Wenn heute in Sammlerkreisen vom Papiergeld der altdeutschen Staaten gesprochen wird, so meint man in aller Regel die Geldscheine der Staaten auf dem Gebiet des Norddeutschen Bunds, welche sich 1871 zum Deutschen Reich zusammenschlossen. Das ist jedoch historisch nicht korrekt, denn bis zum Einmarsch französischer Truppen unter Napoleon I. im Jahre 1806 hatte das Heilige Römische Reich deutscher Nation bestanden, das bis nach Italien reichte. Nach dem Sieg über Napoleon und dem Wiener Kongress von 1815 wurde die Landkarte Europas neu gezeichnet und der Deutsche Bund gegründet, zu dessen Teilstaaten u.a. auch Österreich, Böhmen und Mähren sowie das heutige Slowenien und Luxemburg zählten. Erst der sich verschärfende Konflikt zwischen den Österreichern und Preußen führte nach dem Deutschen Krieg von 1866 zur Abspaltung Österreichs und zur Gründung des Norddeutschen Bunds.
Nach dem Sieg Deutschlands im Kriege gegen Frankreich von 1870/71 kam es dann bekanntlich zur Gründung des Deutschen Reichs (kleindeutsche Lösung) unter Führung Preußens und zur Krönung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser.
Die ersten regulären deutschen Geldscheine waren die ab 1705 durch den pfälzischen Kurfürsten ausgegebenen Bancozettel. In der Folge kam es auch in anderen altdeutschen Staaten zu den verschiedensten Papiergeld-Ausgaben. So wurden die sog. Wiener Stadt-Banco-Zettel schon ab 1759 ausgegeben und die „Cassen-Billets“ des Kurfürstentums Sachsen ab 1772 waren die ersten deutschen Geldscheine, die wirklich auch als Zahlungsmittel zirkulierten.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurden auch immer mehr Privatbanken mit dem Recht zur Ausgabe von eigenen Noten privilegiert. Ausgehend von der deutschen Kleinstaaterei und den verschiedenen Privatnotenbanken kursierten auf dem Gebiet des Deutschen Bundes bald eine Vielzahl von verschiedenen Papiergeldausgaben, auf die man in diesem Rahmen nicht umfassend eingehen kann.
Am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren Banknoten überall in Europa noch recht einfach gestaltet. Sicherheitsmerkmale, wie wir sie heute kennen, waren damals noch nicht entwickelt. Oftmals wurde Geld sogar noch auf einfachem Büttenpapier ohne Wasserzeichen gedruckt und lediglich mit einer handschriftlichen Kontrollnummer und mit Handunterschriften versehen, wie im Falle der bereits vorgestellten kursächsischen Kassen-Billets. Das erleichterte natürlich den schon damals fleißigen Geldfälschern das Spiel und so wurden die Anforderungen an die grafische Gestaltung und die Verbesserung der Fälschungssicherheit immer höher.
Preußen spielte als größtes deutsches Land papiergeldgeschichtlich bis zur Errichtung einer deutschen Zentralnotenbank die wichtigste Rolle. Selbst die nach der Reichsgründung von 1871 neu geschaffene Deutsche Reichsbank ging aus der ehemaligen Preußischen Bank hervor.
Die Papiergeldgeschichte Preußens begann mit der Gründung der Königlichen Giro- und Lehnbank zu Berlin im Jahre 1765 auf Anordnung von Friedrich II., dem Großen. Gegen Hinterlegung von Bargeld (Gold- und Silbermünzen) wurden vom Staat zertifizierte Quittungen gedruckt, die der Erleichterung des umständlichen Verkehrs mit den schweren Münzen dienen sollten. Zumindest dieses Motiv war nicht neu, wussten wir doch schon von den alten Chinesen tausend Jahre früher ähnliches zu berichten.
Tatsächlich wollte man in Preußen aber mittels der ausgegebenen „Banco-Zettel“ die Edelmatalle in den königlichen Kassen horten. Immerhin wusste man nie genau, wann der nächste Krieg kommen würde und der „Alte Fritz“ hatte ja schon so manche Schlacht geschlagen.
Die sehr einfach gestalteten ersten preußischen Noten aus dem Jahre 1766 über verschiedene Werte in „Pfund Banco“ waren beim Volk nicht sehr beliebt und so ging man schon ab 1798 mit Bankkassenscheinen (übertragbare Quittungen auf deponiertes Silbergeld) auf die vertraute Währungsangabe in „Thaler“ über. Seit 1806 waren dann zusätzlich sog. Tresorscheine in Umlauf und später kamen dann auch noch Kassen-Anweisungen der Hauptverwaltung der Staatsschulden, Darlehns-Kassenscheine und ab 1846 Noten der Preußischen Haupt-Bank hinzu. Daneben existierten auch noch Geldscheinausgaben von Privatbanken in verschiedenen Regionen Preußens. Von einem einheitlichen Papiergeld war man also noch weit entfernt und bedenkt man, dass ähnliche Verhältnisse auch in den anderen deutschen Regionen vorherrschten, so können wir uns ein wenig in die kaum noch zu überschauende Vielfalt verschiedener deutscher Münz- und Geldscheinausgaben in noch dazu unterschiedlichen Währungen hineindenken, die vor der Reichsgründung von 1871 vorherrschte, die Menschen verwirrte und die Entwicklung von Handel und Wirtschaft in Deutschland hemmte.
An dieser Stelle können natürlich nicht alle sog. altdeutschen Geldschein-Ausgaben aufgeführt und behandelt werden, das bleibt einem Spezialkatalog für Sammler vorbehalten. Es soll jedoch noch einmal auf dieses Thema zurückgekommen werden, wenn wir später über die verschiedenen Sammelgebiete deutschen und ausländischen Papiergelds sprechen werden.
Einige interessante Besonderheiten unter den altdeutschen Geldscheinen sollen hier aber dennoch vorgestellt werden.
Es handelt sich dabei um sog. „Blockadescheine“, die während Belagerungen als Notgeld ausgegeben wurden sowie um das Privatgeld eines Unternehmers aus Anhalt, den sog. „Lutze-Thalern“.
„Blockadescheine“
Unmittelbar nach seinem Sieg über die Preußen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806 hatte Napoleon in der nahen Festungsstadt Erfurt Truppen stationiert, die nach der Völkerschlacht von 1813 durch die Preußen eingeschlossen wurden. Als das Geld in der Stadt knapp wurde, druckte man auf Befehl des „Kaiserlichen Französischen Militär-Gouvernements“ Geldscheine, die als sog. „Blockadescheine“ in die deutsche Papiergeldgeschichte eingegangen sind.
Insgesamt wurden 15.200 Scheine in verschiedenen Wertstufen angefertigt, die jedoch bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt waren. Sie waren nur kurze Zeit in Umlauf, denn bereits Anfang Januar 1814 wurde die Stadt durch die Preußen eingenommen und nur die Festung Petersberg war noch in französischer Hand.
Belagerungsausgaben während französischer Besatzung gab es aber auch von Mainz im Jahre 1793 auf den Rückseiten von französischen Assignaten wie auch in Form von eigens hergestellten Scheinen sowie von der Stadt und Festung Kolberg in Pommern von 1807.
Die „Lutze-Thaler“
Private Geldscheinausgaben sind in Zeiten der Inflation nichts besonderes, aber ein „Privatgeld“ unter „normalen“ Währungsverhältnissen ist heute undenkbar. Man stelle sich nur vor, jeder könne seine eigenen Münzen und Geldscheine herstellen lassen und dafür dann mit seinem Häuschen, Grundstück, Auto, der Briefmarkensammlung oder einer noch zu erwartenden Erbschaft bürgen. Es würde bald das blanke Chaos ausbrechen. Doch im 19. Jahrhundert, als das Geldwesen noch lange nicht zentralisiert war wie heute, war auch solches möglich.
Der ehemalige Postsekretär Arthur Lutze aus Köthen in Anhalt war als Heilpraktiker tätig und promovierte später zum Dr. med. an der Universität Jena. Seine Heilmethoden waren so erfolgreich, dass er bald die Eröffnung eines Sanatoriums plante. Um seine Pläne in die Tat umsetzen zu können, ließ er sich private Papiergeldausgaben in mehreren Auflagen genehmigen. Das Geld setzte er dann für den Bau des Sanatoriums ein und konnte nach dessen Fertigstellung alle vorgelegten Scheine zu den aufgedruckten Verfallsdaten gegen „richtiges“ Geld einlösen. Das Privatgeld des Dr. Arthur Lutze war also nichts als ein Zahlungsversprechen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt eingelöst wurde. In der Zwischenzeit diente es als Geld und ging von Hand zu Hand. Soviel Unterschied zum staatlichen Papiergeld bestand denn also doch nicht, außer dass hier ein Privatmann und dort der Staat für die Einlösung haftete.
Lutze selbst erinnerte sich zum Bau des Sanatoriums und seinen Geldscheinausgaben: „Man hatte Anfangs der Sache wohl nur eine geringe Bedeutung beigelegt, indem man glaubte, diese Anweisungen würden unbeachtet bleiben; doch fanden sie solches Interesse, dass sie von Reisenden in die fernsten Gegenden mitgenommen wurden … Als ich später die Einlösung derselben bekanntmachte, bekam ich meine Thaler aus Preußen, Sachsen, Baiern und Oesterreich zurückgesandt.“
Dass private Geldscheinausgaben also auch erfolgreich sein können, bewies Dr. Lutze eindrucksvoll, und noch heute sind die „Lutze-Thaler“ gern gesehen in den Alben der Geldscheinsammler.
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Battenberg Gietl Verlag, Bildarchiv
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