Als Antwort auf den deutschen Einmarsch in Polen erklärte Kanada am 10. September 1939 dem Deutschen Reich den Krieg. Über eine Million Männer und Frauen dienten freiwillig in den Streitkräften. Kanadische Soldaten kämpften 1941 in Hongkong, 1942 bei Dieppe (Nordfrankreich), 1943 in Italien, 1944 bei der Landung in der Normandie und 1945 waren sie an der Befreiung der Niederlande beteiligt sowie an der Besetzung Norddeutschlands.
Die Kriegskosten wurden u.a. auch durch Kriegsanleihen (Victory Loans) aufgebracht. Um die Bevölkerung von der Notwendigkeit ihrer Zeichnung zu überzeugen, ging man in der Stadt Winnipeg (Provinz Manitoba) einen besonderen Weg: einen simulierten Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Stadt am sog. „If Day“ (Was-wäre-wenn-Tag).
Die „If Day“-Kampagne begann am 16. Februar und dauerte bis zum 9. März 1942. Organisiert wurde sie vom Vorsitzenden (John Draper Perrin) des Greater Winnipeg Victory Loan Committees, einer Zweigstelle des National War Finance Committees. Höhepunkt der Aktion war ein simulierter Angriff von Männern in deutschen Wehrmachtsuniformen auf die Stadt am 19. Februar. Um 7:00 Uhr ertönten die Luftschutzsirenen und die Stromversorgung fiel aus. Um 7.30 Uhr begannen die „deutschen“ Truppen mit ihrem Angriff. Die Verteidiger bildeten einen Verteidigungsring um die Industrieviertel und die Innenstadt. Feuergefechte, simulierte Zerstörungen von großen Brücken, großflächige Truppenbewegungen, nachgestellte Explosionen mithilfe von Kohlenstaub und Dynamit unterstützen das Spektakel. Flugabwehrkanonen schossen mit Platzpatronen auf umlackierte Kampfflugzeuge über der Stadt. Feldlazarette wurden eingerichtet, um die „falschen Opfer“ zu behandeln. Um 9.30 Uhr ergaben sich die 3.500 kanadischen Soldaten und die Deutschen übernahmen marodierend die Stadt. Der Union Jack wurde eingeholt und die Hakenkreuzfahne gehisst, die Stadt umgehend in Himmlerstadt und die Main Street in Hitlerstraße umbenannt. Hunderte von führenden Bürgern, unter ihnen der Premierminister John Bracken, der Bürgermeister John Queen, der Vizegouverneur von Manitoba Roland Fairbairn McWilliams und der norwegische Botschafter Wilhelm de Morgenstierne wurden von „Gestapo“-Teams zusammengetrieben und in einem Konzentrationslager interniert. Gottesdienste wurden verboten und Priester, die dagegen protestierten, ebenfalls verhaftet. Bewaffneten Soldaten stoppten Busse auf den Straßen und durchsuchten die Passagiere. Vor der Stadtbibliothek fand eine Bücherverbrennung statt. Hierfür waren extra beschädigte und veraltete Bücher aussortiert worden.
Die Winnipeg Tribune wurde in „Das Winnipeger Lügenblatt“ umbenannt und in ihm stark zensierte Meldungen verbreitet.
„Gauleiter Erich von Neurenberg“ erließ ein Dekret, nach dem u.a. die Stadt von diesem Tag Teil des Großdeutschen Reichs war; für Zivilisten zwischen 21.00 Uhr und Tagesanbruch eine Ausgangssperre verhängt wurde; jeder Haushalt fünf Soldaten zu versorgen hatte; alle Besitzer von Kraftfahrzeuge, Lastwagen und Bussen diese registrieren zu lassen hatten, um sie ggf. der Besatzungsmacht zur Verfügung zu stellen; Landwirte wurden aufgefordert unverzüglich alle Getreidevorräte und den Viehbestand zu melden und nur über den Versorgungskommandanten in Winnipeg zu verkaufen. Ferner wurden Rationierungsbücher und neue Ausweise angekündigt.
Als Teil der Übung wurde auch Besatzungsgeld ausgegeben. Hierbei handelte es sich um eine Imitation der 10-Reichsmark-Banknote vom 22. Januar 1929. Der Schein ist in grün auf weißem Papier gedruckt. Er trägt auf der Vorderseite des Schaurandes den roten großen zweizeiligen Zusatztext „Occupation / Reichsmark“, darunter in Grün kleiner dreizeilig „ARMY OF / OCCUPATION / AUTHORITY“. Es folgt die Unterschrift „von Brauchitsch“. Generalfeldmarschall Walther Heinrich Alfred Hermann von Brauchitsch (* 4. Oktober 1881 in Berlin; † 18. Oktober 1948 in Hamburg) war von 1938 bis 1941 Oberbefehlshaber des deutschen Heeres.
Die Rückseite trägt in einem Schaurahmen einen längeren Propagandatext in englischer Sprache, der in der Übersetzung wie folgt lautet:
Wie würde es sein, wenn ...?
Das ist es, was wir für unsere Arbeit, unsere Dienste, unseren Weizen, unser Land akzeptieren müssen, wenn wir in unserem Job, einen totalen Krieg zu führen, versagen.
Unser Geld ist nur dann gut, wenn Kanada den Krieg gewinnt. Dieses wertlose Geld steht für Sklaverei, gebrochene Versprechen, Leid und Erniedrigung.
Das darf hier nicht passieren! KAUFT VICTORY BONDS. ... UND HALTET DIESES „BLUT“GELD VON KANADA FERN!
Auf dem Schaurand dann groß: Kriegsanleihen oder Knechtschaft... die Wahl liegt bei dir!
Der "Besatzungstag" endete um 17.30 Uhr mit der feierlichen Freilassung der Gefangenen, einer Parade und Reden der Würdenträger, dass so etwas nicht passieren dürfe.
Die finanziellen Erwartungen der Organisatoren wurden weit übertroffen. In Winnipeg nahm man allein an diesem Tag die Rekordsumme von 3.200.000 Dollars ein. Am Ende der Kampagne waren es 24 Millionen Dollars. Statt der erhofften 45 Millionen Dollars kamen in der Provinz Manitoba 60 Millionen Dollars zusammen. In ganz Kanada wurden 2 Milliarden Dollars für den Kriegseinsatz gesammelt.
Uwe Bronnert
Literatur:
Graham Chandler, If Day: The occupation of Manitoba, https://legionmagazine.com/en/2017/02/if-day-the-occupation-of-manitoba/ Stand: 11.06.2019, 10.28 Uhr.
https://en.wikipedia.org/wiki/If_Day Stand: 11.06.2019, 10.15 Uhr.
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