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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Regensburger Notgeld

Aktualisiert: 26. März 2021

Als Erster Weltkrieg und Inflation Stadt und Unternehmer

zur Ausgabe von eigenem Papiergeld zwangen


Geld wurde nicht erfunden wie die Dampfmaschine oder die Glühbirne. Lange kamen die Menschen ohne Geld aus. Doch als der Tauschhandel sich so spezialisiert hatte, dass immer mehr unterschied­liche Waren angeboten wurden, brauchte es eines allgemein anerkannten Tauschmittels, das überall und gegen jede Ware oder Leistung einlösbar war. Die Entstehung des Gelds ist damit weltweit eingebettet in den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess des Menschen. Waren solche „Tauschmittel“ anfänglich noch ­Muscheln, Mühlsteine, Waffen oder Werkzeuge, so führte die Entwicklung des Gelds über genormte Edelmetallmengen und das Buchgeld zum Geldschein und schließlich bis hin zum „elektronischen Geld“ unserer Tage.


Kleingeldersatzmarke der Stadt Regensburg über 10 Pfennig ohne Datum (1917) mit Stadtwappen.


Notgeld im Ersten Weltkrieg

Wenn Notenbanken und der Staat nicht mehr in der Lage sind, die Versorgung des Umlaufs mit Zahlungsmitteln zu sichern, dann bleibt Regionen, Städten, Gemeinden und Firmen oft nichts anderes übrig, als eigenes Geld zu emittieren, soll der gesamte Wirtschaftskreislauf nicht zum Erliegen kommen.

Als vor nunmehr 100 Jahren der Erste Weltkrieg begann, löste dies die erste deutsche Notgeldepoche aus. Bereits am Tag der Erklärung des „Zustandes der drohenden Kriegsgefahr“, dem 31. Juli 1914, stellte die Deutsche Reichsbank die bis dahin garantierte Einlösung von Reichsbanknoten in Gold ein. Im Falle eines Kriegs benötigte man „Bares“ in Form von Barren- oder Münzgold, um dringend benötigte Rohstoffe und Waren aus dem Ausland einkaufen zu können. Die Folge war, dass nicht nur die Reichsbank Metallgeld hortete, sondern auch die Bevölkerung. Auch die nach Gesetz vom 4. August 1914 erfolgte Einführung sog. Darlehnskassenscheine, konnte den spürbaren Mangel an Münzgeld nicht ausgleichen. Besonders in den bedrohten deutschen Grenzregionen, wie Elsaß-Lothringen und dem bereits teilweise von russischen Truppen besetzten Ostpreußen, kam es schon kurz nach Kriegsausbruch zur Ausgabe kommunalen Notgelds. Da die Ausgabe von Geld aber alleiniges Hoheitsrecht des Staats war und ist, erfolgte die Ausgabe des Notgelds in jener Zeit ohne Genehmigung und damit illegal. Die Verwaltungen und Behörden duldeten stillschweigend die erste deutsche Notgeldflut, da die Lage zu schnellstem Handeln zwang.


Stadtmagistrat Regensburg: Kriegs-Geldschein über 50 Pfennig von 1918.

Vorderseite: Gekreuzte Schlüssel des Stadtwappens. Rückseite: Historische Stadtansicht mit Steinerner Brücke und Salzstadel. Erste Auflage.


Die Situation des Geldumlaufs in Regensburg blieb in den ersten Kriegsjahren so stabil, dass von der Ausgabe eigenen Notgelds abgesehen werden konnte. Erst als sich mit Fortschreiten des Kriegs ab 1916 erneut ein spürbarer Kleingeldmangel einstellte, führte dies 1917 auch in Regensburg zur Ausgabe von sog. Kleingeldersatzmarken über 5, 10 und 50 Pfennig aus Metall und ab 1918 zur Emission von Kleingeldscheinen des Stadtmagistrats zu Nennwerten über 25 und 50 Pfennig, von denen es noch zu Neudrucken in farblich leicht veränderter Form kam. Der Druck beider Auflagen erfolgte bei der Kunst-Anstalt von H. Schiele in Regensburg.


Stadtgemeinde Regensburg: Gutschein über 5 Mark, ausgegeben nach Beschlüssen der städtischen Kollegien vom 4. und 8. Oktober 1918.

Vorderseite eines nicht mehr ausgegebenen Scheins mit Stadtwappen und Ornamenten.

Stadtgemeinde Regensburg: Gutschein über 5 Mark, Rückseite mit Entwertungs-Stempel.


Nur Wochen vor dem Waffenstillstand am 11. November 1918 gab die Stadtgemeinde Regensburg, basierend auf Beschlüssen der städtischen Kollegien vom 4. und 8. Oktober 1918, Gutscheine über 5, 10 und 20 Mark aus, da längst nicht nur das Kleingeld im Umlauf fehlte, sondern nun auch das Großgeld in Mark-Beträgen. Die Gültigkeit der Gutscheine war bis zum 1. Februar 1919 beschränkt. In dieser vom Kriegsende, der Novemberrevolution, dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und den politisch turbulenten Anfängen der ersten deutschen

Republik geprägten Zeit, wurden jedoch längst nicht alle gedruckten Regensburger Gutscheine auch ausgegeben, und so kommen heute meist nur entwertete Stücke vor, die aus Restbeständen stammen und seinerzeit an Notgeldsammler abgegeben wurden. Ausgehend von den bis zu sechstelligen Kontrollnummern, erreichten die Auflagen je Nominal eine Größenordnung von mehr als 100000 Stück. Der Druck erfolgte bei der Firma der Gebrüder Parcus in München, die für viele Städte und Gemeinden Notgeld herstellte. Es kommen auch Musterscheine ohne Kontrollnummer und mit oder ohne Perforation „UNGÜLTIG“ vor, die deutlich seltener sind.


Notgeld nach dem Krieg

Nach dem Krieg war es der hohen Staatsverschuldung und den gewaltigen Reparationsforderungen der Alliierten geschuldet, dass die nach der Reichsgründung von 1871 als deutsche Einheitswährung geschaffene Mark in eine der größten Inflationen der Weltgeschichte geriet und darin unterging.


Gutschein der Stadthauptkasse Regensburg über 1 Pfennig ohne Datum (1920) in Originalgröße. Rückseite mit Stadtwappen.


Der am 28. Juni 1919 unter Protest der von den Verhandlungen ausgeschlossenen deutschen Vertreter unterzeichnete Frieden von Versailles, stellte nicht nur das 14-Punkte-Programm des US-Präsidenten Woodrow Wilson vom Januar 1918 auf den Kopf, das u.a. offene und öffentlich abgeschlossene Friedensverträge gefordert und Deutschland zum Abschluss des Waffenstillstands bewogen hatte, sondern hier wurde auch die Alleinschuld Deutschlands und seiner Verbündeten am Ersten Weltkrieg festgelegt, die den Alliierten als Grundlage für die verpflichtende Wiedergutmachung aller Kriegsschäden durch das Deutsche Reich diente. Zwar wurde 1919 noch keine konkrete Summe genannt, doch bis zum 30. April 1921 war ein erster Abschlag in Höhe von 20 Milliarden Goldmark in bar und in Waren zu zahlen. Am 29. Januar 1921 legte schließlich der Oberste Rat der Alliierten im „Pariser Beschluss“ die Gesamthöhe der Wiedergutmachung auf 226 Milliarden Goldmark, zahlbar in 42 Jahresraten, steigend von 2 bis auf 6 Milliarden Goldmark fest. Darüber hinaus hatte Deutschland noch 12% des Werts seiner sämtlichen Ausfuhren an die Alliierten zu leisten. Die letzten Raten zahlte die Bundesrepublik Deutschland übrigens im Oktober 2010.


Zahlungsanweisungen des Stadtrats Regensburg über 500000 und 1 Million Mark vom 8. August 1923. Einlösbar bei allen Regensburger Banken und Bankgeschäften mit Ausnahme der Reichsbank. Druck einseitig.


Zahlungsanweisungen des Stadtrats Regensburg über 500000 Mark vom 18. August 1923, 1 Million Mark vom 20. August 1923 und 2 Millionen Mark vom 25. August 1923.

Die beiden ersten Werte waren nur einseitig bedruckt. Der 2-Millionen-Mark-Schein zeigt auf der Rückseite das Alte Rathaus von Regensburg sowie zwei historische Stadtsiegel.


Der Regierung der jungen Weimarer Republik blieb aufgrund dramatischen Devisenmangels nichts anderes übrig als der Versuch, die Reparationsforderungen durch Verhandlungen abzuschwächen, was sich direkt auf den Devisenkurs auswirkte. Am 15. August 1922 hatte der Dollar-Kurs erstmals die 1000-Mark-Marke überschritten. Als daraufhin die Gefahr einer neuen Notgeldflut drohte, machte der Erlass des Reichsministers der Finanzen vom 18. September 1922 die Ausgabe von Notgeld von einer Genehmigung abhängig. In dieser Zeit der sog. Vorinflation, die vom August 1922 bis Juni 1923 dauerte, gab es jedoch in Regensburg keine neuen Notgeldemissionen.

Nachdem in Regensburg 1920 noch einmal Kleingeldscheine in Umlauf gekommen waren – zu je 1 Pfennig von der Firma Gebrüder Hanemann - J. W. Neumüller und von Jos. Plank, zu je 1 und 2 Pfennig von der Stadt sowie von den Firmen Kolonialwaren Ludwig Bolz, ­Bäckerei Hans Eigner und F. Will, zu 1, 2 und 3 Pfennig von J. Rossmeier sowie zu 1, 2, 3 und 4 Pfennig von Carl Held (P. Held) – sollte es drei Jahre dauern, bis die Hochinflation auch Städtväter und Unternehmen von Regensburg zur Ausgabe bisher ungeahnter Wertstufen zwang.


Notgeld der Hochinflation

Bereits im Juni 1922 hatte Reichskanzler Wirth die Geldzahlungen an die Reparationskommission mit dem Hinweis auf den Kursverlust der Mark und den inflationären Anstieg der Inlandspreise ausgesetzt. Auch die neue Regierung Cuno blieb bei diesem Kurs und konnte Sachreparationen aufgrund der enormen Belastungen für die deutsche Wirtschaft nur verzögert oder in geringeren Mengen leisten. Die Alliierten des Ersten Weltkriegs, allen voran Frankreich, wollten jedoch keinesfalls auf die geforderten Reparationsleistungen verzichten, zumal damit auch die französischen Kriegsschulden bei den Vereinigten Staaten von Amerika bezahlt werden sollten.

Als am 11. Januar 1923 der französische Ministerpräsident seine Drohung wahrmachte und eine französisch-belgische Armee in das Ruhrgebiet einmarschierte, um „produktive Pfänder“ zu nehmen, brach Panikstimmung aus und die deutsche Währung stürzte ab. Der Dollar-Kurs, der am 2. Januar 1923 noch bei 7260 Mark stand, erreichte noch am Tag der Besetzung den Wert von 10450 Mark und kletterte bis zum 31. Januar auf 49000 Mark. Von Mitte Februar bis Mitte April 1923 gelang es der Reichsbank zwar durch den Einsatz des Goldes, das für die Reparationsleistungen vorgesehen war, den Dollar-Kurs stabil bei 21000 bis 22000 Mark zu halten, als der Dollar-Kurs am 14. Juni 1923 aber die 100000-Mark-Marke überschritten hatte, gab die Reichsbank nach einem letzten Akt der Verzweiflung schließlich Ende Juni 1923 jeden Widerstand auf. Am 30. Juli 1923 wurde der US-Dollar schon mit 1,1 Millionen Mark gehandelt. Nur eine Woche später stand der Wechselkurs am 7. August bei 3,3 Millionen Mark. Jetzt gab es eine wahre Flut von Notgeld in vielen deutschen Städten, von der auch Regensburg nicht verschont blieb. Die Reichsbank war trotz der Ausgabe immer höherer Werte von Reichsbanknoten nicht mehr in der Lage, mit der Inflation Schritt zu halten.


Gutschein der Schlüsssel­bleistiftfabrik J. J. Rehbach über 20 Milliarden Mark vom 30. Oktober 1923 mit Firmen­ansicht auf der Rückseite.


Gutschein der Oberpfalzwerke AG über 100 Milliarden Mark vom 1. November 1923.


Mit Datum vom 8. August 1923 gab der Stadtrat Regensburg Zahlungsanweisungen in Beträgen zu 500.000 und 1 Million Mark in den Verkehr. Das war jedoch nur ein Tropfen auf den sprichwörtlichen heißen Stein, denn schon kurz darauf sollte eine neue Auflage dieser Wertstufen mit Datum vom 18. bzw. 20. August 1923 notwendig werden.

Mit Datum vom 25. August folgte schließlich ein Wert über 2 Millionen Mark.


Gutschein der Rana-Werke Kom. Ges. über 100 Milliarden Mark vom 15. November 1923 mit Darstellung von Eisenbahn, Automobil und Schiffen auf der Rückseite. Ein Rana-Werk befand sich in der Margaretenstraße 4 und stellte Leitern, Wagen, Eisenbahn- und Feuerwehrgeräte her. Das zweite Regensburger Rana-Werk war in der Bahnhofstraße 17 und lieferte Ausrüstungen für Eisenbahnwaggons, Schiffe und Flugzeuge.


Am 9. Oktober 1923 lag der Dollar-Kurs schon bei 1,12 Milliarden Mark und die deutsche Währung befand sich im freien Fall. Nur fünf Wochen später kostete der US-Dollar am 14. November schon 1,26 Billionen Mark. In dieser Zeit gab die Stadt Regensburg, anders als viele anderen deutschen Städte, von denen auch Notgeld in Milliarden- und sogar Billionen-Werten bekannt ist, keine weiteren Notgeldscheine mehr in Umlauf. Die bereits ausgegebenen Werte von 500000 bis 2 Millionen Mark erfüllten mit dem zunehmenden Kursverfall aber schon im Oktober 1923, also nur Wochen nach ihrer Ausgabe, nicht einmal mehr die Funktion von Wechselgeld. In der Stadt kursierten neben Reichs­bank­noten Noten der Bayerischen Notenbank, Scheine der Bayerischen Staatsbank sowie eine Vielzahl von privatem Notgeld. Da die Reichsbank bei dem rasanten Wertverfall der Papiermark nicht mehr in der Lage war, den Bedarf an Zahlungsmitteln zu decken, obwohl in der Hochinflation 1923 insgesamt 133 Druckereien und 30 Papierfabriken in ihrem Auftrag arbeiteten, die zusammen über 10,1 Milliarden Reichsbanknoten im Gesamtwert von 3877 Trillionen Mark herstellten – das entsprach einer Ladung von 1700 Eisenbahnwaggons, fehlte es vor allem in den Betrieben, die ausgehend vom täglichen Kursverfall der Mark zu täglichen Lohnzahlungen gezwungen waren, ständig an Zahlungsmitteln. So kam es auch zur Emission von Firmennotgeld verschiedener Regensburger Unternehmen. Den Anfang machte die Ausgabe der Bankabteilung der Lagerhausverwaltung Waldsassen, Geschäftsführung der Fichtelgebirgs-Verkaufsgenossenschaft in Regensburg über 20 Millionen Mark vom 15. September 1923. Die Schlüsselbleistiftfabrik J. J. Rehbach gab Gutscheine über 10, 20 und 50 Milliarden Mark mit Datum vom 30. Oktober und über 100 Milliarden Mark mit Datum vom 5. November 1923 aus. Im November folgten Gutscheine der Oberpfalzwerke AG für Elektrizitätsversorgung über 50, 100 und 500 Milliarden Mark. Die Rana-Werke, die über zwei Betriebsstätten in Regensburg und eine in Klardorf verfügten und Ausrüstungen für Schiffe, Eisenbahnen und Automobile herstellten, gaben einen Gutschein über 100 Milliarden Mark mit Datum vom 15. November 1923 aus.


Goldschuldverschreibung der Stadt­gemeinde Regensburg über 21 Goldmark vom 21. Dezember 1923.


Ende 1923 versuchte man, die Inflation durch sog. wertbeständiges Notgeld zu bremsen, und mit Einführung der Rentenmark, die auf einem Kurs von 1 Dollar / Rentenmark = 4,2 Billionen Mark basierte, kam das Ende der Inflation. Die Fürstlich Thurn und Taxissche Verwaltung gab Notgeldscheine über 4,20 Goldmark mit Gültigkeit vom 15. November 1923 bis 31. Januar 1924 aus. Der Stadtrat Regensburg ließ Goldschuldverschreibungen über 8,40, 21 und 42 Goldmark vom 21.12.1923 drucken, die aber aufgrund eines Aufgelds von 12% mit Einlösung am 2. Januar 1929 als Wertpapiere anzusehen sind. Von den Oberpfalzwerken ist noch eine Ausgabe über 2 Rentenmark mit Datum 1923 bekannt. Mit der Reichsmark hatte Deutschland dann ab 1924 wieder eine stabile Währung.


Hans-Ludwig Grabowski

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