Verwirrung und Ratlosigkeit riefen Ende 1947 Alliierte Militärmark-Noten über 100 Mark hervor, bei denen vor der Kennziffer ein kleiner lateinischer Buchstaben gedruckt war.[1] Da bei ihnen das Geheimzeichen „F“ der US-Druckerei Forbes im Randornament fehlt, wurden sie den sowjetischen Drucken zugeordnet. Weil es diese Noten eigentlich nicht gab, ordnete die Landeszentralbank von Rheinland-Pfalz (Kaiserslautern) an, sie – wie auch alle Geldscheine sowjetischer Herkunft – zurückzuhalten. Ferner sollten alle seit dem 1. Oktober 1947 gefertigten Päckchen auf besagte 100–Mark-Noten kontrolliert werden.[2] Bereits am 10. November 1947 hatte sich die Landeszentralbank in Mainz mit der Bitte an die Hamburger Reichsbankleitstelle gewandt, eine dieser Militärmark-Noten zu 100 M mit der Kennnummer „c73 397 300“ zu begutachten.[3]
Die Militärmark-Scheine zu 100 Mark, vor deren 8-stelliger Kontrollnummer kleine Buchstaben gedruckt waren, waren alleiniges Thema bei der Besprechung bei Mr. Waights am 4. Dezember 1947, an der Mr. Owner und die Herren Martin Meyer und Lenbach teilnahmen.[4]
„Mr. Owner ließ die Möglichkeit offen, dass es sich bei diesen Noten um Fälschung aus der Fälscherwerkstatt Abraham handeln könnte.“[5]
Um hier Klarheit zu erlangen, sollten die Noten einer entsprechenden Prüfung unterzogen werden. Waights gab die Anweisung, die Noten bis auf Weiteres an den Kassen der Reichsbankanstalten einzulösen und in der Angelegenheit zunächst nichts zu unternehmen.
In seinem Gutachten kam der Technische Reichsbankinspektor Huth, Verantwortlicher der Falschgeldabteilung der Reichsbankleitstelle in Hamburg, zu einem eindeutigen, abschließenden Urteil.[6] Er begutachtete 136 Militärmark-Noten zu 100 Mark mit einem Buchstaben vor der Kennziffer sowie 54 Vergleichsstücke ohne Buchstaben vor der Kennziffer. In seiner Expertise heißt es u. a.:
„Obwohl bei einzelnen Noten teilweise recht erhebliche Abweichungen in der Druckausführung festgestellt worden sind, … handelt es sich bei den Noten mit einem Buchstaben vor der Nummer doch um echte Druck[e.] … Die zur Begutachtung vorliegenden Militärmarknoten weisen alle mehr oder weniger die Mängel auf, mit denen der Offsetdruck nun einmal behaftet ist. Fast nie stehen die Druckmuster so scharf auf dem Papier wie beim Original, wohl aber sind alle nur möglichen Variationen des Druckausfalls vertreten.“
Und an anderer Stelle schreibt er:
„Trotz sorgfältigster Untersuchung sind keine Unterschiede in der Linienführung bei den Zeichnungen im Vergleich der Noten mit Buchstaben vor den Nummern zu den Noten ohne Buchstaben vor den Nummern festgestellt worden.“
Und an anderer Stelle:
„Abweichungen der Farbtöne, besonders bei dem Aufdruck der Wertbezeichnungen, kommen bei Militärmarknoten sehr häufig vor. Auch die hier zur Begutachtung vorliegenden Noten mit einem Buchstaben vor der Nummer leiden unter diesem Mangel. Vom leuchtendem Rotviolett bis zum matten Braunrot sind die Nuancen vertreten. Es ist dies eine Erscheinung die, wenn nicht genügend Sorgfalt angewandt wird, in der gesamten Drucktechnik zu beobachten ist. Auch bei den Militärmarknoten ohne Buchstaben vor der Nummer kommen, wie schon bemerkt, Farbton-Abweichungen vor, sodass Schlüsse daraus auf die Unechtheit der Noten nicht gezogen werden können.“
Zum Papier macht er folgende Aussagen:
„Das zum Druck alliierter Militärmarknoten verwandte Papier ist etwa 110 g per qm schwer. Es handelt sich um ein gutes strapazierfähiges Papier mit eingearbeitetem Wasserzeichen, das aber meist nur teilweise an den druckfreien Papierrändern zu sehen ist, und das in dunklen Buchstaben die Worte ‚ALLIED MILITARY AUTHORITY‘ zeigt. Die Worte sind schwer zu entziffern, meist sieht man nur abwechselnd helle und dunkle senkrechte Striche. Durch die unklare Beschaffenheit des Wasserzeichens ist eine vergleichende Gegenüberstellung mit Militärmarknoten, die einen Buchstaben vor der Nummer tragen, nur von bedingtem Wert. Bei Prüfung muss man aber auch hier zu der Feststellung kommen, dass bei beiden Arten von Militärmarknoten, den Noten mit Buchstaben vor der Nummer und den Noten ohne, Papiere gleicher Qualität und mit gleichartigem Wasserzeichen verwandt wurden.“
Der Sachverständige hebt jedoch hervor, dass beim Druck der Noten, die einen waagerechten Strich vor der Nummer zeigen sowie bei Noten, deren Notennummern einen Buchstaben aufweisen, weniger Sorgfalt beim Druck verwandt worden ist als bei Noten, deren Notennummern mit „0“ oder „00“ beginnen.[7]
51 der 136 untersuchten Noten bezeichnet der Experte als Fehldrucke, die bei richtiger Kontrolle hätten ausgesondert werden müssen.
„Das Auftauchen dieser Fehldrucke im Zahlungsverkehr, noch dazu so massiert, ist auch ein Argument dafür, dass es sich nicht um eine Fälschung handeln kann. Ein Fälscher hätte diese Noten nicht in den Verkehr gegeben, er weiß, dass sie ihm zum Verhängnis werden können.“
Abschließend bemerkt Huth:
„Diese Feststellung kann auch nicht durch die Tatsache erschüttert werden, dass bei dem Nummernaufdruck auf mehreren Noten unterschiedliche Ziffern mitverwendet wurden. Ein Fälscher hätte das Gefahrmoment, das darin liegt, sicherlich nicht übersehen. Er hätte es auch gar nicht nötig gehabt, Ziffern mit abweichendem Druckbild zu verwenden, da ihm ja, wie das Vorliegen der Noten mit richtigen Ziffern beweist, einwandfreie Ziffern zur Verfügung standen. Es ist auch nicht anzunehmen, dass ein Fälscher bei seinen Nachahmungen Buchstaben vor die Notennummern setzt, wenn die echten Noten keine Buchstaben vor den Nummern aufweisen. Das entbehrt jeder Logik. Bei der Prüfung der Frage, warum denn überhaupt Buchstaben zur Verwendung gekommen sind, drängt sich die weitere Frage auf, ob es sich bei diesen Militärmarknoten nicht um Fehldrucke handelt, die auf unrechtmäßigem Wege in den Zahlungsverkehr gelangt sind. Eine Beantwortung dieser Frage ist aber von hier aus nicht möglich.“
Am 11. Januar 1948 informierte die Leitstelle die Briten darüber, dass man Scheine für rund 44.000 RM mit dem Buchstaben vor der Kennziffer aus dem Verkehr gezogen habe, die man am 10. März zusammen mit den beschädigten Militärmark-Noten der Militärregierung zur Erstattung vorlegen wolle.
Die Anlage zum Gutachten nennt folgende Buchstaben- und Ziffernfolge bei den acht-ziffrigen Kennnummern: a71 …, b72 …, c73 …, m76 …, o78 …, p79 …, t80 … und x93 ... Die Lücken bei den Buchstaben lassen Ausgaben mit weiteren Buchstaben vermuten.
Bis heute liegt der Grund für die Ergänzung der achtstelligen Kennnummer mit den lateinischen kleinen Buchstaben im Dunkeln.
„Die wahren Umstände kennen nur die beteiligten Zeitzeugen, entsprechende Unterlagen lassen sich wohl nur im Archiv-Keller von Gonzak [in Moskau] finden.“[8]
Uwe Bronnert
Anmerkungen
Zitate werden in der heute geltenden Rechtschreibung wiedergegeben.
[1] Nach Akten des Historischen Archivs der Deutschen Bundesbank, B330/13172/1.
[2] Rundverfügung Nr. 87/47 vom 27. November 1947.
[3] Nach einer Zeitungsnotiz der Süddeutschen Zeitung sollen auch Militärmarknoten zu 20 und 50 Mark mit einem Buchstaben vor der Nummer im Zahlungsverkehr aufgetaucht sein.
[4] Die genaue Funktion von Waights und Owner ist mir nicht bekannt. Beide dürften aber bei der britischen Banking Branch tätig gewesen sein.
[5] Vermerk vom 5. Dezember 1947 zu der Besprechung vom Vortag. Leider konnte nicht ermittelt werden, wer mit Fälscherwerkstatt Abraham gemeint ist.
[6] Gutachten vom 9. Dezember 1947 über auf Mark 100 lautende Militärmarknoten, die einen Buchstaben vor der Nummer tragen.
[7] Anm. d. Verf.: Die neunstelligen Kennnummern der amerikanischen Drucke beginnen stets mit einer „0“, die russischen Drucke mit einer „1“. Die achtstelligen Kennnummern mit dem vorgesetzten „-“ sind in der Regel russischen Ursprungs, ansonsten handelt es sich um amerikanische Austauschnoten. Letztere weisen dann das Geheimzeichen auf.
[8] Michael H. Schöne, Mysterium: 100 Mark 1944, Sowjetische Alliiertescheine mit rätselhaften Kontrollnummern, in: Münzen & Sammeln, Januar 2015, S. 157 ff.
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