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AutorenbildHans-Georg Glasemann

Roggengeld und Roggenwertanleihen in der Weimarer Republik

Aktualisiert: 26. März 2021

Im November 1923 hatte die Weimarer Republik zahlreiche Notgeld- und Inflationsphasen durchlebt. Die schwerwiegendste Phase gipfelte in einer Hyperinflation im Herbst 1923, die praktisch jeden Lohn oder Geldschein in kurzer Zeit wertlos machte. Die Nominalwerte auf den Banknoten kletterten über die Million bis hin zu Werten von Billionen Papiermark. Zur Stabilisierung des Geldwertes gab es mehrere Ansätze, von denen die Zugrundelegung einer wertstabilen Recheneinheit der gemeinsame Nenner war: Goldmark und Dollar.

Abb. 1: Niederlausitzer Landbund-Genossenschaft e.G.m.b.H, Roggengutschein über 10 Pfund Roggen von 1923.

In einem Notgeld-Erlass vom 23. Oktober 1923 gestattete die Reichsregierung in der späten Phase der Hyperinflation allen industriellen Werken die Ausgabe von wertbeständigem Notgeld, das durch die Reichsgoldanleihe vom 14. August 1923 gedeckt sein musste und bis auf 4,20 Goldmark oder kleiner lauten sollte. Teile dieser Anleihe wie Zwischenscheine und Teilstücke liefen als Zahlungsmittel um, trugen aber nichts zur Entspannung der Lage bei. Oft wurden Teile der Reichsgoldanleihe zur Schaffung von Notgeld hinterlegt. Notgeld, das auf diese Weise gedeckt war, galt ebenso als gesetzliches Zahlungsmittel. Neben der Reichsgoldanleihe gaben weitere 600 Emittenten im Deutschen Reich solche Anleihen in Mark Gold aus. Es wurde von zahlreichen Betrieben, Städten und Gemeinden in Anspruch genommen.


Eine weitere Alternative zur Schaffung beständiger Sachwerte bildete sich bereits ein Jahr zuvor heraus: Im Herbst 1922 waren einige Bauern nicht bereit, ihre Ernte gegen das bereits wertlos werdende Papiergeld abzugeben. Die Abgabe von Getreide wurde daher durch Schuldverschreibungen, die in diesem Fall auf Roggen lauteten, „bezahlt“. Die erste Roggenanleihe gab es deshalb 1922 in Oldenburg und wurde von der Roggenrentenbank AG in Berlin verausgabt. Von staatlicher Seite griff der Freistaat Mecklenburg-Schwerin zuerst auf dieses Kapitalmarktinstrument zurück und gab im Spätherbst Zwischenscheine seiner Roggenwertanleihen aus.


Abb. 2: Oldenburgische Staatsbankdirektion, Anteilschein über 1/30 Anteil Roggen gleich 5 Kilogramm Roggen, ausgegeben in Oldenburg am 26. Oktober 1923. Die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg emittierte Roggenanweisungen und generierte bzw. garantierte daraus wertbeständige, als Notgeld umlaufende Anteilscheine über 1/3, 1/30, 1/150 und 1/300 Anteile. Die Anteilscheine konnten bis zum 1. April 1927 in ganze Oldenburgische Roggenanweisungen (Wertanleihe) umgetauscht werden.

Die Idee, Anleihen auf Sachwerte auszugeben, die nicht dem rasanten Verfall des Geldes unterlagen, verbreitete sich schnell. Nicht nur Roggen war die Grundlage, sondern auch Produkte anderer Hersteller: Butter, Zucker, Mehl, Weizen, Kartoffeln, Schmalz, Bier, Fett, Kilowattstunden Strom, Kubikmeter Wasser, Licht, Gas, Kohle, Holz, Teer, Ziegelsteine, Flachs, Zündhölzer, etc.


Abb. 3: Roggenrentenbank AG, Berlin, 5% Roggenrentenbrief vom 1. Juni 1923 über den Geldwert von 1 Zentner Roggen und Bescheinigung der Deckung über Reallasten.


Abb. 4: Landbundgenossenschaft Angermünde e.G.m.b.H. (Brandenburg), Gutschein über 5 Zentner Roggen, undatiert.

Über das Thema „Roggengeld und Roggenwertanleihen in der Weimarer Republik“ hat der Marburger Historiker Niklot Klüßendorf 2013 einen hochinteressanten Vortrag im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank gehalten. Klüßendorf beschreibt darin die Inflationszeit und die Notgeldproblematik ab 1918 und zeigt auf, wie zu dieser Zeit Sachwerte das Geld verdrängten und wie Roggenwertanleihen ab 1922 bis 1924 als Innovationen den Kapitalmarkt verändern sollten. Da die drei Funktionen des Geldes als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrung und Wertmesser – so Klüßendorf – durch die Inflation zerstört wurden, seien als Ausweg verstärkt sogenannte "Sachwertanleihen," zumeist Roggenanleihen, ausgegeben worden, die im Gegensatz zum Geld weiterhin die Illusion der Wertbeständigkeit vermittelt hätten. Manche Roggenscheine waren darauf angelegt, zunächst als Geld zu zirkulieren, boten aber die Möglichkeit des späteren Umtausches in Roggenrentenbriefe bzw. Roggenwertanleihen (ausgegeben von 1922–1924 in 89 Emissionen). Diese Fundierung von wertbeständigem Notgeld durch Sachwertanleihen und die daraus resultierenden Roggenscheine werden detailliert besprochen.

Eine gesetzliche Annahmepflicht für diese Geldsurrogate bestand nicht. Wer auf gesetzliche Zahlungsmittel bestand, musste sich mit der hochinflationären Papiermark begnügen. Zum Schluss wird das weitere Schicksal der Roggenwertanleihen und des Roggengelds von 1924 bis zur Umwandlung der Anleihen in Reichsmark-Titel abgehandelt. Klüßendorf stellt fest:

„Abschließend sei nochmals betont, dass ein Roggenschein im strengen Sinne der Gesetze kein Geld war, doch als solches umlaufen konnte, mithin als Surrogat zu gelten hat. Die äußere Form solcher Scheine war eine Seite, ihre rechtliche Stellung eine andere. Die Hochinflation war nun einmal eine Zeit der Grenzfälle, in der die Praxis vieles durcheinander brachte, was sich in der Theorie anders ausnahm. Geld ist, was gilt.“

Abb. 5: Central-Landschafts-Direktion für die Preußischen Staaten, Berlin, 5% Roggenpfandbrief über 10 Zentner Roggen vom 30. April 1923.


Ein wirklich lesenswerter Beitrag zur Geldgeschichte der Weimarer Republik, sowohl für Sammler „historischer Wertpapiere“ als auch für involvierte Geldscheinsammler. Illustrierend zeigt der Referent verschiedene Beispiele für Sachwertanleihen in Hessen auf. Er beschreibt gekonnt die Entwicklung der deutschen Inflation und zeitlich passend dazu die Finanzstrategien mithilfe von Sachwerten.


Abb. 6: Gutschein für 10 Roggenmark der Bremer Festmarkbank vom August 1923. Diese Scheine fungierten als Quittungen für Spareinlagen des etwas dubiosen Kreditinstituts.


Abb. 7: Stadt Burg (Preußische Provinz Sachsen, Regierungsbezirk Magdeburg), 5%-Inhaber-Schuldverschreibung über 1 Zentner Roggenwert vom 10. November 1923 mit aufgestempeltem Konvertierungsvermerk von 1934.

Literaturhinweise für Sammler

Roggengeld und Roggenwertanleihen in der Weimarer Republik

Der 2013 im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank gehaltene Vortrag von Niklot Klüßendorf zum Thema „Roggengeld und Roggenwertanleihen in der Weimarer Republik“ ist auf 49 Seiten mit 25 farbigen Abbildungen abgedruckt in der Publikation „Vorträge zur GeldGeschichte 2013“ der Bundesbank.



Weitere Literatur zu Roggengeld bzw. -anleihen:

  • Glasemann, Hans-Georg/Wanner, Eckhardt: Fünfzig Zentner Roggen, Geschichte und Katalog der wertbeständigen Anleihen in Deutschland, Schriftenreihe des Ersten Deutschen Historic-Aktien-Club e.V., Heft 2, 2006, Katalogteil mit 250 deutschen wertbeständigen Sachwert-Emissionen aus den Jahren von 1922 bis 1924.

  • Keller, Arnold: Das wertbeständiges Notgeld (Goldnotgeld) 1923/24, unveränderter Nachdruck der zweiten Auflage von 1954.

  • Müller, Manfred: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924, Deutsches Notgeld, Band 12, 2011.

  • Lindman, Kai: Das wertbeständige Notgeld von 1923/24, 2008. Der Katalog enthält 32 verschiedene Roggengeld-Surrogate (Roggenmark, Roggenscheine, Roggenanweisungen, Zinsscheine).

Hans-Georg Glasemann


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Bildquellen: HGG und Privat (9/2020)

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