark zu, die schon seit Jahrzehnten als „KZ-Geld“ (Außenlager von Natzweiler) gesammelt und gehandelt werden und durch so manche Katalogliteratur geistern. Auch SS-Prämienscheine wurden frei erfunden.
In der folgenden Übersicht sollen bekannt gewordene Fälschungen, Manipulationen und Fantasiedrucke vorgestellt und beschrieben werden, um Sammler und den Handel zu sensibilisieren und aufzuklären. Dabei kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.
Auschwitz
Als Vorlage für die Fantasiescheine von Auschwitz dienten Dachauer Prämienscheine.
Abgebildet sind Fantasiescheine über 1 Reichsmark von 1943 bzw. 1944.
Die auf dünnem, sämischem Papier ohne Wasserzeichen gedruckten Scheine offenbaren sich bei näherer Betrachtung gleich mehrfach als moderne Fantasieprodukte zum Schaden der Sammler.
Nachstehend sollen einige wichtige Erkennungsmerkmale genannt werden:
Gestaltung und Text übernahm man vollständig von den Prämienscheinen des KL Dachau. Sogar der Druckvermerk „N 1285/VI. 100/X. 44“ ist identisch (N 1285 stand für Dachau) und hat nichts mit Auschwitz zu tun.
Der Druckvermerk enthält die Angabe „X. 44“, deren Bedeutung den Fälschern nicht bekannt war. Scheine, deren Druck erst im Oktober 1944 genehmigt worden wäre, könnten keinen Datum-Stpl. von 1943 tragen.
Das Papier stammt aus der Nachkriegszeit.
Die Scheine tragen keinen Dienst-Stpl., dafür aber – völlig fehl am Platz – das von Dachau übernommene Lagermotto „Arbeit macht frei“.
Im KL Auschwitz hat man keinen Registratur-Stpl. als Nummerator verwendet.
Originalscheine von Auschwitz trugen keinen Verfallszeitraum. Dieser würde nur dann Sinn machen, wenn das genaue Datum der Übergabe an den Prämienempfänger auf dem Schein vermerkt wäre. Hier wurde aber nur eine Jahreszahl gestempelt.
Die Häftlingsnummer wurde in Auschwitz offiziell auf den Scheinen nicht angegeben, da diese nicht personengebunden sein sollten.
Dachau
Die Dachauer Prämienscheine wurden von modernen Fälschern nicht nur nachgeahmt, sie dienten auch als „Vorbild“ für Fantasieausgaben anderer Lager, wie Auschwitz, Sachsenhausen und sogar Treblinka, das überhaupt keine Prämienscheine hatte.
Da man Gestaltung und Text bis auf den Lagernamen vollständig von den Dachauer Scheinen übernahm, tragen die Fantasiescheine der anderen Lager auch den Dachauer Druckvermerk „N 1285/IV. 50/X. 44“ und sind daran leicht als Falsifikate zu erkennen.
Hergestellt wurden sie vor etwa 25 Jahren in Kreisen von Militaria-Sammlern, die übrigens immer nur Werte zu 1 RM fälschten. Diese hatten mit dem Nachlass eines ehemaligen SS-Wachmanns aus Dachau auch einige Prämienscheine erworben und zu ihrem Erstaunen unerwartet teuer verkaufen können. Da sich ein Drucker in ihren Reihen befand, war die Idee der Nachahmung der primitiven Scheine schnell realisiert.
Aus dieser „Werkstatt“ stammen dann auch die Fantasieausgaben anderer Lager nach dem Dachauer Vorbild und frei erfundene Prämienscheine der SS (siehe dort).
Die Dachauer Fälschungen unterscheidet man von den Originalen nicht nur durch das Papier, sondern sehr leicht auch an den Häftlingsnummern, deren Druck ein Paginierstempel nachahmt (siehe Abb.).
Es sind auch Stücke mit falschem Dienststempel „SA der N.S.D.A.P. Standarte Hamburg-
Altona“ bekannt, die natürlich auf Dachauer Prämienscheinen überhaupt keinen Sinn ergeben.
Diedenhofen/Westmark – Werk Ebingen
Selten kommt es vor, dass Fälscher für eine Ausgabestelle, die eigentlich keine war, gleich eine ganze Serie von Fantasiescheinen erfinden. Sieht man einmal von den zumindest umstrittenen Scheinen des Warschauer Gettos ab, so trifft dies lediglich für die gestempelten Kartonmarken der Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke G.m.b.H. Diedenhofen/Westmark für das Werk Ebingen vom August/September 1942 zu.
Die Einrichtung eines Außenlagers des KL Natzweiler im lothringischen Ebingen war länger geplant, da man für die Reichswerke Hermann Göring dringend Arbeitskräfte in der Eisen- und Stahlbearbeitung benötigte. Die Region Fenschtal bei Diedenhofen (Thionville) und Metz war bereits seit dem 19. Jahrhundert zu einem Zentrum der französischen Metallurgie geworden. Die Reichswerke befanden sich eigentlich in Hayingen und erst für Ende August 1944 wird die Ankunft von 500 Jüdinnen aus Auschwitz im Außenkommando Ebingen angegeben. Die Ankunft war jedoch zu spät, um in Anbetracht des alliierten Vormarschs noch ein funktionsfähiges Lager zu errichten. Schon am 2. September 1944 wurden deshalb die Frauen zu Fuß auf den Weg nach Ravensbrück geschickt, 135 von ihnen konnten auf dem Marsch fliehen, 363 kamen am 29. September in Ravensbrück an.
Ein funktionierendes Außenkommando Ebingen, welches gar noch eigene Geldzeichen nutzte, hatte es also nicht gegeben, schon gar nicht im Herbst 1942. Das erste Außenlager von Natzweiler wurde überhaupt erst im Dezember 1942 gegründet.
Wie sieht es aber mit einem Außenkommando Diedenhofen aus? Hier war laut einer geheimen Aufstellung von Oswald Pohl (Chef des WVHA der SS) vom 21. Februar 1944 der Einsatz von Häftlingen für die Luftfahrtindustrie vorgesehen. Dazu sollte ein Außenlager von Natzweiler errichtet werden, in dem 600 Häftlinge Luft-Torpedos für das Gerätewerk Pommern mit seinem Werk in Diedenhofen herstellen sollten. Heute lässt sich nicht mehr klären, ob es in Diedenhofen überhaupt noch ein funktionierendes Außenlager gab, und wenn ja, so auf alle Fälle nicht im August/September 1942.
Die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke hatten ihren Stammsitz in Völklingen im Saarland (Weltkulturerbe Völklinger Hütte). Im Zweiten Weltkrieg wurden etwa 70.000 Zwangs- und Fremdarbeiter aus der Sowjetunion, Polen, Jugoslawien, Frankreich, Belgien und Luxemburg beschäftigt, davon etwa 14.000 in Völklingen selbst.
Hermann Röchling war seit 1941 im Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbank und gehörte ab 1942 zum Führungsstab der deutschen Kriegswirtschaft. Außerdem war er Reichsbeauftragter für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten.
Die Völklinger Hütte betrieb als einziges saarländisches Werk ein eigenes Arbeits-erziehungslager in Etzenhofen.
Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich um echte Ausgaben handelt, so hätten diese nichts mit Geldersatz oder Prämienscheinen der Konzentrationslager zu tun.
So wiesen schon Albert Pick und Carl Siemsen 1993 in ihrem Lagergeld-Katalog darauf hin, dass die in verschiedenen Werten gestempelten Scheine, die sowohl als Gefangenenlager- oder Konzentraions-Lagerscheine angeboten werden, wahrscheinlich von einem Sammler angefertigt wurden.
Es gibt Ausführungen auf gelblichem bzw. grauem Karton und mit Daten vom 8. bzw. 13. August sowie vom 11. September 1942. Die Währungsbezeichnungen lauten auf PF = Pfenning und Mark. Richtig wäre Reichspfenning und Reichsmark (RM) gewesen.
Die Scheine wurden vor Jahrzehnten gestempelt und geschnitten.
Litzmannstadt
Zu den Litzmannstädter Mark-Quittungen gab es zeitgenössische Fälschungen, die sogar noch vor den echten Scheinen in Umlauf kamen.
In der Getto-Chronik vom 26. Juli 1941 heißt es: „Falschgeld – Aufgetaucht sind falsche 2-Mark-Banknoten. Aufgefallen ist das bei der Bank nur dadurch, weil bei einer Überprüfung zwei 2-Mark-Banknoten mit einer und der gleichen Registriernummer vorgelegen haben.
Es soll sich angeblich um 5000 falsche 2-Mark-Banknoten handeln. Hergestellt haben soll sie ein gewisser Rauchwerger aus der Wawelska Strasse 27. Auf Grund der Entdeckung wurden auf Anordnung des Ältesten der Juden sofort sämtliche im Getto in Umlauf befindlichen
2-Mark-Banknoten aus dem Verkehr gezogen.“
Am 14. November 1941 vermerkt schließlich die Getto-Chronik: „Geldfälscher vor Gericht – Am 14.11. hat vor dem Gettogericht die Verhandlung gegen den 2-Mark-Geldfälscher Rauchwerger begonnen.“
Rauchwerger wurde im Januar 1942 im Rahmen der „Aussiedlungsaktion“ aus dem Getto deportiert. Im selben Monat mussten die 2-Mark-Quittungen vollständig aus dem Verkehr gezogen werden, weil zu viele von ihnen umliefen. Die „Rauchwerger-Fälschungen“ erkennt man relativ leicht am fehlenden geheimen Farbpunkt zwischen dem „M“ und dem „a“ von „Mark“.
Leider gibt es auch moderne Fälschungen der Litzmannstädter Scheine, die so gut gemacht sind, dass man sie lediglich am Nummerator erkennen kann. Am deutlichsten wird dies bei den unterschiedlichen Ausführungen der Ziffern der Kontrollnummer (vergl. Ziffer 7).
Zu den „großen“ Scheinen von Litzmannstadt gab und gibt es zahlreiche Vermutungen, z.B. es könne sich um Notausgaben aus der Zeit nach der Auflösung des Gettos für die einigen Hundert verbliebenen Bewohner handeln, die mit Aufräumungsarbeiten betraut waren. Diese Auffassung kann hier nicht geteilt werden. Von den ofiziellen Mark-Quittungen gab es noch so viele Reststücke, dass diese heute noch ausreichend am Sammlermarkt vorhanden sind. Wozu hätte man also neue Scheine für wenige Bewohner drucken sollen, noch dazu in so schlechter Qualität?
Bei diesen Fantasiedrucken machte man sich erst gar nicht die Mühe, das Original nachzuahmen. Am auffälligsten ist das deutlich größere Format (Originale: ca. 87 mm x 56 mm), die abweichenden Farben (Originale: Vs und Rs Druck schwarz auf violett) sowie der einfache und unsaubere Druck (Originale: mit Unter- und Überdruck, Fälschungen: ein Druckvorgang in je nur einer Farbe). Für die Kontrollnummer wurde außerdem ein anderer Nummerator verwendet. Sie kommen übrigens auch auf strahlend weißem Papier (Weißmacher wurden erst ab 1944/1945 benutzt) in druckfrischer Erhaltung vor. Das oben abgebildete Stück wurde wahrscheinlich künstlich gealtert.
Die Einfachheit der Ausführung und die offensichtlichen Unterschiede zum Original sind höchstwahrscheinlich beabsichtigt, was das Interesse an ihnen sogar steigerte.
Für den Autor sowie zahlreiche Fachleute aus Deutschland und Polen sind diese Scheine nur eines: schlecht gemachte Fantasiefälschungen.
Das zur vorhergehenden Fantasiefälschung Gesagte trifft im wesentlichen auch auf die Ausführung zu 1 Mark zu. Das Format des Originals beträgt 120 mm x 64 mm. Während echte Stücke beidseitig einen schwarzen Druck auf olivgrünem Unterdruck aufweisen, wurde die Fälschung beidseitig nur in Schwarz gedruckt.
Der Datumsstempel vom 11. März 1942 fällt in eine Zeit des Kleingeldmangels im Getto, nachdem die zuvor umlaufenden deutschen und polnischen Kursmünzen abgeliefert werden mussten. So gesehen könnte man also eine Theorie aufstellen, nach der die großformatigen 50-Pfennig- und 1-Mark-Quittungen in dieser Zeit wegen des Kleingeldmangels und als Ersatz für die bereits im Januar 1942 wegen der "Rauchwerger-Fälschungen" ungültig erklärten 2-Mark-Quittungen gesehen werden könnten. Aber es wäre eben nur eine Theorie. Gefehlt hat es nach der Einziehung der Kursmünzen an kleinen Beträgen zu 10 Pfennig, weshalb die dann folgenden Notausgaben der Postabteilung auch auf diesen Betrag lauteten. Außerdem hatte die Bank des Ältesten der Juden bei Bedarf auch mehrfach Quittungen bei der Druckerei Manitius in Litzmannstadt nachdrucken lassen. Die großformatigen Scheine wurden aber keinesfalls von dieser Druckerei hergestellt.
Die abgebildete 1-Mark-Quittung stammt aus den USA. Dass es sich um eine Fälschung handelt, wurde auch bei deren Angebot nicht in Frage gestellt.
Bei diesen Manipulationen wurde versucht, den Wert häufig vorkommender, echter 50-Pfennig-Quittungen durch Stempel mit vom Original abweichenden Teilstücken zu steigern. Originale der Notausgabe der Postabteilung wurden auf den Rückseiten nur mit der Stückelung 2 x 20 Pfennig + 1 x 10 Pfennig versehen. Bei dem abgebildeten Schein weichen nicht nur die Teilbeträge ab, es wurden auch völlig andere Stempel – sowohl für die Ziffern als auch für die Postabteilung – verwendet (Originale: „Postabteilung“, Manipulationen: „POSTABTEILUNG“). Falsche Teilbeträge gibt es zu 2 x 15 Pfennig + 1 x 20 Pfennig sowie zu 2 x 25 Pfennig.
Oranienburg
Bei den sog. „Hamburger Fälschungen“ bedruckten die Fälscher einfach Vorder- und Rückseite mit dem Motiv der Rückseite des Originals in einfachem Schwarzdruck.
Der Schein ist wegen des Motivs bei Sammlern, besonders in den USA, sehr beliebt, aber selten. Möglicherweise war den Fälschern sogar die Gestaltung der echten Vorderseite und die Farbe des Originals unbekannt. Vom Format her ist die Fantasiefälschung etwas kleiner als die echten Stücke.
Sachsenhausen, Dachau, Dora ... und kein Ende?
Zu Sachsenhausen sind Fälschungen nach dem Vorbild der Originale auf einfachem Papier, aber auch auf Karton mit einem „Dienst-Stempel“ des „Konzentrationslagers Oranienburg“ mit Hakenkreuz statt dem üblicherweise verwendeten Hoheitsadler bekannt, was eigentlich schon Misstrauen wecken sollte. Da letztere zusammen mit einem Entlassungsschein aus dem KL Sachsenhausen angeboten wurde, der den gleichen Stempel trägt, kamen selbst Fachleuten vorerst keine Bedenken, und sie hielten sowohl Entlassungsschein als auch Prämienschein als besondere „Variante“ für echt.
Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass beide „Machwerke“ mit einem modernen Tintenstrahldrucker hergestellt wurden. Der „Prämienschein“ wurde sogar noch unregelmäßig beschnitten und künstlich gealtert, um den Eindruck eines gebrauchten Stücks zu verstärken. Der Stempel ist reine Fantasie und soll allein schon durch das Hakenkreuz leichtgläubige Sammler täuschen. Die Herstellung eines solchen Stempels ist im Zeitalter des Computers kein Problem mehr. Unpassend ist natürlich die Abstempelung von „Belegen“ aus dem KL Sachsenhausen mit einem Stempel des KL Oranienburg ohnehin.
In der Gestaltung der Sachsenhausener Fälschung auf Karton werden zwischenzeitlich auch immer mehr Fantasiefälschungen von „Prämienscheinen“ anderer Konzentrationslager angeboten. Sie tauchen etwa bei Internet-Auktionen auf, wo sie wissentlich oder unwissentlich zum Schaden der Sammler angeboten und leider nicht selten auch teuer ersteigert werden.
Dank einer Information durch den bekannten österreichischen Sammler und Autor Rudolf Richter im Zusammenhang mit diesem Buchprojekt konnte schon im Sommer 2008 auf einen solchen Fall im Internet aufmerksam gemacht werden, dessen Beispiel gleichzeitig vor ähnlichen Angeboten warnen soll.
Unter der Überschrift „9 x Prämienscheine, KZ Geld, Wertmarken – extrem selten“ wurden im März 2008 einheitlich gestaltete „Prämienscheine“ verschiedener Lager mit einem Startpreis von 5 Euro angeboten, und zwar von Dachau, Dora V, Groß Rosen, Mauthausen, Oranienburg und Ravensbrück. Schon allein diese Auswahl hätte den historisch bewanderten Sammler misstrauisch machen sollen.
Die Prämienvorschrift der SS stammt vom Mai 1943. Erst diese bildete die Grundlage für die Einführung von Prämienscheinen. Das Konzentrationslager Oranienburg bestand aber nur bis 1934 und hatte in dieser Zeit eigenes Lagergeld, das nichts mit Prämien zu tun hatte. Erst ab Juni 1943 gab es in dieser Region Prämienscheine, dann aber im KL Sachsenhausen, das sich lediglich in der Nähe des ehemaligen frühen Lagers Oranienburg befand, aber nichts mit diesem zu tun hatte.
Ein Konzentrationslager „Dora V“ gab es nicht. Dora war ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, das ab Oktober 1944 als Arbeitslager Mittelbau selbständig wurde und anschließend eigene Prämienscheine mit dieser Lagerbezeichnung ausgab. Hier bauten Häftlinge in Stollen die sog. V-Waffen. Kam der „Gestalter“ der Fanatsiescheine deshalb auf die Idee, dem Namen des Außenkommandos Dora noch ein „V“ hinzuzufügen? Oder meinte er etwa eine römische Fünf? Auch das wäre falsch.
In den Druckgenehmigungsvermerken wird das Kürzel IKL verwendet. Dieses stand für die Inspektion der Konzentrationslager. Die IKL war aber bei Einführung der Prämienscheine längst durch das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt der SS (WVHA) abgelöst worden, von dem auch die Pämienvorschrift stammte.
Selbst dem geschichtlich nicht so sattelfesten Sammler sollten aber bei der einheitlich primitiven Gestaltung die mitgedruckten Kontrollnummern samt Plunger (Sternchen dahinter) auffallen. Spätestens diese enttarnen die „Prämienscheine“ als moderne Machwerke.
Wie der Verkäufer angab, sollen die Scheine der Gedenkstätte Ravensbrück bis September 2007 als Leihgaben für die Ausstellung „Prostitution im KZ“ zur Verfügung gestanden haben. Dies sollte sicher die Echtheit der Stücke unterstreichen. Wie eine Rücksprache mit der Gedenkstätte ergab, hatte es diese Ausstellung tatsächlich gegeben und es standen dafür auch Kopien von Prämienscheinen zur Verfügung.
Es handelte sich aber um keine Ausstellung der Gedenkstätte selbst, sondern um eine Gastausstellung aus Österreich, die nicht von der Gedenkstätte gestaltet war.
Die besagten Scheine wurden aber dennoch wegen berechtigter Zweifel von der Gedenkstätte aus der Ausstellung entfernt. Ansonsten werden dort nur Stücke aus der eigenen Sammlung gezeigt, deren Echtheit fest steht.
Die „Prämienscheine“ wurden Ende März 2008 für 223 Euro verkauft. Käufer und Verkäufer wurden durch den Autor über den Sachverhalt informiert. Wie nicht anders zu erwarten, stieß dies beim Verkäufer auf wenig Einsicht.
Leider ist mit diesem Fall belegt, dass nicht nur immer mehr Prämienscheine aus Konzentrationslagern und auch Münzen aus dem Getto Litzmannstadt gefälscht werden, sondern sogar zeitgeschichtliche Dokumente, wie eben ein Entlassungsschein. In Anbetracht einer wachsenden Sammlergemeinde zum Thema Judaica und Holocaust gibt es sehr zu denken, wenn aus purer Gewinnsucht zweifelhafte Geschäfte mit dem Schicksal von Menschen gemacht werden. Werden demnächst womöglich auch Dokumente für echt gehalten, die Menschenschicksale verfremden, neue Schicksale erfinden oder gar Vorgänge inszenieren oder leugnen?
Die Scheine kommen auch mit Dienststempel „Waffen-SS Kommandantur der Amts-Kztr.-Lager Lublin“ vor.
Treblinka/Majdanek
Als Vorlage für die Fantasiescheine von Treblinka dienten ebenfalls Dachauer Prämienscheine. Gleiche Ausführung wie die Fantasiefälschungen von Auschwitz.
Die Treblinka-Fälschungen gibt es auch wieder mit dem Jahr 1943 und 1944.
Solche Fantasiefälschungen gibt es auch von Majdanek.
Zu Abstempelungen
Zum Teil werden auch echte Stempel benutzt, die über Auktionen oder im Fachhandel erworben werden, um Fälschungen einen „offiziellen Anstrich“ zu geben oder aber um echte historische Geldscheine (z.B. aus dem Generalgouvernement, Reichskreditkassen-scheine oder Zahlungsmittel der Wehrmacht) zu stempeln und dadurch interessanter für Sammler zu machen. So wurde auch schon mancher echte Geldschein mit dem Stempel einer „SS-Flak-Ersatz-Abteilung“ versehen. Mittlerweile gibt es, wie in der Zeitschrift "Münzen & Sammeln" schon vor längerem berichtet, sogar im Internet ganze Stempelmatten mit zahlreichen nach Themen (z.B. Wehrmacht, SS, NSDAP usw.) geordneten Stempelgummis zu kaufen. Da sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet.
Wie Fantasiefälschungen von Geldscheinen gibt es aber auch Fantasiestempel.
Als Beispiel zeigt die Abbildung einen echten Schein mit falschem Stempel auf der Rückseite. Die Fälscher waren wohl der deutschen Sprache nicht im erforderlichen Maße mächtig, denn aus dem „Oberkommando der Wehrmacht“ (OKW) wurde ein „Obercommando der Wehrmach“ (OCW?).
SS-Prämienscheine
Die Fälscher dachten sich wohl, wenn es Prämienscheine für Häftlinge in den Konzentrationslagern gab, warum dann nicht auch für SS-Angehörige?
Die Fälschungen stammen aus derselben Werkstatt wie die Fantasiescheine für Auschwitz und Treblinka. Wie die Abbildung zeigt, kommen sie auch mit Rundstempel der "Waffen-SS Kommandantur der Amts-Kztr.-Lager Lublin" vor.
Die offizielle Abkürzung für Konzentrationslager im damaligen Schriftverkehr war nicht "Kztr.-Lager" und auch nicht "KZ", sondern "KL".
Mehr über das Geld in Konzentrationslagern und jüdischen Gettos inkl. historischer Kontext, Einleitungen zur Geschichte jedes Lagers und jedes Gettos sowie Katalogisierung aller bekannten Ausgaben, finden Sie in meinem Buch:
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Auschwitz, Dachau, Diedenhofen, Treblinka, Abstempelung OKW: Hans-Ludwig Grabowski / Litzmannstadt, Oranienburg, Sachsenhausen und SS-Prämienschein: Sammlung Wolfgang Haney, Berlin / Internet-Angebot: ebay
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