Zwischen 6,6 und 8 Mio. Soldaten gerieten während des Ersten Weltkriegs in Gefangenschaft, allein 2,4 Mio. davon fielen in deutsche Hände: Franzosen, Belgier, Briten, Russen usw. Die Unterbringungsmöglichkeiten in alten Kasernen, auf Truppenübungsplätzen, Artillerieschießplätzen und für Offiziere in Festungen reichten bei Weitem nicht aus, sodass Kriegsgefangene in rasch errichtete Zeltlager untergebracht werden mussten. Im Verlauf des Krieges entstanden auf dem Gebiet des Deutschen Reiches über 100 Stammlager mit unzähligen Nebenlagern für Mannschaftsdienstgrade und Offiziere. Die stacheldrahtumzäunten Holzbarackenlager nahmen zunehmend den Charakter von Kleinstädten an: Sie besaßen eigene Verwaltungen, Zeitungen, Werkstätten und medizinische Einrichtungen.
In Übereinstimmung mit Artikel 6 der Haager Landkriegsordnung von 1907 konnten Kriegsgefangene zur Arbeit für den sogenannten Nehmerstaat gezwungen werden. Waren die Gefangenen zunächst bei Arbeiten in den zu errichtenden Lagern, beim Straßenbau und beispielsweise zur Kultivierung staatseigener Moor- und Heideflächen im Einsatz, folgte ab Frühjahr 1915 ihre Beschäftigung auch in privaten Bereichen, in der Landwirtschaft und ab Herbst auch in Industrie und Bergbau. Kriegsgefangene Offiziere waren von der Arbeitspflicht ausgenommen und auch sonst privilegiert. Sie hatten Anspruch auf dieselbe Besoldung wie deutsche Offiziere gleichen Dienstgrades.
Im Bezirk des IV. Armeekorps entstanden in Burg (bei Magdeburg), Halle a. S., Magdeburg und Torgau Offizier-Gefangenenlager. In Magdeburg wurde hierfür anfänglich die Zitadelle genutzt. Wegen der unhaltbaren Zustände wurde das Lager bald in das Kavalier I „Scharnhorst“ und das dazugehörige Wagenhaus verlegt. Das Lager war recht idyllisch gelegen:
„Hochragende, dichtbelaubte Bäume umfrieden den größten Teil des Lagers und heben sich, im Sommer linden Schatten um sich breitend, mit ihrem dunklen Grün wirkungsvoll von dem eintönigen Grau der Häuserzeile ab, die sich von Westen an das Lager drängt. Wuchtig und massig recken sich im Hintergrund die altehrwürdigen Domtürme gleich zwei auswärtszeigenden Fingern empor und dumpf hallende Klänge nehmen von hier aus, ihren Weg über das Lager hin, wenn der Klöppel schwingt und die Domglocke schlägt, um das Maß der Zeiten zu künden.“ [1]
Die Stuben waren einfach eingerichtet, boten aber den Offizieren die Möglichkeit, es sich nach ihrem Geschmack wohnlich zu machen. Die hygienischen Verhältnisse waren in Magdeburg den Umständen entsprechend gut, Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie die Wasserleitungen waren in gebrauchsfähigem Zustand. Kranken und verwundeten Offizieren standen extra Krankenzimmer zur Verfügung und es bestand in Clausthal im Harz ein eigens eingerichtetes Kur-Lager.
Was die Beschäftigung betraf, so spielte der Sport eine große Rolle. Fußball, Kegeln, Tennis und Turnen waren überaus beliebte Sportvergnügen. Chöre sowie Musikkapellen gehörten zum Alltag des Lagerlebens. Irgendwie wurden die nötigen Instrumente und Noten beschafft. So konnten auch Theatervorstellungen musikalisch begleitet werden. Begreiflicherweise mussten Frauenrollen mit Männern besetzt werden, was sehr oft eine übergroße Heiterkeit hervorrief. Schach und Billiard, Malen und Bildhauen standen ebenso auf dem Programm. Sogar wissenschaftliche Vorträge wurden gehalten, für deren Vorbereitung die Lagerbibliothek die notwendige Literatur lieferte. In einem Lesezimmer lagen deutsche Zeitungen aus und die deutsche Heeresleitung gab selbst fremdsprachige Zeitungen heraus. Die seelsorgerische Betreuung lag in den Händen deutscher Geistlicher; für russische Offiziere erschien sogar ab und zu ein Pope aus einem anderen Lager. Darüber hinaus konnten sich die Offiziere in der Regel recht frei bewegen.
Für Offiziere und Mannschaften galten hinsichtlich der Ernährung unterschiedliche Regelungen. Da Offiziere eine Löhnung von der deutschen Heeresleitung bekamen, mussten sie sich selbst verpflegen. Die Küche führte ein deutscher Offizier in Gemeinschaft mit einem Küchenausschuss, der auch den Wochenspeisezettel erstellte. Den Offizieren standen täglich zwei Flaschen Bier und sonntags eine halbe Flasche Wein zu. Ganz wie in der Heimat sorgten Ordonanzen für die Bedürfnisse der Offiziere. Für sechs bis acht Offiziere stand eine Ordonanz zur Verfügung. In den Lagerwerkstätten waren Mannschaftsdienstgrade damit beschäftigt, Reparaturen und andere Arbeiten für die Offiziere durchzuführen. Die Mannschaften waren getrennt von den Offizieren untergebracht.
Anfangs erfolgte die Löhnung der gefangenen Offiziere in deutscher Währung. Mitgebrachte ausländische Münzen und Banknoten – hierbei konnte es sich durchaus um höhere Beträge handeln – waren bei der Lagerkasse, die als Wechselstube fungierte, umtauschbar. Dieses Geld stand zur freien Verfügung und konnte bei Einkäufen innerhalb und außerhalb des Lagers verwendet werden. Nicht benötigte Geldmittel durften die Kriegsgefangenen bis zu einem monatlichen Betrag von 800 Mark (!) auch an ihre Angehörigen ins besetzte Belgien und Frankreich überweisen. Der Mark-Betrag wurde dem Empfänger in französischen Stadtscheinen ausgezahlt. Dabei galten 0,75 Mark = 1 Franc [2]. Die Lagerkasse diente jedoch auch als Bank, denn der Kriegsgefangene konnte hier ein Konto eröffnen und sein Bargeld einzahlen. Über dieses Guthaben konnte er dann nicht nur durch Barabhebung verfügen, sondern auch Bargeldzahlungen an andere Gefangene vornehmen. Hierfür hielt die Lagerkommandantur besondere Scheckvordrucke bereit.
Der Scheck des Offizier-Gefangenenlagers Magdeburg ist auf dickerem, festem Papier ohne Wasserzeichen gedruckt. Am oberen Rand links: „Scheck No 12358“ und rechts „Scheck über Mk. …“, darunter war der „Name des Ausstellers“ und die „Stube“ einzutragen. Es folgt ein zweizeiliger Text: „Die Kasse des Offizier-Gefangenenlagers Magdeburg wolle zahlen / gegen diesen Scheck aus meinem Guthaben die Summe von“. In der Zeile darunter musste hinter der Währungsbezeichnung „Mark“ der Betrag in Buchstaben eingetragen werden. In der folgenden Zeile: „Magdeburg, den … 1915.“, in einer weiteren Zeile das Feld für die Unterschrift des Ausstellers. Diese bisherigen Angaben machen ca. 2/3 der Scheckfläche aus, die im Unterdruck ein grünes Muster zeigt. Das letzte Drittel diente dazu, den Nachweis über Auszahlung zu führen: „Obigen Betrag von Mk. … empfangen zu / haben, bescheinigt / Magdeburg, den … 1915. / Unterschrift des Empfängers“. Auf der linken Seite dieses Feldes das Dienstsiegel mit dem auffliegenden preußischen Adler und der Umschrift „Kgl. Kommandantur d. Offizier-Gefangenenlagers // * Magdeburg *“.
Abb.: Unausgefüllter Scheck des Offizier-Gefangenenlagers Magdeburg aus dem Jahr 1915.
Im Kriegsverlauf emittierten militärische Lager und Arbeitslager der Industrie Kriegsgefangenenlagergeld in Form von Papiergeld und Münzen, getrennt nach Mannschafts- und Offizierslager:
„Wahrscheinlich ist das Lagergeld damals ursprünglich garnicht [sic] durch zentrale Anordnung, sondern auf Veranlassung einzelner Lagerkommandanten entstanden. Denn nur erst von wenigen Lagern wurden anfangs Scheine bekannt, zuerst die des österreichischen Lagers Gröding bei Salzburg Anfang 1915, dann die von Chemnitz. Erst nach und nach verbreitete sich die Ausgabe über das ganze Reichsgebiet. [...] Erst im letzten Kriegsjahr wurde die Einführung des Lagergeldes für sämtliche Lager amtlich angeordnet; durch Verfügung des preußischen Kriegsministeriums wurde vom 15. Januar 1918 ab jeder Bargeldverkehr in Lagern und Arbeitsstellen verboten. Alle Zahlungen durften fortan nur mehr in Lagergeld erfolgen; es war verboten, es den Gefangenen in bares Geld umzutauschen.“ [3]
Auch aus dem Offizier-Gefangenenlager Magdeburg sind undatierte Scheine zu 5 Mark (gedruckt auf Papier und Leinen) sowie 10 Mark (gedruckt auf Leinen) bekannt.
Als Kleingeld dienten darüber hinaus Zinkmünzen zu 5, 10, 50 und 100 Pfennig; auch diese weisen keine Jahreszahl auf.
Nach Kriegsende 1918 wurde das Lager geschlossen und bis 1945 für Wohnzwecke und Kleingewerbe genutzt. Nach 1945 wurde der Hauptgraben zugeschüttet. Bis Anfang der 1990er Jahre wurde die Anlage dann gewerblich genutzt, zuletzt vom Fotolabor „Fotocolor“. Auch wenn der spätere französische Staatspräsident Charles de Gaulle nur wenige Wochen in Magdeburg als „Gast“ weilte, dürfte er im Nachhinein der prominenteste Kriegsgefangene gewesen sein. Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch wurde der damalige Hauptmann im September 1918 eingeliefert.
Uwe Bronnert
[1] Leutnant d. R. Risse, Die Kriegsgefangenenlager im Bezirk des IV. Armeekorps, Halle 1916. [2] Kriegsministerium Nr. 503/2, 18 U 3 vom 18.2.1918, Verwawest, S. 623f. [3] Dr. Arnold Keller, Das Papiergeld der Gefangenenlager im Deutschen Reich sowie in Österreich und Ungarn 1914–1918, 2. Auflage, Berlin-Wittenau 1954, S. 7f.
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