Die Donaumonarchie gehörte zu den großen Verlierern des Ersten Weltkriegs.
Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn löste sich noch vor Unterzeichnung der Friedensverträge auf und verschwand als Folge des Ersten Weltkriegs von den Landkarten.
Der am 10. September 1919 unterzeichnete Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye betraf insbesondere die österreichische Staatshälfte der Doppelmonarchie und regelte u.a. die Grenzen der neuen Republik Österreich:
Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien und einige Gemeinden Niederösterreichs (u. a. Feldsberg, der Bahnhof Gmünd und einige andere Gemeinden) gingen an die neu gegründete Tschechoslowakei,
Galizien fiel an Polen,
Südtirol, Welschtirol und das Kanaltal sowie Istrien erhielt Italien als Lohn für seinen Kriegseintritt 1915,
die Bukowina vereinnahmte Rumänien,
Dalmatien, den Krain, Teile der Untersteiermark sowie das Kärntner Mießtal und das Seeland kamen an das neugegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das spätere Jugoslawien.
Über die staatliche Zugehörigkeit Südkärntens sollte eine spätere Volksabstimmung entscheiden.
Deutsch-Westungarn kam unter dem Namen Burgenland – der Name rührt von den vier Komitaten Wieselburg, Eisenburg, Ödenburg und Pressburg her – an Österreich.
Der Vertrag verbot der österreichischen Republik die Verwendung des Staatsnamens „Deutschösterreich“ sowie den Anschluss an das Deutsche Reich.
Ferner musste Österreich Rüstungsfabriken und Waffen zerstören und durfte nur ein Berufsheer von 30.000 Mann unterhalten.
Österreich musste, wie zuvor Deutschland, die Alleinschuld am Krieg anerkennen und den als Urheber der Verluste und Schäden Reparationen an die Alliierten zahlen.
Die Konstituierende Nationalversammlung protestierte ohne Erfolg am 6. September 1919 öffentlich gegen den Vertrag, der dem deutschösterreichischen Volk das Selbstbestimmungsrecht verweigere. Nicht die Siedlungsverhältnisse, sondern geographische und strategische, wirtschaftliche und verkehrspolitische Wünsche der Anrainerstaaten entschieden allzu oft über die staatliche Zugehörigkeit. Nicht nur die vielen verstreuten deutschen Sprachinseln wurden von den neuen „Nationalstaaten“ einverleibt, sondern auch geschlossene mit „Deutsch-Österreich“ zusammenhängende deutsche Siedlungsgebiete, wie das Sudetenland. 3,5 Millionen Deutschösterreicher gelangten so unter „Fremdherrschaft“.
Der Vertrag von Saint-Germain trat am 16. Juli 1920 förmlich in Kraft und bestätigte die Auflösung Österreich-Ungarns auch völkerrechtlich.
Die Mehrheit der deutschösterreichischen Bevölkerung lehnte den Friedensvertrag ab. Manche Gemeinde und Organisation brachte diese Haltung auch auf ihren Notgeldscheinen zum Ausdruck. Der Verein „Südmark – Bund der Deutschen zur Erhaltung ihres Volkstums im In- und Auslande“ mit Sitz in Graz, Joanneumring 11, war diesbezüglich besonders aktiv. Er entstand 1921 durch den Zusammenschluss der Schutzvereine: „Südmark“, „Bund der Deutschen in Niederösterreich“ und des „Vereins zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn“.
Die „Südmark“ wurde am 24. November 1889 im Gemeinderatssitzungssaal des Grazer Rathauses gegründet. Sie setzte sich für die Stärkung des Grenz- und Auslandsdeutschtums ein. Besonders förderte sie finanziell die Errichtung und Erhaltung deutscher Schulen in Gemeinden mit einer deutschen Minderheits-Bevölkerung. Sie errichtete Internate für deutsche Mittelschüler in Gottschee (Kocevje), Cilli (Celje) und Pettau (Ptuj), sowie eine Mensa in Marburg (Maribor). Ferner erhielt der „Verein deutscher Hochschüler“ in Laibach (Ljubljana) einen namhaften Betrag.
Außerdem unterstützte sie u. a. die Bauern von St. Egydi nach einem Hagelschaden und die Deutschen der Stadt Laibach nach einem Erdbeben im Jahr 1895.
Die Gründung der „Südmährischen Volksbank“ 1899 gab dem Verein einen starken Rückhalt. Finanziert wurde er durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Vermächtnissen, Erträgen von Festveranstaltungen, Wohltätigkeitslotterien, Zuwendungen von Gemeinden in den bedrohten Gebieten sowie durch Zahlungen der Landtage der Steiermark, Kärntens und Niederösterreichs, ferner durch den Verkauf von Abzeichen, Postkarten, Briefpapier, Zündhölzern und 1921 auch durch den Verkauf von Spendenscheinen, die im Stil der damaligen österreichischen Notgeldscheine gestaltet waren. In den Katalogen werden sie allgemein dem Notgeld zu gerechnet.
Die von der Wiener Verkaufsabteilung der Südmark verkauften 70 x 95 mm große Spendenscheine kommen ohne und mit dem Wertaufdruck 1, 2, 3 und 10 K (Kronen) vor. Die 28 existierenden Bildseiten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:
In solche Scheine, die die Erinnerung an die verlorenen Gebiete wachhalten
in Scheinen, die die Vereinigung mit dem Deutschen Reich propagieren bzw. die eigene Kraft beschwören.
Die Textseiten sind nationalistisch, patriotischen Parolen vorbehalten oder erklären die entsprechende Bildseite des Scheins.
Auf den Scheinen der ersten Gruppe findet sich am unteren Rand der Aufruf „Gedenkt der unerlösten Brüder!“.
Die Spendenscheine mit den Bildern Nr. 9 und 10 sowie 16 bis 28 zeigen die abgetrennten ehemaligen „deutschösterreichischen“ Gebiete, die an die Tschechoslowakei (Reichenberg, Brünn, Troppau, Eger, Ölmütz, Znaim, und Feldsberg), an Jugoslawien (Friedau, Cilli, Pettau und Marburg a. d. Drau) sowie an Italien (Bozen und Pontafel) fielen. Schein Nr. 8 verkündet stolz, wozu man durch gemeinsames Handeln fähig ist.
„Die Kärtner Volksabstimmung ist die Frucht des vom Kärntner Volk aus eigener Kraft geführten Abwehrkampfes gegen ländergierige Eindringlinge.“
Bei der Abstimmung sprachen sich 59 % der Bevölkerung Südkärntens für den Verbleib bei Österreich aus. Da der habsburgische Kaiser Ferdinand III. das Heinzen- oder Burgenland „willkürlich und widerrechtlich an Ungarn verschenkt (1647)“ hatte, empfanden es die Österreicher als Genugtuung, dass im Friedensvertrag Deutschwestungarn Österreich zugesprochen wurde. Allerdings blieb die Stadt Ödenburg (Sopron) am Neusiedlersee ungarisch. Hierauf weist Schein Nr. 1 hin. Die Scheinnummer befindet sich bei allen Scheinen auf der Textseite am unteren Rand.
Das zweite beherrschende Thema der Spendenschein-Serie ist die Forderung nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Der leidenschaftliche Text von General Alfred Krauß auf der Rückseite des Spendenscheins Nr. 2 atmet deutlich das Fluidum der damaligen Zeit:
„Der Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich ist das wichtigste Volksgebot für das ganze deutsche Volk. Erst seit dem Jahr 1866 ist Österreich aus dem Deutschen Reich geschieden.[2] Seine Heimkehr ist jetzt, da alle inneren Hindernisse gefallen sind, ein sittliches Volksgebot. Keine Macht der Welt kann uns die Erfüllung dieses Volksgebotes verwehren, wenn nur wir selbst den Anschluß ernstlich wollen.“
Und auf dem Schein Nr. 6:
„Stemmt euch entgegen mit Schwert und List Reißet beglückende Bande entzwei. Der einende Gott, der im Himmel ist, Hört unsern weltüberbrausenden Schrei Volk will zu Volk! Robert Hohlbaum.“
Dieses Gedicht beschwört wie der Aufdruck auf Schein Nr. 5 „Gewiß, auch in Ketten vorwärts, aber in Einheit.“ und die Darstellung des aufgespießten Drachen, der auf der Schwarz-Rot-Goldenen-Fahne liegt (Schein Nr. 3) und der Bildunterschrift „Den Brüdern im bedrohten Land, warmfühlend Herz, hilfreiche Hand!“ den Willen zur Einheit. Schließlich zerschlägt ein junger Kämpfer auf Schein Nr. 14 den Grenzzaun. Im Hintergrund blickt martialisch die Germania auf das Geschehen. Goethes zweite Strophe aus dem Gedicht „Beherzigung“ musste auf Schein Nr. 7 herhalten, um den eisernen Willen zu verkünden:
„Allen Gewalten Zum Trotz sich erhalten Nimmer sich beugen Kräftig sich zeigen, Rufet die Arme Der Götter herbei!“ [3]
Über der Gedichtstrophe steht ein muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper, dessen rechter Fuß auf einem Totenschädel ruht. Am Boden winden sich unzählige Schlangen und züngeln an seinen Beinen hoch. Der Mann hält seitlich von seinem Kopf ein Hakenkreuz, das wie ein Heiligenschein den Kämpfer beleuchtet.
Die Darstellungen der nächsten beiden Beispiele muten religiös an, fast wie Heiligenbilder. Viele Österreicher empfanden die Bestimmungen des Friedensvertrags als Knechtschaft und Demütigung. Daher fleht auch der auf Schein Nr. 12 vor einem Wegkreuz knieende, betende Mann „Herr mach uns frei“. Symbolisiert wird die Unterdrückung durch die zwei pflugziehenden Männer im Hintergrund, die von einer Peitsche schwingenden dritten Person angetrieben werden.
Schein Nr. 11 drückt trotz der scheinbar unüberwindbaren Trostlosigkeit und Ausweglosigkeit Hoffnung aus. Die Haltung des jungen Mannes, der vor einer Berglandschaft stehend seine Arme ausstreckt und die Handflächen dem Himmel zu wendet, unterstreicht trotzig den Inhalt der Bildunterschrift „Es muß doch Frühling werden“. Heute scheint uns mache Darstellung fremd, den damaligen Betrachtern der allegorischen Abbildungen jedoch war klar, was die Künstler zum Ausdruck bringen wollten. Teilweise haben diese ihre Entwürfe signiert.
Johann Kodnar und Norbert Künstner führen in ihrem „Katalog des österreichischen Notgeldes 1914 – 1924“, der im Eigenverlag 2017 erschien, unter der Katalog-Nummer 1219 (S. 1134 – 1136) insgesamt 40 verschiedene Südmark-Spendenscheine auf: drei Spendenscheine zu einer Krone mit der Abbildung 1 in braun, oliv und dunkelviolett, 16 Scheine mit den Abbildungen 1 – 14 zu zwei Kronen, wobei der Schein mit der Abbildung Beethovens in braun, grün und schwarz vorkommt, zwei Scheine mit den Abbildungen 15 und 18 zu drei Kronen sowie 16 Scheine mit den Abbildungen 5 – 7, 11 – 14, 16 – 25 zu 10 Kronen, ferner drei weitere Scheine ohne Wertangabe mit den Abbildungen 26 – 28.
Am 29. März 1925 fusionierten die beiden Schutzvereine „Südmark“ und „Deutscher Schulverein“ (gegr. 1880) zum „Deutschen Schulverein Südmark“. Während der Deutsche Schulverein weitgehend bürgerlich-liberal ausgerichtet war, vertrat die Südmark eindeutig völkische und anti-semitische Anschauungen. So nennt die Rückseite des Spendenscheins Nr. 3 als Vereinsziel unter Punkt 6:
„Erneuerung unseres durch tiefen sittlichen Verfall bedrohten Volkstums durch Erziehungs- und Bildungsarbeit auf arischer Grundlage.“
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 wurde im Zuge der Gleichschaltung der Verein dem „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ eingegliedert. Bleibt anzumerken, dass die Südmark 1952 in Graz neu gegründet wurde.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Im Friedensvertrag von Trianon, unterzeichnet am 4. Juni 1920, musste der ungarische Reichsteil ähnlich harte Bedingungen akzeptieren. Ungarn musste endgültig mehr als zwei Drittel seines Staatsgebietes an die Nachbarn abtreten:
Die Slowakei und die Karpato-Ukraine erhielt die Tschechoslowakei,
das Burgenland Österreich,
Kroatien, Slowenien, Prekmurje, die Regionen Batschka und Süd-Baranya (Drávaköz) und Teile des Banats verleibte sich das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ein,
Siebenbürgen mit Resten des Banats und mit Partium fielen an Rumänien,
ein kleines Gebiet mit 14 Dörfern im äußersten Norden wurde Polen zugesprochen.
Die Stadt Fiume (Rijeka) bildete zunächst einen eigenen Freistaat, der 1924 von Italien annektiert wurde.
So blieben von den 325.411 km² Transleithaniens (Ungarns) nur 93.073 km² übrig.
[2] Anm. d. Verf.: Gemeint ist das Ausscheiden Österreichs aus dem Deutschen Bund nach dem preussisch-österreichischen Krieg.
[3] Dieser Vers war übrigens auch der Wahlspruch der Widerstandskämpferin Sophie Scholl (Weiße Rose), die 1942 vom NS-Regime hingerichtet wurde.
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