Zweifellos war Friedrich August I. (Kurfürst von Sachsen 1694–1733, seit 1697 als August II. auch König von Polen) eine außergewöhnliche Persönlichkeit.
Die Literatur über sein Leben und Wirken füllt gut und gern eine ganze Bibliothek, von den zahllosen fantastischen Legenden, die seit Jahrhunderten immer weiter erzählt werden, ganz zu schweigen.
Man sollte meinen, dass über ihn und seine Zeit nun eigentlich nichts Neues mehr zu berichten wäre. Offensichtlich ist der Herrscher aber noch heute für Überraschungen gut. Urteilen Sie selbst!
August der Starke, Gemälde seines Hofmalers Louis de Silvestre. Zu seiner Linken die polnischen Kronjuwelen und der sächsische Kurhut.
August der Starke, trotz der reichen Erträge der Silbergruben im Erzgebirge wegen seiner aufwendigen, ja prunkvollen Lebensführung bekanntlich ständig in Geldnot und hoch verschuldet, war dabei erstaunlich vielseitig und oft erfolgreich bei der Suche nach neuen Geldquellen. So verstand er es, zahlreiche, teils jahrhundertealte Rechtsansprüche seiner Vorfahren zu Geld zu machen und war auch sonst in finanziellen Dingen keineswegs
zimperlich.
Dass es ihm gelang, während des Krieges gegen die Schweden zumindest einen Teil der dringend benötigten Gewehre, Bajonette und Pistolen bargeldlos mit „Assignaten“ zu finanzieren, ergibt sich erst in jüngster Zeit aus der Auswertung von Dokumenten des kurfürstlichen „Geheimen Rats“ aus der Zeit des Nordischen Krieges.
Geldscheinsammlern ist der Begriff „Assignaten“ wohlvertraut. Bisher wurde er stets mit der Geldgeschichte Frankreichs zur Zeit der Französischen Revolution in Verbindung gebracht. Die so bezeichneten Geldscheine waren dort 1790 eingeführt und 1792 per Dekret der Nationalversammlung zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt worden.
Materiell wie alles Papiergeld völlig wertlos, stürzten diese Scheine das Land mangels Deckung während der Revolutionskriege innerhalb weniger Jahre in die Inflation und mussten schließlich 1796 mit enormen Verlusten für die Bürger wieder aus dem Verkehr gezogen werden. Trotz ihres für Geldscheine außergewöhnlich hohen Alters sind die Restbestände bekanntlich keineswegs selten und mitunter noch druckbogenweise im Angebot des Fachhandels zu finden.
Weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch das früheste russische Papiergeld, das bereits 1769, also Jahrzehnte vorher, unter Zarin Katherina II. von Russland in Umlauf gebracht worden war, ebenfalls unter dieser Bezeichnung kursierte. Obwohl auch diese unaufhaltsam der Inflation anheim fielen, werden sie nur selten im Fachhandel angeboten. Immerhin wurden sie 1843 zum Kurs von 29 (Silber-) Kopeken pro (Papier-) Rubel eingezogen und vernichtet.
Selbst Fachleute muss es überraschen, dass kürzlich der Nachweis dafür gefunden werden konnte, dass noch weit früher, schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts „Assignaten“ als Zahlungsmittel ausgegeben und offensichtlich auch akzeptiert wurden. Dies geschah – in Sachsen. Bei Forschungen zur Geschichte des Nordischen Krieges, speziell der Waffenlieferungen für die Königlich-polnische und Kurfürstlich-sächsische Armee, stieß der Dresdner Militärhistoriker Hans-Dieter Brucksch auf Archivunterlagen, die belegen, dass zwischen den Vertragspartnern im Jahr 1711 für diese Frühform bargeldloser Zahlung erstmals die Bezeichnung „Steuer Assignationes“ (also so viel wie „unterschriftlich garantierte
Geldanweisungen“) verwendet wurde.
Er konnte zunächst nachweisen, dass schon um 1700 im Kurfürstentum vertragliche Zahlungen zwischen dem Staat als Auftraggeber und Großlieferanten als Auftragnehmern wohl notgedrungen teils in bar, teils in Steuerscheinen vereinbart wurden. Wiederholt beklagten die Waffenhändler dabei allerdings herbe finanzielle Verluste bei deren
Einlösung.
Im Jahre 1703 gelang es bekanntlich dem Kurfürst-König, eine völlig neue Form der Verwaltungsfinanzierung gegen den Protest der Landstände durchzusetzen. Damit war er nicht mehr auf deren bis dahin erforderlichen Bewilligungen angewiesen. Mit der Einführung seiner „Generalconsumptionsaccise“, einer allgemeinen Verbrauchersteuer auf alle Waren des täglichen Bedarfs, wie sie auch heute üblich ist, konnte der Landesherr auf nunmehr zuverlässig berechenbare Einkünfte zählen. Am 31. August 1707 wurde sie neu geregelt und den aktuellen Erfordernissen angepasst. Es versteht sich, dass damit auch die bargeldlosen Zahlungen mittels Steuerscheinen („Assignaten“) besser abgesichert werden konnten.
Der nachstehend abgebildete Textauszug der bisher früheste Nachweis dafür:
Ausschnitt aus dem Liefervertrag vom 28. Februar 1711 über 12.000 Flinten und Bajonette zwischen Kriegsminister Graf Wackerbarth und dem „Miliz Factor“ Nicolaus Bachmann, Suhl (heute Freistaat Thüringen), vom 28. Februar 1711 (Hervorhebungen vom Verf.).
Transkription:
…… ….. ….. ….. ….. ….. ….. ……… (Z. Weiln
Königl. Majest. allergnedigst concediret Lie ..
feranto [1] bey Schließung des Contracts Zwey,,
Tausend Thaler zum Verlag prænumerando
vorzuschießen und deßen Lieferung jedes mahl
aus der Kriegs Cassa gegen des Haupt Zeughaußes [2]
Liefer Schein, daß alles Modell und Probmeßig,
entweder baar, oder durch verfallene [2] richtige Steu,,
er Assignationes richtig zu bezahlen, auch obige
prænumerirte [3] Vorschuß Gelder nicht eher alß
bey der letzten Lieferung und Adimplizirung [4] des
Contracts abzurechnen, … …… …… …… …… …… ……
Einen der so beschriebenen Assignaten hat allerdings noch niemand zu Gesicht bekommen. Wir wissen jetzt nur, dass sie mit Sicherheit einst existiert haben. Wie diese frühen Zahlungsmittel ausgesehen haben, lässt sich nur vermuten. Man darf annehmen, dass ohnehin überhaupt nur wenige Exemplare ausgestellt wurden. Mit Geldscheinen dürften sie
wohl keinerlei Ähnlichkeit gehabt haben. Vielmehr liegt nahe, dass sie angesichts ihrer sehr begrenzten Anzahl und ihres hohen Nennwertes gar nicht gedruckt, sondern aufwendig als Einzelstücke auf den Gläubiger ausgestellt, handschriftlich auf Kanzleipapier – vielleicht sogar auf Pergament – angefertigt, dann zur Beglaubigung vom Kurfürst-König „höchstselbst“ unterzeichnet und abschließend gesiegelt wurden. Sie ähnelten wohl also ganz den amtlichen zeitgenössischen Urkunden.
Praktisch musste der Großhändler („Miliz Factor“) dafür in Vorkasse gehen und die Suhler Waffenschmiede für ihre Arbeit zunächst aus eigener Tasche bezahlen. Ohne ein ansehnliches, sofort verfügbares Eigenkapital des Unternehmers hätte dieses Zahlungsverfahren natürlich nicht funktionieren können. Einlösbar waren solche Assignaten jeweils erst nach der nächsten Steuererhebung. Ob der Gläubiger dabei eine angemessene Verzinsung erwarten durfte, ist naheliegend, aber nicht belegt.
Überlebt haben dürfte wohl kein einziger kursächsischer Assignat. Denkbar wäre das eigentlich nur im Zusammenhang mit einer eventuellen Rechtsstreitigkeit, bei der das Wertpapier ausnahmsweise nicht eingelöst, sondern eingezogen und archiviert wurde. Höchstwahrscheinlich wurden jedoch alle innerhalb weniger Monate wieder eingelöst und danach amtlich vernichtet. Liebhaber altdeutschen Papiergeldes werden sich mit dieser
Erkenntnis leider abfinden müssen.
Lienhard Buck
Anmerkungen:
[1] so viel wie …allergnädigst genehmigt, dem Lieferanten ..
[2] wohl so viel wie „demnächst (der Einlösung) verfallene“
[3] im Voraus gezahlte
[4] so viel wie Einbeziehung
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