Am 18. Januar 1871 wurde im Spiegelsaal des Versailler Schlosses vor den Toren von Paris der preußische König Wilhelm zum deutschen Kaiser ausgerufen. Eine der dringendsten Aufgaben des neuen Deutschen Reichs bestand darin, die verworrenen Währungsverhältnisse zu lösen. Alle Bundesstaaten hatten eigene Münzen ausgegeben. Nicht weniger als sechs unterschiedliche Münzsysteme gab es.[1] Erwies sich bereits das Umrechnen zwischen den Hauptwährungen Taler (im 30-Talerfuß) und Gulden als problematisch, so wurde das Rechnen in den Untereinheiten vollends verwirrend. Hauptproblem bei der Umrechnung zwischen den Münzen war die Duo-Dezimalität
und die begriffliche Identität der Geldeinheiten in den verschiedenen Münzsystemen (z.B. bei Pfennigen und Schillingen). Zusätzlich kursierten weiterhin Münzen anderer, veralteter Münzsysteme (14-Talerfuß usw.). Unter ihnen fanden sich selbst solche aus dem 18. Jahrhundert, teils von nicht mehr existierenden Herrschaften. Auch ausländische Silber- und Goldmünzen waren im Zahlungsverkehr an der Tagesordnung.[2] Daher befasste sich der Reichstag bei seiner ersten Sitzung am 21. März 1871 bereits mit der Schaffung einer reichseinheitlichen Währung.
Der internationalen Entwicklung folgend, sollte der Wert der neuen Währung durch Gold statt durch Silber gedeckt werden. Der Übergang hierzu wurde durch Kriegsentschädigungszahlungen der französischen Regierung erleichtert. Sie beliefen sich auf die damals unvorstellbare Summe von 5 Milliarden Franken, darunter 617 Millionen in bar, also in Gold, 125 Millionen in Banknoten und 4248 Millionen in Handelswechsel. Mit den Banknoten und Handelswechseln konnte weiteres Gold erworben werden. Man brauchte also nicht erst das umlaufende Silbergeld einzuziehen, um dafür Gold zu kaufen.
Das „Gesetz, betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen“ vom 4. Dezember 1871 bestimmte in § 1, dass aus einem Pfund Feingold 139 ½ 10-Mark-Münzen zu prägen seien.
§ 2 legte fest: „Der zehnte Theil dieser Goldmünze wird Mark genannt und in hundert Pfennige eingetheilt.“ Schließlich regelte das Gesetz auch das Wertverhältnis der bisherigen Landeswährungen zur neuen Goldwährung. Mit der Ausführung des Gesetzes begann man unverzüglich, und noch im Dezember 1871 wurden die ersten Reichsgoldmünzen ausgegeben. Bis Ende April 1873 waren schon Goldmünzen für über 600 Millionen Mark geprägt.
Das „Münzgesetz“ vom 9. Juli 1873 brachte dann die Münzreform in Gang. Außer den Reichsgoldmünzen zu 10 und 20 Mark sollten auch solche zu 5 Mark sowie Reichssilbermünzen zu 5, 2 und 1 Mark sowie 50 und 20 Pfennig, ferner Reichsnickelmünzen zu 10 und 5 Pfennig sowie Reichskupfermünzen zu 2 und 1 Pfennig geprägt werden. Erst das Münzgesetz sprach es in § 1 ausdrücklich aus, dass „an die Stelle der in Deutschland geltenden Landeswährungen … die Reichsgoldwährung“ tritt und „der Zeitpunkt, an welchem die Reichswährung im gesammten Reichsgebiet in Kraft treten soll“ durch eine Verordnung des Kaisers bestimmt wird. Diese „Verordnung, betreffend die Einführung der Reichswährung“ vom 22. September 1875 legte als Termin den 1. Januar 1876 fest.
Bis auf Lippe-Detmold, Lauenburg, Lübeck, Bremen, Hamburg und dem neuen Reichsland Elsass-Lothringen hatten alle Bundesländer Staatspapiergeld emittiert.[3] Das „Gesetz, betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen“ vom 30. April 1874 verpflichtete die Bundesstaaten, ihr Staatspapiergeld bis zum 1. Juli 1875 zur Einlösung aufzurufen.[4]
An ihre Stelle traten die Reichskassenscheine zu 5, 20 und 50 Mark. Die Ausgabe dieses reichseinheitlichen Staatspapiergelds war auf 120 Millionen Mark – etwa 3 Mark je Kopf der Bevölkerung – begrenzt. Entsprechend ihrer Bevölkerungszahl (Zählung vom 1. Dezember 1871) erhielten die Bundesstaaten die Reichskassenscheine zur Einlösung ihres Papiergelds. Bis zum 1. Januar 1876 sollte die Aktion abgeschlossen sein. Allerdings befand sich weit mehr altes Staatspapiergeld im Umlauf als die festgesetzten 120 Millionen Mark. Ende 1874, also mehr als fünf Monate nach Verabschiedung des Gesetzes, errechnete man, dass etwa 39,8 Millionen Taler und 37,8 Millionen Gulden, also exakt 184.298.529 Mark altes Staatspapiergeld einzulösen war. Das Gesetz enthielt bereits eine Ermächtigung des Reichskanzlers, den Gesamtbetrag vorübergehend zu erhöhen. Bundesstaaten, deren Papiergeldausgaben den ihnen zugestandenen Betrag überstiegen, erhielten zwei Drittel
des Differenzbetrags entweder in „baarem Geld“ – also Goldmünzen – oder in Reichskassenscheinen als „Vorschuss“ auf ihre Steuer- und sonstigen Einnahmen, je nach dem Barvermögen der Reichskasse. Insgesamt wurden Reichskassenscheine im Betrag von 174,7 Millionen Mark ausgegeben. Die „Sonderzuführungen“ wurde dann innerhalb von
15 Jahren zurückgezahlt, sodass ab 1891 nur noch die im Gesetz vorgesehenen 120 Millionen Mark an Reichskassenscheinen im Verkehr waren.
Für Privatpersonen bestand keine Annahmepflicht der Reichskassenscheine, jedoch hatten allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten sie in Zahlungen zu nehmen und die Reichs-Hauptkasse löste sie für Rechnung des Reichs jederzeit in barem Geld ein.
Am 29. Juni 1874 beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung, dass ein Zehntel des Gesamtbetrags in Abschnitten zu 50 Mark, drei Zehntel in Abschnitten zu 20 Mark und sechs Zehntel zu 5 Mark ausgefertigt werden sollten. In den folgenden Jahren wurde dieses Verhältnis mehrfach zugunsten des 50-Mark-Scheins geändert. Der Bundesratsbeschluss vom 25. Februar 1886 legte schließlich für den Umlauf 30 Millionen Mark in Scheinen zu 20 Mark, 20 Millionen in Scheinen zu 5 Mark und 70 Millionen Mark zu 50 Mark fest.
Die Ausfertigung der Reichskassenscheine erfolgte durch die Preußische Haupt-Verwaltung der Staatsschulden unter der Bezeichnung „Reichsschulden-Verwaltung“. Die Herstellung
der ersten Emission mit dem Datum vom 11. Juli 1874 besorgte die preußische Staatsdruckerei. Die Kosten betrugen im ersten Jahr etwa 300.000 Mark, 1875 und 1876 jeweils 600.000 Mark.
Ihre Ausgabe wurde 1875 im "Centralblatt für das Deutsche Reich" bekannt gemacht.
Ein Einlösungsversprechen wie auf Banknoten enthalten die Scheine nicht, wohl aber neben der Bezeichnung des Scheins und der Angabe des Nennwerts, Ort, Datum, ausfertigende Behörde, Unterschriften, Strafsatz und den Hinweis auf das zugrunde liegende Gesetz.
„Das Papier – geschöpftes weißes Hanfpapier – wurde für die Abschnitte zu 5 Mark in der Papierfabrik Gebrüder Ebart in Spechthausen angefertigt und erhielt das Wasserzeichen – hell auf dunklem Grunde – die deutsche Kaiserkrone mit der Zahl 5 darunter. Das Papier für die Abschnitte zu 20 und 50 Mark lieferte die Eichberger Papierfabrik (R. von Decker) in Eichberg bei Schildau (Bober). Das Wasserzeichen des Papiers für die 20er bestand in der Kaiserkrone und der Zahl 20 darunter und für die 50er in dem Reichsadler und der Werthzahl 50 zu beiden Seiten. Von dem kreisförmigen dunklen Grunde, aus welchem Krone und Adler hervorleuchten, ging nach oben und unten sowie nach rechts und links je ein 1,7 cm breiter dunkler Streifen durch das Papier. Der Druck erfolgte bei den 5 Mark-Scheinen zu 12 Stück, bei den anderen beiden Werthen zu 8 Stück auf den Bogen. Die Schauseite ist in Kupferdruck, die Rückseite in Buchdruck ausgeführt.“[5] Die bildlichen Darstellungen auf den Originalplatten wurde vom Kupferstecher Eilers gestochen.
DEU-45: Reichs-Kassen-Schein, 11. Juli 1874, 5 Mark, Vorder- und Rückseite.
DEU-46: Reichs-Kassen-Schein, 11. Juli 1874, 20 Mark, Vorder- und Rückseite.
DEU-47: Reichs-Kassen-Schein, 11. Juli 1874, 50 Mark, Vorder- und Rückseite.
Die Gestaltung der Kassenscheine entspricht dem Zeitgeschmack. Die Vorderseiten wurden in Tiefdruck und die Rückseiten im Hochdruck ausgeführt. Der 5-Mark-Schein ist 125 x 80 mm groß und wiegt 0,725 g. Die stahlblaue Vorderseite zeigt im Mittelfeld auf guillochiertem Grund in Schwarz außer dem Text den Reichsadler, unter dem zwei sitzende Putten eine Laubgirlande halten. Der 20er hat die Maße 140 x 90 mm und ein durchschnittliches Gewicht von 0,9288 g. Der blassgrüne Unterdruck der Vorderseite wird dominiert von der grünen Abbildung eines Reichsherolds, der das von einem Kranz umgebene Schild mit der Wertzahl 20 hält. Der Schein zu 50 Mark schließlich misst 150 x 100 mm und wiegt 1,25 g.
Die Vorderseite ist in brauner Farbe auf blassgrünem Druck ausgeführt. Zwei geflügelte Allegorien (Militär und Landwirtschaft) halten die Kaiserkrone, unter der sich die Wertangabe befindet. Die Rückseite bei den Nominalen zu 5 und 50 Mark ist rein ornamental gehalten, während der Wert zu 20 Mark auf blassgrünem Unterdruck eine kreisförmige Figur mit dem Reichsadler und der Umschrift "Reichs-Kassen-Schein" zeigt.
„Die Reichs-Kassenscheine zu 5 Mark werden in Reihen von 20 Blättern eingetheilt, jedes Blatt enthielt 5000 Nummern und auf jede Nummer kamen 12 Scheine mit den unterscheidenden Buchstaben A bis M. Bei den Scheinen zu 20 und 50 Mark bestehen
die Serien nur aus 5 Blättern und führten immer 8 Scheine die gleiche Nummer und zur Unterscheidung einen der Buchstaben A bis H.“[6]
Wie bei vielen Papiergeldscheinen des 19. Jahrhunderts – dies gilt auch für die preußischen Kassenanweisungen – werden auf den Reichskassenscheinen neben den gedruckten Faksimile-Unterschriften (Löse, Herin, Röhjer) auf der Vorderseite, noch ein handschriftlicher Namenszug des Ausfertigungsbeamten auf der Rückseite wiedergegeben. Dies entsprach auch der Handhabung bei den von der Reichsschuldenverwaltung ausgegebenen Wertpapieren.
Bereits um die Jahreswende 1875 wurden die ersten falschen 20-Mark-Scheine aus dem Verkehr gezogen. In den folgenden Jahren kamen Fälschungen der 5er und 50er hinzu.
Der Bundesrat erließ daher am 24. März 1876 Bestimmungen, wie mit gefälschten Reichskassenscheinen zu verfahren war: Danach hatten alle Reichs- und Landeskassen eingehende nachgemachte oder verfälschte Reichskassenscheine anzuhalten. Falschstücke, die vom Kassenbeamten ohne Weiteres als solche erkannt wurden, waren sofort der zuständigen Justiz- oder Polizeibehörde zu übergeben. Erschien die Echtheit des Scheins dagegen zweifelhaft, so sollte dem Besitzer eine Bescheinigung ausgehändigt werden und der Schein der Reichsschuldenverwaltung (Königlich Preussische Hauptverwaltung der Staatsschulden, Berlin S. W., Oranienstrasse 94) zur Prüfung vorgelegt werden.[7]
Im "Illustrirten Anzeiger" findet sich ein Hinweis, „in welcher Weise man bei den 5-Markscheinen die Richtigkeit der Folionummer auf der linken Seite mit der Nummer auf der rechten Seite und damit die Aechtheit des Scheines prüfen kann … Streicht man nämlich die drei letzten Zahlen der rechtsseitigen Nummer ab, dividirt in die verbleibenden mit 5, setzt der sich daraus ergebenden Zahl die Ziffer 1 zu, so erhält man die richtige Foliozahl auf der linken Seite de Scheines. Zum Beispiel: Der Schein trägt linksseitig Fol. 114 und rechtsseitig Nr. 0565230, so streicht man die letzten Ziffern 230 ab, dividirt in die verbliebene Zahl 0565 mit 5, ergibt dies 113, die Zahl 1 zugesetzt ist gleich 114, welches der richtigen Folionummer entspricht. – Diese Prüfung ist auch auf andere und raschere Art, die übrigens auf sämmtliche Markscheine Anwendung findet, möglich, wenn man die letzten drei Stellen der rechtsseitigen Nummern wegstreicht, die übrig bleibende Zahl mit 2 multiplicirt, hierauf von dem Product die letzte Stelle wegstreicht und 1 dazu zählt, so ergibt sich die linksseitige Folionummer.
Betreffs dieses Verhältnisses der Stücknummer zur Folionummer auf den Fünf-Markscheinen dient nichts leichter zur Prüfung der Richtigkeit, als sich zu erinnern, dass auf jedem Folium 5000 Stücknummern eingetragen stehen. Theilt man die Stücknummer einfach durch 5000 und ergänzt den Quotienten auf die nächste ganze Zahl, so hat man in dieser die richtige Nummer des Foliums.“[8]
Vor einem falschen Reichskassenschein zu 20 Mark wird gewarnt.[9]
Immer wieder tauchten in den 1870er-Jahren Falsifikate auf. Welche Gefahr von ihnen ausging, wird am folgenden Beispiel deutlich. „Am 1. Dezember 1882 hatte ein Notar in Elberfeld von einem Rentner in Barmen ein Kapital von 15000 Mark zum Ausleihen erhalten. Unter den Scheinen befanden sich 194 Fünfzig-Mark-Scheine = 9700 Mark. Der Notar hinterlegte bei einem Bankhause, dessen Kassierer das Geld ohne Bedenken annahm.
Später schöpfte man jedoch Verdacht und sandte einen Schein zur Reichs-Bankstelle
zur Prüfung. Es stellte sicher heraus, dass von den 194 Scheinen zu 50 Mark 190 falsch waren.“[10]
Da die erste Ausgabe keinen ausreichenden Schutz gegen Fälschungen bot, wurde unter dem Datum des 10. Januar 1882 eine zweite Ausgabe emittiert. Um Entwürfe für die neue Ausgabe zu erhalten, wurden eine Anzahl deutscher Künstler aufgefordert, an einem Preisausschreiben teilzunehmen, bei dem für jede Wertstufe ein Entwurf der Vorderseite und eine Zeichnung der Rückseite einzureichen war. Die Motivwahl war dem Künstler freigestellt, einzig Bildnisse von lebenden Personen waren ausgeschlossen. Ferner sollte auf der Rückseite ein durchziehender Faserstreifen sichtbar sein. Er sollte eine leichtere Kontrolle
der Echtheit ermöglich.
Ein Ausschuss, bestehend aus zwei Mitgliedern des Bundesrats, einem Mitglied des Reichs-Schatzamts, dem technischen Referenten für Kunstangelegenheiten im preußischen Kultusministerium, dem Direktor der Reichsdruckerei und dem Kupferstecher Professor Mandel (Berlin), empfahl die Arbeiten von Professor Wilhelm Sohn (Düsseldorf) mit einigen Abänderungen zur Ausführung. Kaiser Wilhelm I. genehmigte durch Allerhöchsten Erlass vom 18. Dezember 1880 die Entwürfe.
Entwurf des Reichskassenscheins von 1882 über 20 Mark.[11]
In der Größe weichen die Scheine der neuen Ausgabe von denen der ersten nicht ab.
Jedoch verwendete die Reichsdruckerei[12] jetzt das neuartige Wilcox-Faserpapier, benannt nach dem Erfinder M. Wilcox aus Glen Mill, Pennsylvania.[13] Bei diesem Spezialpapier werden an bestimmten Stellen farbige Pflanzenfasern eingebettet. Sie sollten Fälschungen erschweren. Zusätzlich wurde das Papier sämtlicher Scheine mit senkrechten Rippen versehen, die anfangs stark hervortreten, sich bei längerem Umlauf zwar glätten, aber nicht ganz verschwinden. Die Anfertigung des Papiers erfolgte bei der Papierfabrik Gebrüder Ebart in Spechthausen bei Eberswalde.
Beide Scheinseiten wurden in Kupferstichdruck ausgeführt, und zwar beim 50er in brauner, beim 20er in grünschwarzer und beim 5er in blauschwarzer Farbe. Kupferstecher Professor Ernst Forberg (Düsseldorf) führte den Hauptteil der Druckplatte zu 50 Mark aus, während die Ergänzungen von bewährten Kupferstechern der Reichsdruckerei erledigt wurden.
Die Rückseiten der drei Werte wurden gleich gestaltet – in einem Band die Wertangabe in Buchstaben, darüber in Ziffern. Auf dem sonst unbedruckten linken Scheindrittel finden sich erstmals die Notennummern in der für die Reichsdruckerei typischen Form und ein Siegel der Reichsschuldenverwaltung, das den handschriftlichen Namenszug ersetzt.
Die Vorderseiten weisen jeweils bildliche Elemente auf, der 5er einen geharnischten Ritter
mit einem Zweihandschwert auf der Schulter, während die Hand seines linken Arms auf einem Schild mit dem Reichsadler ruht. Beim 20er halten zwei Putten ein Gebinde von Blättern und Früchten, die ein Wappen mit dem Reichsadler umgeben. Der Kassenschein zu 50 Mark schließlich zeigt eine geflügelte weibliche Gestalt, auf einem Säulenkapitell sitzend, das Haupt mit einem Eichenkranz geschmückt, in der linken Hand den Merkur- bzw. Hermes-Stab und in der rechten eine Sanduhr haltend, zu Füßen umgeben von Symbolen des Ackerbaus und Handels.
Alle Scheine tragen den vierzeiligen Aufdruck „Gesetz vom 30. April 1874 / Wertangabe (z.B. Funfzig Mark) / Berlin, den 10. Januar 1882 / Reichsschuldenverwaltung“, darunter dann die gedruckten faksimilierten Unterschriften „Sydnow[14] Hering Merleker Michelly“.
DEU-48: Reichskassenschein, 10. Januar 1882, 5 Mark, Vorder- und Rückseite.
DEU-49: Reichskassenschein, 20. Januar 1882, 20 Mark, Vorder- und Rückseite.
DEU-50: Reichskassenschein, 20. Januar 1882, 50 Mark, Vorder- und Rückseite.
Die Ausgabe der 50er begann im April 1882, die der 5er und 20er im Februar 1883. Vorausgegangen war ihre Bekanntmachung vom 1. April 1882 und 18. Januar 1883 durch
die Reichsschuldenverwaltung in den Regierungsamtsblättern sowie einer großen Zahl von Berlinern und auswärtigen Zeitungen.
Um den Umtausch der alten Reichskassenscheine zu beschleunigen, durften die bei den Kassen des Reichs und der Bundesstaaten eingegangenen Scheine nicht wieder ausgegeben werden. Bis Ende April 1884 waren bereits 129.650.680 Mark in neuen Scheinen ausgegeben und nur noch für 15.194.890 Mark Scheine von 1874 im Umlauf. Obwohl keine förmliche Ungültigkeitserklärung erfolgte, löste vom 1. Juli 1885 an nur noch die Kontrolle der Staatspapiere die alten Scheine ein.
Trotz des verbesserten Fälschungsschutzes wurde bereits am 26. Juni 1884 an einer Theaterkasse in Frankfurt am Main ein falscher, durch Lithografie hergestellter 50-Mark-Schein angenommen, bei welchem die Pflanzenfasern auf der Rückseite durch aufgeklebte Menschenhaare nachgeahmt wurden. Auch in den folgenden Jahren tauchten immer wieder Falsifikate auf. Der Braunton des 50ers begünstigte die Herstellung von Falsifikaten durch das Medium der Fotografie.
Man kam daher an den zuständigen Stellen zu dem Entschluss, gänzlich veränderte 50-Mark-Scheine unter Beibehaltung des Wilcox-Faserpapiers, jedoch in geringerer Stärke ins Auge zu fassen. Zu diesem Zweck wurden 170.000 Mark in den Haushalt 1895/96 eingestellt.
Unter den von fünf deutschen Künstlern eingesandten Entwürfen für die Vorderseite wurde der des Berliner Professors Emil Döpler d. Jüng. zur Ausführung angenommen. Den Stich der figürlichen Teile besorgte Kupferstecher Otto Reim aus Charlottenburg. Die Vorarbeiten waren Anfang 1899 so weit erledigt, dass im April mit dem Druck begonnen werden konnte. Der neue Schein mit dem Ausgabedatum vom 5. Januar 1899 wurde in bläulichgrünem Kupferstichdruck auf geriffeltem Hanfpapier hergestellt, das als fortlaufendes Wasserzeichen eine von Lorbeerzweigen umgebene Kaiserkrone und auf dem linken Rand der Rückseite einen mit bunten (gelben, blauen, grünen und roten) Pflanzenfasern durchsetzten Streifen enthält. Auf der Vorderseite erscheint hier erstmals eine auch später vorkommende Germania-Darstellung in der Gestalt einer am Meer sitzenden und mit verschiedenen Attributen und Symbolen ausgestatten weibliche Gestalt. Der Schein zeigt sechs gedruckte faksimilierte Unterschriften: v. Hoffmann[15], Merleker, Mücke, Tielsch, Lehnert und Zwicker.
DEU-51: Reichskassenschein, 5. Januar 1899, 50 Mark, Vorder- und Rückseite.
Im Haushalt 1899 wurden 140.000 Mark für die Herstellung des Papiers, der Entwürfe usw. von 5 und 20 Mark eingestellt. Der 5-Mark-Schein wurde vom Architekten Alexander Zick entworfen und mit dem Ausgabedatum 31. Oktober 1904 gedruckt, aber erst im April 1906
in Umlauf gesetzt. Der 125 x 80 mm große Schein bildet ebenfalls die gekrönte Germania am Meer mit Fahne und Schild ab, auf dem Schoss eine Putte, von deren Hand eine Taube auffliegt, dazu Sinnbilder der Landwirtschaft (Früchte), der Industrie (Amboss, Hammer, Zahnrad), des Handels (Caduceus, verschnürter Warenballen) und der Schifffahrt (Bug eines Schiffes). Auf der Rückseite hütet ein Lindwurm einen Schatz. Der Schein trägt die gedruckten faksimilierten Unterschriften von: v. Hoffmann, Mücke, Tielsch, Zwicker und Warnecke.
Auch dieser Schein wurde auf Wilcox-Faserpapier gedruckt. Zusätzlich weist das Papier die Wertzahl 5 im Spiralband im Wasserzeichen auf.
DEU-52a: Reichskassenschein, 31. Oktober 1904, 5 Mark mit sechsstelliger Kennziffer, Vorder- und Rückseite.
Durch Gesetz vom 20. Februar 1906 erhielt die Reichsbank das Recht, eigene Noten zu 20 und 50 Mark auszugeben (bis dahin durfte sie nur Nominale ab 100 Mark aufwärts in Umlauf bringen). Die entsprechenden Werte der Reichskassenscheine wurden daher bis zum 31. Dezember 1910 eingezogen und durch Abschnitte zu 10 Mark ersetzt (Gesetz vom 5. Juni 1906). Unterschrieben wurden sie von: v. Bitter[16], Mücke, Tielsch, Zwicker, Warnecke, Ottendorf und Müller. Die neuen 10-Mark-Scheine haben die Größe 140 x 90 mm und wurden ebenfalls Wilcox-Faserpapier gedruckt. Sie datieren vom 6. Oktober 1906 und gelangten Ende 1907 in Umlauf. Der Entwurf des Scheins stammt von Paul Thunmann, gestochen wurde die Druckplatte von Hans Mayer. Auf der Vorderseite bildet der Schein eine Frauengestalt mit Palmenzweig ab. Sie versinnbildlicht den Überseehandel mit den deutschen Kolonien.
Die Rückseite bildet zwei „schwebende“ weibliche Figuren ab. In der runden Aussparung auf Vorder- und Rückseite wird ein Merkur- bzw. Hermeskopf als Wasserzeichen sichtbar.
DEU-53b: Reichskassenschein, 6. Oktober 1906, 10 Mark mit siebenstelliger Kennziffer, Vorder- und Rückseite.
Mit dem Gesetz über Änderungen im Finanzwesen vom 3. Juli 1913 erfolgte eine währungspolitische Vorbereitung auf einen möglichen Kriegsfall. Der Reichskanzler wurde ermächtigt, bis zu einem Betrag von 120 Millionen Mark weitere Reichskassenscheine zu 5 und 10 Mark zu emittieren und in gleicher Höhe gemünztes Gold für den Reichskriegsschatz aus dem Verkehr zu ziehen. Die Durchführung dieses Gesetzes
stellte die Papierfabrik Gebrüder Ebart vor großen Schwierigkeiten. Um kurzfristig die entsprechende Papiermenge liefern zu können, mussten Nachtschichten eingelegt werden. Beide Scheine kommen mit sechs- und siebenstelligen Kontrollnummern vor.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs gingen eine Reihe gesetzgeberische Maßnahmen einher, die zu einer völligen Umgestaltung der Geldverfassung führten. Durch Gesetz vom 4. August 1914 wurden die Reichskassenscheine zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt; gleichzeitig die Einlösung in Gold aufgegeben. Beide verbliebende Reichskassenscheine wurden zwar erst am 6. Juni 1925 ungültig, waren aber durch die Inflation faktisch schon seit November 1922 bzw. Mai 1923 wertlos.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
Uwe Bronnert, Vor 150 Jahren: „Seine Majestät, der Kaiser Wilhelm lebe hoch!“, <https://www.geldscheine-online.com/post/vor-150-jahren-seine-majest%C3%A4t-der-kaiser-wilhelm-lebe-hoch> , Newsletter 3/2021 vom 18. Januar 2021.
„Nach einer Schätzung von Karl Helfferich entfielen bei Beginn der Geldreform 1871 in Deutschland von 1,985 Mrd. Mark Metallgeldvorrat 4 % auf inländische Goldmünzen, 12 % auf ausländische Goldmünzen und 82 % auf in- und ausländische Silbermünzen, der Rest auf Scheidemünzen.“ Knut Borchardt, Währung und Wirtschaft, in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 – 1975, Hrsg. Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main 1976, S. 5.
Zur Geldbeschaffung geben viele Staaten unter verschiedenen Namen sog. Staatspapiergeld aus, das meist wie Banknoten im Zahlungsverkehr umläuft. Streng genommen handelt es sich hierbei um einen zinslosen Kredit der Bürger an den Staat.
Bereits in Artikel 18 des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 war die Einziehung des von den Bundesstaaten unter den Bezeichnungen „Kassenschein", "Kassenanweisung“ oder ähnlich ausgegebenen Papiergelds bis zum 1. Januar 1876 vorgesehen.
Das deutsche Staatspapiergeld, Als Handschrift gedruckt, Reprint der Orig.-Ausgabe Berlin, Reichsdruckerei 1901, Regenstauf 1993, S. 187.
Ebenda, S. 188.
Illustrirten Anzeiger über gefälschtes Papiergeld und unächte Münzen, Beilage Nr. 4, 1876.
Ebenda.
Ebenda, Nr. 3, 1876, S. 18 f.
Das deutsche Staatspapiergeld, S. 192.
Verkaufsliste 15, Juli 1982, der Firma Dieter Hoffmann, 8540 Schwabach.
Die Reichsdruckerei entstand am 1. April 1879 durch Vereinigung der 1852 gegründeten Königlich Preußischen Staatsdruckerei mit der Königlich Geheimen Oberhofbuchdruckerei von Decker. Als offizieller Gründungstag gilt der 6. Juli 1879. Ihre Haupttätigkeit bestand in der Herstellung von Reichskassenscheinen, Reichsbanknoten, Schuldverschreibungen, Postwertzeichen, Wechselstempelzeichen und anderen Marken und geldwerten Papieren. Ferner druckte sie Verordnungsblätter und amtliche Werke (u. a. das Reichskursbuch und Patentschriften). In bestimmten Fällen war sie aber auch für Privatpersonen tätig. Organisatorisch stand sie unter der obersten Leitung des Staatssekretärs des Reichspostamtes.
Die preußische Staatsdruckerei hatte das Recht zur Herstellung des Papiers erworben.
Friedrich Hermann Sydow war von 1879 bis 1892 der Behördenleiter der Reichsschuldenverwaltung.
Otto von Hoffmann war von 1892 bis 1905 der Behördenleiter der Reichsschuldenverwaltung.
Rudolf von Bitter der Jüngere war von 1905 bis 1907 der Behördenleiter der Reichsschuldenverwaltung.
Literaturempfehlung:
Hans-Ludwig Grabowski:
Die deutschen Banknoten ab 1871
Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine
ISBN: 978-3-86646-224-3
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