Wenn man auf die Kolonialgeschichte Nordamerikas schaut, spricht man meist von den Kolonien Englands, der Niederlande, Frankreichs oder Spaniens. Kaum denkt man auch an dortige russische Kolonien. Dennoch hatte Russland verschiedene Ansiedlungen in Nordamerika. Und hier waren besondere Geldscheine in Umlauf.
Mitte des 18. Jahrhunderts erkundeten die ersten europäischen Seefahrer mit zwei Schiffen den nordöstlichen Pazifik von Kamtschatka aus. Gemeinsam starteten im Mai 1741 der Russe Aleksej Tschirikow auf der „St. Paul“ und der im Dienst der russisch-kaiserlichen Marine stehende Däne Vitus Bering auf der „St. Peter“ von Petropawlowsk-Kamtschatski. Nach einem Sturm wurden beide Schiffe getrennt und segelten dennoch weiter östlich; am 15. Juli 1741 landete Tschirikow auf der heutigen Baker-Insel und Bering ging einen Tag später und etwa
450 Meilen nördlich mit Sicht auf den Mount St. Ellis an Land. Sie sahen sich nie wieder.
Vier Jahre später erreichten Stepan Glotow und seine Männer als erste russische Pelztierjäger die westlichen Aleuten. Danach kamen in den folgenden Jahrzehnten Jäger, Händler und auch Kirchenleute ins Land. Gegen den Willen der Ureinwohner errichteten sie erste Ansiedlungen. So entstanden Nowo Archangelsk (heute Sitka) nahe dem aufge- gebenen Michailowsk, Kodiak u. a.
Abb. 1: Russischer Segler „Newa“, 1804 vor Kodiak.
Abb. 2: Russische Landkarte vom Januar 1835
„КАРТА РОССIЙСКОГО ВЛАДѢНIЯ въ Сѣверной Америки“ (≈ Karte des russischen Besitzes in Nordamerika), eine ältere Karte von 1802 bezeichnete diese See- und Landgebiete als „Karte der maritimen Entdeckungen russischer Seefahrer
im pazifischen und arktischen Meer“.
Der russische Zar Paul I. verfügte im Ukas (Erlass) vom 8. Juli 1799 die Genehmigung einer „Russisch-Amerikanische Gesellschaft unter dem Schutz Seiner kaiserlichen Majestät“, die „Россійско-Американская Компанія“ (RAK) im sibirischen Irkutsk. Das war eine halbstaatliche Handelsgesellschaft, die den Pelzhandel unterstützen und die Verwaltung des russischen Besitzes in Nordamerika organisieren sollte. Das Gebiet der Kompanie umfasste Teile Alaskas mit den Aleuten und erstreckte sich bis ins Fort Ross (Крѣпость Россъ, 1812 im heutigen Kalifornien gegründet). Auch Fort Elizabeth (Елизаветинская крепость) wurde 1817 auf der Hawaii-Insel Kauai errichtet, um auch dort Einfluss zu gewinnen. Die RAK war ähnlich groß wie die Hudson᾽s Bay Company oder die East India Company.
Abb. 3: Von Zar Alexander I. 1806 genehmigte Flagge
der Russisch-Amerikanischen Kompanie aus dem Jahr 1816.
Diese Gesellschaft unter ihrem ersten „Gouverneur“ Alexander Baranow war bald gezwungen, Geldzeichen (МАРКА ВЪ АМЕРИКѢ ≈ Zahlungsmittel in Amerika) vor allem für den Pelzhandel einzuführen. Schon 1803 schlug Baranow eine Kolonialwährung für den Handel auch mit fremden Jägern und Einheimischen vor. Die erste Ausgabe von 1816 umfasste die auf starkem Karton gedruckten Wertstufen zu 25 und 50 Kopeken sowie 1 Rubel in einer Menge von 12.000 Rubel. Alle diese und künftigen Scheine trugen auf der Rückseite das Siegel der Russisch-Amerikanischen Gesellschaft.
Abb. 4: Siegel der RAK mit der Um- und Inschrift „ПОКРОВИТ :
ПОДЪ ВЫСОЧ : ЕГО ИМП : ВЕЛИЧ : / РОССİЙС : АМЕРИ=
КАНС : КОМПА= НİЙ ПЕЧАТЬ.“ (s. o.)
Diese, wie alle folgenden Ausgaben, zeigen kein Datum. 1822 erschien eine ähnliche Kartonausgabe in Höhe von 30.000 Rubel – nun unter dem Gouverneur Michail Murawjew. Da sich die Kartonmarken im kalten Alaska nicht bewährten, kam man auf die Idee, Geld auf gegerbte Haut von unterschiedlichen Robben drucken zu lassen. Die ersten Wertstufen auf dem als Pergament bezeichneten Material kamen 1826, ebenfalls für 30.000 Rubel, unter Gouverneur Pjotr Tschistjakow in Umlauf. Das angeblich in der kaiserlichen Druckerei (Beschaffungsamt von Staatspapieren = ЭЗГБ) in St. Petersburg bedruckte Pergament waren bearbeitete Walross-Häute. Im englisch-amerikanischen Sprachgebrauch nennt man die Geldscheine „walrus skin money“ oder auch „seal skin money“; im Russischen wird der Begriff „kozhanye / кожаные“ verwendet. 1834 wurden weitere Scheine ausgegeben – unter dem russisch-livländischen Ferdinand Baron von Wrangel. Weitere Nachauflagen wurden 1842 (41.662 Rubel), 1846 (20.300Rubel), 1848 und 1852 gedruckt. Die letzten Scheine in Höhe von 80.000 Rubel wurden 1858 ausgegeben. Das geschah unter den Gouverneuren Michail Tebenkow und Nikolai Rosenberg. Seit 1826 wurden die Emissionen mit den Wertstufen 10 Kopeken sowie 5, 10, und 25 Rubel erweitert.
Der Fachautor Ted Uhl bezifferte 1982 den Bestand an Walrosshaut-Geld auf 53 Exemplare; Randolph Zander gab 1996 die Zahlen mit 22 Stück an 10 Kop., 18 Stück an 25 Kop., 10 Stück an 50 Kop., 18 Stück an 1 Rbl., 3 Stück an 5 Rbl., 5 Stück an 10 Rbl. und einen 25-Rubel-Schein, also 77 insgesamt, an.
Noch etwa 150 bis 200 Exemplare von Robbenhaut-Geldscheinen könnten weltweit vorhanden sein, die meisten liegen in Museen oder in Privatsammlungen.
Hier muß erwähnt werden, dass der russische Autor Petr Rjabtschenko in der zweiten Auflage seines Katalogs, der neben den bisher bekannten sieben Wertstufen zwei weitere katalogisiert und dem Ausgabejahr 1816 zuordnet: Scheine zu 2 Rubel in Blau (Kat.-Nr. 26005) und 20 Rubel in Rosa (Kat.-Nr. 26008).
Ausgaben auf Karton gedruckt:
Abb. 5/6: 10 Kopeken (Десять коппекъ.) o. D., Vorder- und Rückseite, oval.
Ausgaben auf Pergament/Walross-Häute gedruckt:
Die Abmessungen aller Scheine variieren, z. B. zwischen: von 58 × 40 mm bis 90 × 66 mm;
die Farben sind ebenfalls unterschiedlich, je nach Beschaffenheit der Häute.
Abb. 7/8: 10 Kopeken (Десять копѣекъ.) o. D., Vorder- und Rückseite, gelocht.
Abb. 9/10: 25 Kopeken (Двадцать пять копѣекъ.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Abb. 11/12: 50 Kopeken (Пятьдесятъ копѣекъ.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Abb. 13/14: 1 Rubel (Одинъ Рубль.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Abb. 15a/b: 5 Rubel (Пять рублей.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Abb. 16/17: 10 Rubel (Десять Рубль.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Abb. 18/19: 25 Rubel (Двадцать пять рублей.) o. D., Vorder- und Rückseite.
Die Scheine wurden in der Regel mit denUnterschriften der jeweiligen Direktoren der RAK versehen oder blieben vakat. Die Kontrollnummern wurden handschriftlich eingetragen. Auffallend sind die teilweise an den Ecken beschnittenen Kopeken-Scheine. Etwa ab 1842 wurden sie wegen ihren fast gleich großen Abmessungen so gekennzeichnet und damit allen Schriftunkundigen die Bestimmung der Werthöhe der Zahlungsmittel erleichtern. Die Rubel-Scheine waren aus dem selben Grund unterschiedlichen groß.
Abb. 20: in der Sammlung des Goznak-Museums in St. Petersburg befindliches Dokument von 1859 mit Probedrucken (ОБРАЗЕЦЪ.) von fünf Wertstufen (von rechts nach links 50 Kopeken – 25 Rubel, mit Anmerkungen von M. Lewitzkij:
„Образцы эти утверждены Министерством просвещения 3. октября и переданы во 2. отделение согласно предписанию от 4. ноября 1859г. за Но. 3243 для руководства при печатании.
Правитель канцелярии М. Левицкий“ =
„Diese Muster wurden am 3. Oktober vom Bildungsministerium zugelassen und gemäß der Anweisung vom 4. November 1859 Nr. 3243 in die 2. Abteilung zwecks Druckanleitung deponiert.
Leiter der Kanzlei M. Lewitzkij“
Abb. 21: Dир:Андр:Северин = Direktor Andrej Sewerin.
Von der ersten Ausgaben sind nur drei Exemplare bekannt: ein 25-Kopeken-, ein 50-Kopeken- und ein 1-Rubel-Schein von 1816 und von 1922 nur ein einzelner Rubel-Schein. Sieben von den 18 bekannten 25-Kopeken-Scheinen liegen in Privatsammlungen. Andere Scheine befinden sich in (halb-)staatlichen Beständen: Staatliches Historisches Museum in Moskau, Russisches Museum in St. Petersburg, Smithsonian Institution in Washington, Alaska State Library in Juneau, im Nationalmuseum in Helsinki, im Ulster Museum in Belfast.
Waren in den Jahren 1960 bis 1980 diese Geldscheine schon selten und ihre Verkaufspreise noch moderat, so stiegen die Preise bis heute auf 6-stellige Dollarbeträge. Einige Angebote durch Sammlungs-Verkäufe gab es in den letzten 40 Jahren bei den Auktionshäusern R. M. Smythe & Co., Bowers & Ruddy (heute Stack᾽s Bowers), aber vor allem bei Heritage; so erziel- te man dort im Januar 2021 einen Rekordpreis von 192.000 US-Dollars für das bekannte Unikat zu 25 Rubel. Im Januar 2020 wurde ein 10-Kopeken-Schein für 44.062 US-Dollars versteigert. Ein 50-Kopeken-Schein erreichte 2016 immerhin 66.000 US-Dollars.
Abb. 22: Verkaufsliste von T. Uhl (1981), dieser 25-Rubel-Schein wurde für 47.500 $ angeboten; ein handschriftlicher Vermerk lautete „Sold for $12.000.“
Abb. 23: stark abgenutzter und eingerissener 10-Kopeken-Schein aus dem Umlauf.
Für den Kauf und Verkauf in Russisch-Amerika hingen in den jeweiligen Geschäften der vier und später sechs Bezirke Preislisten aus. Sie durften nur von den Direktoren abgeändert wer- den. Dort wurden nur die RAG-Scheine (mit einem Aufschlag von 35 Prozent auf Grundwaren) akzeptiert. Ein Tauschhandel mit Fellen fand dennoch weiterhin statt, z. B. bekam man für einen einjährigen Seeotter oder einen Flussbiber eine Axt, für einen Flussbiber ein drei Arshin (etwa zwei Meter) langes Baumwolltuch, für acht Nerze ein Pfund Virginia-Tabak oder für zwei Schwarzbären einen gusseisernen Kessel.
Die Häute wurden in wasserdichten Taschen aus Walrosshaut von den Russen nach China verschifft, anschließend die Säcke aufbereitet für Rücksendungen und für den Druck des Walrosshaut-Gelds wiederverwendet. Das daraus gefertigte Pergament hatte dadurch eine unterschiedliche Farbgebung; außerdem wurden die Häute gefärbt.
Alexander I. und andere Mitglieder der Zaren-Familie kauften 1820 große Anteile an der Russisch-Amerikanischen Gesellschaft, aber der Handel brachte letztendlich nicht den
großen wirtschaftlichen Gewinn. Der Handel mit Fellen und der Transport kostete mehr Geld als erhofft und erlebte einen spürbaren Niedergang. Außerdem gab es durch die wirtschaftlich-politische Konkurrenz zu Britisch-Amerika und den Einfluss Spaniens in Nordamerika weitere Probleme. Diese wurden durch die Ureinwohner verschärft, die sich immer öfter gegen die Russen auflehnten. Die Kassen in St. Petersburg mussten durch den verlorenen Krimkrieg wieder aufgefüllt werden. So waren es wirtschaftliche und geopolitische Überlegungen der Herrscher in Moskau, sich von Russisch-Amerika zu verabschieden.
Zar Alexander II. stellte vor über 150 Jahren Russisch-Amerika zum Verkauf an. Das Verkaufsangebot an den Fürsten von Liechtenstein wurde aus Vaduz abgelehnt. Großbritannien hatte Interesse, unterlag aber den USA, trotz eines höheren Gebots
– mit dem Vertrag vom 30. März 1867.
Mit der Kaufsumme von 15 Mio. Dollars erweiterten die USA ihr Staatsgebiet am 30. April 1803 durch den Erwerb von Französisch-Louisiana am 31. Oktober 1803. Am 20. Dezember 1803 folgte die Übergabe der Stadt New Orleans durch Frankreich und am 10. März 1804 wurde in St. Louis eine offizielle Feier zur Übernahme der neuen Territorien abgehalten. Für weitere 5 Mio. Dollars erwarben die USA im Adams-Onís-Vertrag vom 22. Februar 1819 die Gebiete von Ost- und West-Florida von Spanien. Außerdem regelte man die neue Grenzziehung zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Nach der 1810 erklärten mexikanischen Unabhängigkeit von Spanien erlangte das Land nach einem langen Krieg am 27. September 1821 seine endgültige Souveränität. Texas wurde 1836 Republik, aber am 19. Februar 1845 von den USA annektiert. Die Eingliederung in die USA erfolgte am 29. Dezember 1845. Im Krieg mit Mexiko von 1846 bis 1848 verlor das neue Kaiserreich die Nordteile ihres Gebiets; die USA zahlten nochmals 5 Mio. Dollars für Ansprüche von anfangs geforderten fast 5,5 Millionen. 1853 erweiterte man das Staatsgebiet durch den sog. Gadsden-Kauf das Grenzgebiet für 10 Mio. Dollars.
Es ist aus heutiger Sicht verwunderlich, dass nach dem amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 noch genügend Geld in den Washingtoner Kassen lag, um sich um einen Erwerb von Russisch-Amerika zu bemühen. Schon vor dem Bürgerkrieg scheiterten Verhandlung über den Kauf, aber Russland war zu einem Verkauf nicht bereit – das Angebot der USA war wohl zu niedrig. Nach dem Krieg aber war Russland zu einer Abgabe bereit. Im Dezember 1866 beschloss Zar Alexander II., dass der russische Gesandte Baron Eduard von Stoeckl mit dem damaligen US-Außenminister William H. Seward über einen Kauf/Verkauf verhandeln sollte. Die russische Forderung: der Preis durfte nicht unter 5 Mio. Dollars liegen. Für 2 Cents je Acre (über 4.000 Quadratmeter) kauften die USA nach Verhandlungen vom 11. März bis 4 Uhr morgens am 30. März 1867 das Gebiet von Alaska für 7,0 Mio. Dollars von Russland.
Das folgenreiche Unternehmen war in der amerikanischen Öffentlichkeit umstritten; man sprach von Sewards Torheit, Sewards Gefriertruhe oder Präsident Johnsons Eisbärpark in einer gefrorenen Wildnis.
Abb. 24: William H. Seward (sitzend) und Baron Eduard von Stoeckl mit der Hand auf dem Globus bei den Verhandlungen (Gemälde von Emanuel Leutze).
Das Repräsentantenhaus stimmte am 14. Juli mit 113 Ja- und 43 Nein-Stimmen bei 44 Enthaltungen für den Kauf. Ratifiziert wurde der Vertrag vom Zar am 3. Mai 1867 und von den Vereinigten Staaten am 28. Mai 1867. Der Austausch fand am 20. Juni 1867 statt. Der Vertrag war in Englisch und Französisch, der damaligen russischen Diplomatensprache, verfasst und hatte u. a. folgenden Inhalt:
„Seine Majestät der Kaiser von ganz Rußland willigt ein, durch diese Konvention sofort nach dem Austausch der Ratifikationen der Vereinigten Staaten das gesamte Territorium und die Herrschaft, die Seine Majestät jetzt auf dem amerikanischen Kontinent und den angrenzenden Inseln besitzt, abzutreten, die in den hierin festgelegten geografischen Grenzen enthalten sind, nämlich: Die östliche Grenze ist die Demarkationslinie zwischen den russischen und den britischen Besitzungen in Nordamerika, wie sie durch die Konvention zwischen Rußland und Großbritannien vom 28. Februar 1825 festgelegt wurde.
... Ausgehend vom südlichsten Punkt der Insel namens Prince-of-Wales-Insel, welcher Punkt auf dem Breitengrad 54 Grad 40 Minuten nördlicher Breite liegt, und zwischen dem 131. und dem 133. Grad westlicher Länge (Meridian von Greenwich) soll die besagte Linie nach Norden entlang des Portland-Kanals bis zum Punkt ansteigen, wo der Kontinent auf den 56. Grad nördlicher Breite trifft; von diesem letztgenannten Punkt folgt die Demarkationslinie den Gipfeln der parallel zur Küste liegenden Berge bis zum Schnittpunkt des 141. Grades westlicher Länge des gleichen Meridians; und schließlich vom besagten Schnittpunkt in Verlängerung bis zum gefrorenen Ozean.“
Danach wurden alle Besitzungen der Russisch-Amerikanischen Gesellschaft in den Rajonen Atinsky, Kodiaksky, Kuril, Mikhailovsky, Sitka und Unalashkinsky mit seinen etwa
2.500 russischen Bewohnern aufgelöst, die innerhalb von drei Jahren abreisen oder amerikanische Bürger werden sollten. Fort Ross wurde schon 1841 verkauft.
Russland wollte, dass die Zahlung innerhalb von zehn Monaten in London erfolgt. Botschafter von Stoeckl stimmte später der Zahlung in Washington statt in London zu und erhöhte den Verkaufspreis um 200.000 Dollars. Die Bezahlung dauerte jedoch bis 13 Monate nach Ratifizierung.
Abb. 25: Schatzschein No. 9759 des US-Finanzministeriums vom 1. August 1868 über $ 7.200.000 (auf das Büro von Baron de Stoeckl ausgestellt und von den beiden obersten US-Finanzbeamten Francis E. Spinner und Noah L. Jeffries unterzeichnet).
Eduard von Stoeckl erhoffte sich durch den Vertragsabschluss einen finanziellen Gewinn; den erreichte er sowohl von US-amerikanischer als auch von russischer Seite. Von den 7,2 Mio. Dollars in Gold (das wären heute ca. 127 Mio. US-$) wurden letzlich nur 7.108.333 Dollars an Baring Brothers in London überwiesen. Dieses Bankhaus hatte schon den Louisiana-Kauf betreut. Aus der Restsumme wurden u. a. 10.000 Dollars für die Abwicklung mit St. Petersburg in Rechnung gestellt und 21.667 Dollars erhielt von Stoeckl. Auch Bestechungsgelder an US-amerikanische Politiker wurden davon gezahlt. An den russischen Hof wurden 12.868.724,50 Rubel ausgezahlt. Davon erhielt die Russisch-Amerikanische Gesellschaft immerhin 1.423.504,69 Rubel. Bis März 1871 wurden 10.972.238,04 Rubel für die Eisenbahnen Kursk-Kiew, Rjasan-Koslowskaja und Moskau-Rjasan ausgegeben. Der Restbetrag in Höhe von 390.243,90 Rubel erhielt die Staatskasse Russlands. Man rechnete 2 Rubel für 1 US-Dollar.
Abb. 26: 5 Rublej 1867, Vs./Rs., Russland, 917er Gold.
Abb. 27: 2½ Dollars 1867, Vs./Rs., USA, 900er Gold.
Dennoch kursieren bis heute noch viele Mythen und Legenden zum Verkauf von Alaska.
Das nach London überwiesene Geld wurde angeblich für den Kauf von Goldbarren verwendet, die mit dem Schiff „Orkney“ über die Ostsee nach St. Petersburg gebracht werden sollten. Am 16. Juli 1868 sank das Schiff im Sturm, aber bei der Bergung des Schiffes fand man kein Gold. Angeblich soll es absichtlich versenkt worden sein, um die Versicherungssumme einzukassieren.
In Russland sind einige der Meinung, dass man Alaska nie verkaufte, sondern nur für 99 Jahre vermietete. Das entspricht aber nicht der historischen Wahrheit. Die Aussage von Josef Stalin während der Jalta-Konferenz auf der Krim, dass man einen Anspruch zur Rückgabe Alaskas nicht geltend machen wird, verblüffte die US-amerikanische Delegation.
Einen Monat nach der russischen Annexion der Krim am 18. März 2014 wurde Putin in der TV-Sendung „Direkter Draht“ zu Alaska befragt. Er antwortete auf die Frage „Gibt es Pläne, Alaska mit Russland zu verbinden? Wir würden uns sehr freuen“: „Faina Iwanowna, Liebes, warum brauchst du Alaska?“ und „... wir sollten nicht aufgeregt sein.“ Es kursierte seinerzeit der witzige Ausspruch „Alaska heißt jetzt Eis-Krim.“ Der russische und populistische Nationalist Schirinowski (eigentl. Eidelstein) forderte schon 1993 Alaska zurück. Aber: Alle in den USA und in Russland liegenden Dokumente beweisen den Vertrag beider Länder über die rechtmäßige Übergabe Alaskas.
Nach dem Einholen der russische Flagge in Sitka und dem Hissen des Sternenbanners wurde ab 18. Oktober 1867 das neuerworbene Gebiet als Department of Alaska bezeichnet und ab 17. Mai 1884 in District of Alaska umbenannt. Am 24. August 1912 organisierten die USA das Land als Territory of Alaska und am 3. Januar 1959 wurde es als 49. Bundesstaat State of Alaska in die USA eingegliedert.
Nach den Goldfunden in Alaska, besonders im benachbarten, britischen Yukon Territory im Jahr 1896 wurde ein einmaliges Goldfieber ausgelöst und bis 1900 verdoppelte sich die Bevölkerungszahl in Alaska. Die Siedlung Sitka war ab 1808 für fast 100 Jahre der Hauptort der Kolonie Russisch-Amerika gewesen. 1906 verlegten die Amerikaner den Verwaltungssitz ins 1880 gegründete Harrisburg, das ein Jahr später in Juneau umbenannt wurde.
In Juneau wurden die ersten National-Banknoten zu 5 und 10 Dollars ausgegeben. Später folgte die First National Bank of Fairbanks in der zweitgrößten Stadt Alaskas.
Abb. 28: 10 Dollars vom 15. Februar 1898, Territory of Alaska – First National Bank of Juneau (1898 gegründet), Unterschriften: H. H. Eddy/W. T. Summers.
Abb. 29: 5 Dollars vom 1. März 1905, District of Alaska – First National Bank of Fairbanks (1905 gegründet), Unterschriften: Luther C. Hess/Kenneth Bonnefield;
dieser Schein wurde im Oktober 2012 für 246.750 US-Dollars versteigert.
Abb. 30: 10 Dollars vom 15. Februar 1918, (Territory of ) Alaska – First National Bank of Juneau (1935 geschlossen), Unterschrift: John Reck.
Abb. 31: 20 Dollars vom 1. März 1907, District of Alaska – First National Bank of Fairbanks (1905 gegründet), Unterschriften: D. N. Freeman/Kenneth Bonnefield.
Von den First National Banks in Alaska wurden Banknoten zu 5, 10 und 20 Dollars ausgegeben. Interessant ist der scheinbare Widerspruch auf den Banknoten: der Zehner von der FNB Juneau zeigt unten „Ter. of Alaska“ und das Datum 15. Februar 1898“ – ein Territory of Alaska wurde jedoch wie beschrieben erst 1912 gebildet. Die Dienstzeiten von B. K. Bruce und Ellis H. Roberts vom 3. Dezember 1897 bis 17. März 1898 sprechen mit ihren Unterschriften für 1898. Der Aufdruck „Series 1902“ bringt keine Klarheit, aber tatsächlich löste H. H. Eddy als Schatzmeister seinen Vorgänger C. M. Summers nach 1908 ab, was auf einen Druck um 1912 mit älteren Druckplatten hinweisen könnte. Anders und korrekt ist hingegen: auf dem Fünfer (Serie 1902) der FNB Fairbanks steht „District of Alaska“ und
„March 1, 1905“. Und auch die Dienstzeiten von J. W. Lyons und Ellis H. Roberts fallen in diesen Zeitraum: 7. April 1898 bis 30. Juni 1905. Von den National-Banknoten sind insgesamt nur 137 Exemplare einschließlich der 1929er sog. Smal size notes der First National Bank of Ketchikan erhalten geblieben.
Abb. 32: 20 Dollars von 1929, Alaska State –First National Bank of Ketchikan (1924 gegründet), Schätzpreis: ca. 15.000 Dollars; Unterschriften: W. O. Trill/J. E. Berg.
Weitere Recherchen zu den Geldscheinen der Russisch-Amerikanischen Kompanie im 19. Jahrhundert haben zusätzliche Informationen zu Tage gebracht. In der Numismatischen Abteilung des Staatlichen Historischen Museums in Moskau fand man einen bisher unbekannten Schein zu 1 Rubel. Der einseitig bedruckte Schein unter der Archiv-Nr. 104188 sieht völlig anders aus, als die üblichen und bekannten Ausgaben.
Abb. 33: 1 Rubel o. D., Vorderseite, einseitig auf Karton, 60 mm × 36 mm, mit Aufdruck „МАРКА въ АМЕРИКѢ“ und „одинъ рубль.“ innerhalb von Ornamenten.
Der 60 mm x 36 mm große Schein zeigt kein Wappen mit dem bekannten russischen Adler – weder mit dem alten, noch mit dem neuen Doppeladler. Alle Kopeken- und die meisten Rubel-Scheine zeigen das alte Wappen; der Adler in dieser Form wurde bis 1843 verwendet. Nur der abgebildete 25-Rubel-Schein stellt den Adler mit aufgerichteten Flügeln dar.
Der Wandel begann mit der Reform des russischen Papiergelds seit 1839.
Die Entdeckung des unüblichen 1-Rubel-Scheins beschrieb Irina Schikanowa in ihrem Artikel „Кожаные деньги Русской Америки“ in der Sammlerzeitschri ft Antiquariat“, Nr. 38 vom Juni 2006. Darin äußerte sie die Vermutung, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Auch Kenner der Materie waren dieser Ansicht. In ihrem Fachbuch „Страницы отечественной истории в бумажных денежных знаках“ (2. A . 2016) schränkte sie ihre Aussage ein und katalogisierte die Neuentdeckung zu einer 3. Gruppe. Welchen Sinn sollte eine Fälschung machen, die gestalterisch deutlich von den herkömmlichen Ausgaben abweicht? Fälschungen zum Schaden der Kassen werden nur von umlaufenden Geldzeichen fabriziert. Eine Fälschung ist es nicht – schlimmstenfalls wäre es ein Fantasie-Schein.
Der einseitig bedruckte Schein zeigt auf der Rückseite außer der handschr iftlichen Nummer 501007 einen Stempel links oben: „RAK“ in einer Schreibschr ift „Russisch-Amerikanische Gesellscha ft“. Wahrscheinlich ist der Schein authentisch und man sollte ihn der 1. Gruppe zurechnen und nach 1816 datieren. Ebenso wahrscheinlich ist, dass der 1-Rubel-Schein Vorgänger-Ausgaben verdrängte, wie z. B. die bei numismondo gezeigte 50-Kopeken-Marke einer sibirischen Handelsgesellschaf t mit der Aufschrift "