Es gibt immer wieder Neuentdeckungen an Notgeld, die einen selbst überraschen. Ich suchte eigentlich etwas anderes aber bei meiner Suche und Recherche wurde ich auf Lohnschecks aus Niederbreisig aufmerksam. Diese Lohnschecks sind in keinem der bekannten Kataloge ediert.
Die Lohnschecks sind datiert in Niederbreisig, den 30.10.1923 und auf zwei unterschiedliche Gemeindekassen ausgestellt:
Gemeindekasse Niederbreisig
Gemeindekasse Brohl in Niederbreisig
Was hat es damit auf sich? Die ehemaligen Ortsgemeinden Niederbreisig und Brohl gehörten zum Amt Niederbreisig. Jede Gemeinde hatte einen Gemeindevorsteher (Ortsbürgermeister). Diese sind auf den jeweiligen Scheinen namentlich als Unterzeichner genannt.
Für Niederbreisig (Ernst) Schwickerath und für Brohl (Christian Alexander) Nonn.
Beide Gemeinden verfügten über keine eigene Verwaltung und anfallende Geldgeschäfte erfolgten über die Amtskasse des Amtes Niederbreisig. Für das Amt Niederbreisig ist rechts auf den Scheinen der stellvertretende Bürgermeister und Verwaltungsleiter Dinget genannt.
Es konnten folgende Ausgaben festgestellt werden:
Gemeindekasse Niederbreisig
10 Milliarden Mark, Serie A ohne Überstempelung – kein Exemplar
1 Billion Mark, Überstempelung auf 10 Milliarden Mark – 1 Exemplar (KN 493)
Gemeindekasse Brohl in Niederbreisig
2 Milliarden Mark, Serie E – 3 Exemplare (KN 90, 198, 683)
10 Milliarden Mark, Serie A ohne Überstempelung – kein Exemplar
1 Billion Mark, Überstempelung auf 10 Milliarden Mark – 1 Exemplar (KN 2267)
Alle Kontrollnummern (5,0 mm) sind gestempelt. Die Serienbuchstaben A und E lassen vermuten, dass es wohl noch weitere Wertstufen gab. Daher kann eigentlich mit dem Bekanntwerden weiterer Lohnschecks gerechnet werden.
Alle Lohnschecks sind mit einem grünen Stempel „Steuer- u. Gemeindekasse / Niederbreisig“ versehen. Die mittels Stempelaufdruck auf 1 Billion Mark aufgewerteten Stücke verfügen über einen zweiten violetten Stempel „Bürgermeisterei Niederbreisig“ oder „Gemeinde Brohl“.
Die Lohnschecks sind ohne Wasserzeichen und haben das einheitliche Format von ca. 155 mm x 105 mm. Gedruckt wurden sie von der Buchdruckerei Heinrich Simons in Sinzig. Zur Druckfirma konnten keine weiteren Informationen gewonnen werden.
Zum Zeitpunkt der Ausgabe dieser Lohnschecks am 30. Oktober 1923, also fast am Ende der Hochinflation, waren die kleinen Milliarden-Scheine nur noch Wechselgeld und stellten keinen besonderen Wert mehr dar. Schon der Preis für ein Graubrot betrug bereits fast 10 Milliarden Mark.
Das für beide Gemeinden jeweils ein eigenes Notgeld herausgegeben wurde, kann vielleicht nur so erklärt werden, dass der Verwaltungsleiter Dinget die entsprechenden Kassenbücher für beide Ortsgemeinden sauber getrennt haben wollte, um nachzuhalten, welche Geldmenge in den jeweiligen Ortsgemeinden herausgegeben wurde und (viel wichtiger) wie viel davon wieder eingelöst worden ist. Der Autor kann sich vorstellen, dass hier Notgeld in unterschiedlicher Gesamthöhe ausgegeben wurde z. B. für Brohl mehr als für Niederbreisig. Das kann mit der damaligen Bedarfsanmeldung an Geldern der Einwohner- und Arbeiteranzahl in Zusammenhang stehen.
Beide Ortsgemeinden waren 1923 der preußischen Rheinprovinz (Rheinland) zugehörig. Heute ist Niederbreisig ein Ortsteil der Stadt Bad Breisig. Bad Breisig ist Verbandsgemeinde im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1970 wurden im Zuge der kommunalen Gebietsreform in Rheinland-Pfalz die Gemeinden Brohl und Niederlützingen zusammengefasst und aus ihnen die neue Gemeinde Brohl-Lützing gebildet. Brohl-Lützing gehört der Verbandsgemeinde Bad Breisig an.
Thomas van Eck
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