Erkrath, eine Gemeinde mit heute ca. 45.000 Einwohnern zwischen Düsseldorf und dem Neandertal, bietet aus der Inflationszeit keine überbordende Vielfalt an Ausgaben.
Neben diversen Notmünzen lokaler Firmen und Gaststätten waren bislang nur vier Notgeldscheine der Gemeindesparkasse bekannt. Es handelt sich um die Scheine zu 500.000, 1 & 2 Millionen sowie 50 Milliarden Mark, welche van Eck unter 568.1-4[1] listet.
Bei Keller findet man unter der Nummer 1395[2] nur die Ausgaben 500.000 sowie 1 & 2 Millionen Mark und ebenso bei Meyer[3]. Trotz rund 40 Jahren numismatischen Sammelns, davon 23 als Vereinsvorsitzender und 15 als Chefnumismatiker eines Düsseldorfer Auktionshauses, ist es mir bislang nur gelungen zwei der vier existenten Nominale für meine Sammlung zu bekommen. Die Scheine sind gedruckte Schecks der Gemeindesparkasse mit dem Wasserzeichen „Stern-Sechseckmuster“. Die drei kleinen Werte wurden jeweils am
20. August 1923 und der 50-Milliarden-Schein am 29. Oktober 1923 herausgegeben.
Vorder- und Rückseite des Scheins zu 2 Millionen Mark (van Eck 568.3)[4]
Vorder- und Rückseite des Scheins zu 50 Milliarden Mark (van Eck 568.4)[5]
Gebäude der Gemeindesparkasse Erkrath als Anbau an das Rathaus, genutzt von 1913-1957, auf alter Ansichtskarte[6]
Sparkassen-Rendant Franz Lohn (hier mit Familie) hat das Amt 1926 von seinem Vorgänger Peter Gummersbach übernommen[7]
Aber bereits im Jahr 2002 tauchten Informationen über einen weiteren Notgeldschein auf[8]. Dies hatte mich bereits damals elektrisiert, aber mehr war nicht herauszubekommen. Der Schein wurde wie ein „Staatsgeheimnis“ gehütet und bis auf eine schlechte s/w-Abbildung und die Beschreibung des Scheins, war es mir nicht möglich, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.
„Gut Ding will Weile haben“ und so kam nun die Tochter eines verstorbenen Sammlers auf mich zu, um sich wegen des Nachlasses ihres Vaters beraten zu lassen. Da sich dabei auch drei Ordner mit heimatbezogenen Unterlagen fanden, vermachte sie mir diese zur weiteren Bearbeitung. Welche Freude und Überraschung, als ich darin den 2002 veröffentlichten Schein in gleich zwei, wenngleich schlecht erhaltenen Exemplaren, entdecken konnte.
Vorder- und Rückseite des 1. Scheins zu 500.000 Mark mit handschriftlicher Nummer 82 in Erhaltung V[9]
Vorder- und Rückseite des 2. Scheins zu 500.000 Mark mit handschriftlicher Nummer 10 in Erhaltung IV[10]
Beide Scheine sind in Umlauf gewesen, dafür spricht die Erhaltung und die Geschichte.
Die Scheinnummern sind zwar verblasst, aber bei genauer Betrachtung immer noch sichtbar.
Die beiden Scheine kamen aus Bremen zurück nach Erkrath. Der Zusender war der Enkel eines gewissen Edmund „Heinrich“ Brück, welcher in den 1920er Jahren in Erkrath einen Konsum-Laden führte und die Scheine dort erhalten hatte. Da diese ursprünglich, wie auf der Vorderseite zu lesen ist, „lediglich zur Behebung des Kleingeldmangels anlässlich der Einweihung eines Eigenheims der Sozialdemokraten von Erkrath ausgegeben wurden, dürften sie eigentlich nicht groß im Umlauf gewesen sein. Der Hinweis auf der Rückseite „Dieser Schein eignet sich vorzüglich zur Aufbewahrung als Andenken oder in Notgeldsammlungen“ hat vielleicht dazu geführt, dass Herr Brück ihn in seinem Geschäft in Zahlung nahm und dann aufhob. Schließlich waren 500.000 Mark Mitte September 1923 keine große Summe mehr, wie die nachfolgende Übersicht[11] zeigt. Wie man sehen kann, hätte man mit einem solchen Schein gerade einmal 5 Gramm Butter kaufen können!
Herausgeber der Scheine war die V.S.P.D. zu der die Internetseite des Deutschen Historischen Museums folgendes ausführt:
„…Zum Schutz der jungen Republik gegen Angriffe von rechts sahen beide sozialdemokratischen Parteien über die einstigen existentiellen Auseinandersetzungen hinweg. Am 14. Juli 1922 schlossen sich die Reichstagsfraktionen von USPD und SPD zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. Damit ebneten sie den Weg für die Wiedervereinigung beider Parteien am 24. September auf einem gemeinsamen Parteitag in Nürnberg. Der offizielle Parteiname lautete nun Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands (VSPD), der aber 1924 wieder auf SPD verkürzt wurde…“[12].
Die beiden Geldscheine sind ca. 105 mm x 164 mm groß und bestehen aus sämischem Papier ohne Wasserzeichen. Die Druckfarbe des ersten Scheins ist auf der Vorderseite rostbraun und auf der Rückseite hellrot, während das zweite Exemplar einen dunkelgrauen Vorderseiten- und einen rostbraunen Rückseitendruck aufweist. Beide Stücke sind aus der Reihe „A“. Sie sind auf den 16. September 1923 datiert und konnten laut Angabe bis zum 30. September 1923 eingelöst werden.
Die Unterschrift des Kassierers ist mitgedruckt und entworfen hat sie der „Genosse Beigeordn.(eter) Wilhelm Kiepert, Erkrath“. Auf der Vorderseite ist jeweils das „EIGENHEIM DER VSPD ERKRATH“ zu sehen, während die Rückseiten das Hinterhaus jenes Eigenheimes, d. h. die Damen- und die Herrentoilette zeigen.
In Erkrath war zu jener Zeit bereits seit 16 Jahren Franz Zahren Bürgermeister und nachdem die Revolutionsunruhen der Nachkriegszeit abgeklungen waren, konnte er sich auf die Unterstützung der starken Zentrumsfraktion im Rat verlassen. SPD und USPD waren selbst zusammen in der Minderheit[12]. Zudem waren seit 1921 französische Besatzungstruppen im Ort einquartiert und am Ortsrand Richtung Hochdahl verlief die Grenze zum besetzten Ruhrgebiet. Insofern spiegelten sich die Zustände in der "Weimarer Republik" im Erkrather Mikrokosmos durchaus wider.
Dass nun, fast genau 100 Jahre nach ihrer Schaffung diese „neuen“ Scheine wieder an das Licht der Öffentlichkeit gelangen, erfüllt mich mit großer Freude. Sollte in der Leserschaft noch weiteres Material dieser Art vorhanden sein, so wäre ich für Hinweise oder Scans überaus dankbar (E-Mail: feuser-weyrich@t-online.de).
Peter B. Feuser
Anmerkungen der Redaktion
In ihrer Ausführung und wahrscheinlich auch Bestimmung erinnern die beiden Scheine der Vereinigten Sozialdemokraten aus Erkrath an solche von Vereinen und Parteien aus der Zeit der sog. "Serienscheine", die 1922 endete. Nur ein Jahr später gab nun also die Ortsgruppe der damaligen VSPD diese Scheine "ohne jede Ermächtigung des Reichsfinanzministeriums" anlässlich der Eröffnung ihres Eigenheims in Erkrath wegen "Kleingeldmangel" aus.
Aus meiner Sicht dürfte es als ziemlich sicher gelten, dass diese Scheine nie für den Geldumlauf bestimmt waren. Für 500.000 Mark konnte man sich im September 1923 gerade einmal ein halbes Brot leisten und als die angegebene Einlösungsfrist nur zwei Wochen später am 30. September 1923 endete, kostete ein Gramm Brot schon über 1 Million Mark.
So gesehen, kann man tatsächlich von "Kleingeld" sprechen. Sie dienten auch nicht als "Bausteine", zumal der Bau des Gebäudes bereits vollendet war und es "nur noch" um dessen Einweihung ging.
Wahrscheinlich dienten die Scheine lediglich als eine Art Wechselgeld bei der Einweihungsfeier des Parteiheims, von dem man nicht zuletzt wegen des Hinweises „Dieser Schein eignet sich vorzüglich zur Aufbewahrung als Andenken oder in Notgeldsammlungen“ sowie des damals "kleinen" Nennwertes annehmen konnte, dass es höchstwahrscheinlich nie zur Einlösung präsentiert werden würde. Ein kleiner Gewinn für die Genossen!
Viele Scheine dürften nicht genutzt worden sein, wofür auch die sehr niedrigen Nummern stehen. Warum die Scheine trotzdem so stark gebraucht sind, kann auch einen ganz anderen Grund als der übliche Umlauf im Geldverkehr haben.
Viele Geldscheine, die durch die Inflation völlig entwertet waren, wurden schon damals zu beliebtem Spielzeug bei Kindern, in deren Kaufmannsläden nun die Millionen und Milliarden über die Tresen gingen. Wann wurde Kindern davor oder danach schon einmal so viel "echtes" Geld zum spielen überlassen? Der Erhaltungszustand kann also auch hier so stark in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Wir kennen das von sog. "Dachbodenfunden" mit Geldscheinen, die oft über Generationen von Kinderhand zu Kinderhand gingen.
Ich würde die Scheine der Sozialdemokraten aus Erkrath von 1923 als späte "Serienscheine" bezeichnen. Zu prüfen bliebe, ob genannter Kaufmann Brück aus Erkrath vielleicht selbst Mitglied der VSPD, womöglich an der Bereitstellung von Speis und Trank zur Einweihungsfeier beteiligt oder einfach nur ein Besucher der Veranstaltung war. Fest steht wohl, dass er die beiden Scheine aufbewahrt hatte und damit Numismatikern und Freunden der Heimatgeschichte interessante historische Belege hinterlassen hat.
Hans-Ludwig Grabowski
Anmerkungen [1] Thomas van Eck, Das Papiernotgeld der preußischen Rheinprovinz 1914-1948, Düsseldorf, 2000, Band 1, Seite 336. [2] Arnold Keller, Deutsches Notgeld, Band 7, Das Notgeld der deutschen Inflation 1923, Reprint, Regenstauf, 2004, Seite 310. [3] Hans Meyer, Das Papiernotgeld der preußischen Rheinprovinz 1914-1924, 2. Auflage, Berlin, 1975, Seite 73.
[4] Sammlung Feuser.
[5] Sammlung Feuser.
[6] Sammlung Feuser.
[7] Sammlung Stadtarchiv Erkrath.
[8] Bringfried Metzner, Erkrather Geldschein über 500.000 Mark aufgetaucht, Ein Andenken an die Inflation 1923, in: usser Dorp, Vereinszeitschrift der Ercroder Jonges 1982 e.V., Nr. 19 vom Dezember 2002, Seiten 16-18.
[9] Sammlung Feuser.
[10] Sammlung Feuser.
[13] Erika Stubenhöfer, Die Erkrather Bürgermeister 1898-1999, Erkrath, 2004, Seite 48 ff.
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