Am 20. November 1948 erschien in der US-amerikanischen Zeitung "New York Herald Tribune" ein Artikel, der seinen Weg über den Atlantik in die Akten der Deutschen Notenbank (DNB) in Ost-Berlin fand, wo eine deutsche Übersetzung mit zahlreichen Anstreichungen mit Rotstift davon zeugte, dass man sich intensiv mit dem Inhalt auseinandergesetzt hatte. Die darin enthaltenen Botschaften werden kaum Begeisterung ausgelöst haben; Reaktionen und Proteste bei offiziellen Stellen waren nicht möglich.
Worum ging es?
Die "New York Herald Tribune" zitierte in dem genannten Zeitungsartikel alliierte Bank- und Militärkreise in Westdeutschland, wonach die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) DM-BdL-Noten zu Preisen weit unter dem offiziellen Kurswert (dieser Betrug betrug im November 1948 3,33 DM-BdL pro US-Dollar) nach Zürich verkaufe, die von dort in die USA gelangten und in Wechselstuben in New York und New Jersey zu Preisen von 5 bis 9 US-Cent pro DM-BdL angeboten würden. Der Handel sei gut organisiert und liefe über mehrere Zwischenhändler, die daran gut verdienten. Er sei möglich, weil die Zollgrenzen der Westzonen nicht ausreichend gesichert seien – dort, so der britische Militärgouverneur General Robertson auf einer Pressekonferenz in Frankfurt/Main, gingen „viele unerlaubte Dinge … vor“.
Der Umsatz des geschilderten Handels mit DM-BdL-Noten würde sich auf mehrere Millionen US-Dollars belaufen.
Möglich wurde dieser Handel, weil die SMAD ihn aktiv förderte. Denn für die UdSSR eröffnete er eine Gelegenheit, außerhalb der offiziellen Bankenkanäle
in einem vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Ost-West-Konfliktes schwierig geworden, Umfeld für Finanztransaktionen an konvertible
US-Dollars zu gelangen.
Schlimm für die Deutsche Notenbank –
bei entsprechenden Geschäften hätte die SMAD laut Zeitungsbericht keinerlei Hemmungen, auch deren Banknoten in DM-DN weit unter dem offiziellen Kurswert (der ebenfalls 3,33 DM-DN je US-Dollar betrug) zum Verkauf anzubieten. Dabei waren die Kurse für DM-DN noch schlechter als für DM-BdL – berichtet wird von 4 US-Cents für 1 DM-DN. Schlimmer noch – berichtet wird auch darüber, dass die SMAD in Westberlin aktiv DM-West gegen DM-Ost aufkaufe. Auch andere zeitgenössischen Pressequellen enthalten Hinweise, dass die SMAD in Westberlin im Sommer 1948 größere Bestände an DM-Noten der Bank deutscher Länder gegen Ost-DM erwarb[1], die die Deutsche Notenbank der SMAD zur Verfügung stellen musste.
US-Silver-Certificate 1 Dollar, Ausgabe 1935-A, Vorder- und Rückseite.
Bank deutscher Länder, Banknote zu 5 DM-BdL Kopfgeld 1948, Vorder- und Rückseite.
Bank deutscher Länder, Banknote zu 10 DM-BdL Kopfgeld 1948, Vorder- und Rückseite.
Beides vergrößerte unkontrolliert den Umlauf an DM-Noten der Deutschen Notenbank außerhalb der sowjetischen Besatzungszone. Diese Geldbestände drängten in die sowjetische Besatzungszone zurück und konterkarierten die Politik der DNB, den Bargeldumlauf in der sowjetisch besetzten Zone möglichst knapp zu halten. Der Gipfel war jedoch – für die Versorgung der SMAD mit DM-Banknoten der Bank deutscher Länder, die möglicherweise auch in diesen Handel flossen, der der Notenbankpolitik der DNB massiv zuwiderlief, musste ausgerechnet sie selbst die organisatorischen Voraussetzungen schaffen.
Banknote zu 20 DM-DN Ausgabe 1948 (sowjetischer Druck), ausgegeben durch die Deutsche Notenbank ab 25. Juli 1948.
Mit den Währungsreformen in den Westzonen und in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands entstanden schon Ende Juni 1948 zuerst in Westberlin[2], dann auch in anderen Orten in Westdeutschland Wechselstuben[3], in denen DM-West gegen DM-Ost und umgekehrt getauscht werden konnte[4]. Die Kurse schwankten, waren aber im Hinblick auf die DM der Deutschen Notenbank ungünstig und betrugen im Herbst 1948 etwa 1:3 bis 1:4[5].
Weniger bekannt ist, dass auch in der sowjetischen Zone mit dem Aufbau von Wechselstuben begonnen wurde. Am 26. November 1948 beschloss die Deutsche Wirtschaftskommission eine Verordnung[6] über den Umtausch von Geldzeichen der westlichen Besatzungszonen im DM-DN bei der Einreise in die sowjetische Besatzungszone und nach Großberlin[7]. Die Vorarbeiten für die Umsetzung dieser Verordnung liefen – streng vertraulich – bei der DNB schon seit August 1948[8].
Danach wurde die Einfuhr von DM-West in die sowjetische Besatzungszone und nach Großberlin verboten. Bargeldbeträge in DM-BdL konnten durch in Deutschland ansässige Personen bei der Einreise in den Wechselstuben der ostzonalen Kontrollpunkte (die durch die jeweiligen Emissions- und Girobanken der Länder in Zusammenarbeit mit den örtlichen Kontrollkräften der SMAD zu errichten und durch die Emissions- und Girobanken mit Bargeldbeständen in DM-DN auszustatten waren) bis zu einem Gegenwert von 500 DM-DN gebührenpflichtig[9] umgetauscht werden. Der Umtauschkurs betrug 1 DM-Ost = 1,25 DM-West, was angesichts der gleichen Dollarparität beider Währungen und der in den Westberliner Wechselstuben tatsächlich gezahlten Umtauschkurse für die Ostmark in der westlichen Presse einen Sturm der Entrüstung hervorrief. Schnell war von einem Zwangskurs die Rede. Da die Einfuhr von DM-West durch die Verordnung verboten worden war, kam der Umtausch im Ergebnis einer Umtauschpflicht für Deutsche im Interzonen-Reiseverkehr gleich. Für Ausländer fand nach § 7 der Verordnung kein Umtausch und keine Hinterlegung statt[10].
Beträge über 500 DM-DN (= 625 DM-BdL) waren gegen Bescheinigung bei der Grenzwechselstube ebenfalls gebührenpflichtig[11] zu hinterlegen. Auf die Hinterlegungsbescheinigung konnten in der sowjetischen Besatzungszone Auszahlungen durch die DNB, die Emissions- und Girobanken der Länder, die Landeskreditbanken, das Berliner Stadtkontor sowie die Garantie- und Kreditbank AG erfolgen, wobei Auszahlungen von mehr als 5.000 DM-DN durch die DNB zu genehmigen waren.
Die Hinterlegungsbescheinigung verloren nach sechs Monaten ihre Gültigkeit, der Hinterlegungsbetrag war dann verfallen. Um (Ver-)Fälschungen der Bescheinigung zu erschweren, entwarf die DNB sogar ein spezielles, als streng geheim geführtes System von Sicherungsstempeln mit zwei Buchstaben, die je Tag variierten und auf den Bescheinigungen angebracht wurden, sowie Stichzahlen, aus denen sich die Höhe des umgetauschten Betrages und das Umtauschdatum ergaben. Die errechnete Stichzahl war auf der Hinterlegungsbescheinigung einzutragen[12].
Abbildung: Muster einer Umtauschbescheinigung 1948
und einer Hinterlegungsbescheinigung 1948. Quelle: Bundesarchiv.
Attraktiv war der Umtausch nicht – auch deshalb, weil pro Aufenthaltstag in der sowjetischen Besatzungszone ein Betrag von 20 DM-DN nicht rücktauschbar war. Zusammen mit dem Einfuhrverbot und der Umtauschpflicht für DM-BdL führte das im Ergebnis zu einem Zwangsumtausch durch die Hintertür für deutsche Reisende im Interzonen-Verkehr.
Was die Verordnung nicht erwähnt, und was sich allein aus den geheimen Anweisungen der DNB an die Emissions- und Girobanken der Länder ergibt: Die durch die Grenzwechselstuben im Umtausch eingenommenen Beträge in DM-BdL waren nicht an die Deutsche Notenbank, sondern durch die jeweilige Emissions- und Girobank innerhalb von zehn Tagen an die Garantie- und Kreditbank AG abzuführen, die dafür den Gegenwert in
DM-DN erstattete. Ebenso waren die in DM-BdL hinterlegten Beträge mit der Garantie- und Kreditbank abzurechnen, die regelmäßig die bei Wechselstuben verbliebenen, nicht wieder rückgetauschten Beträge in DM-BdL über die entsprechende Emissions- und Girobank des Landes anforderte. Die DNB erhielt lediglich Kopien der Abrechnungen.
Die 1920 in Berlin als Garantie- und Kreditbank für den Osten gegründete Garantie- und Kreditbank AG diente ursprünglich der Finanzierung von Geschäften mit der Sowjetunion. 1941 geschlossen und 1945 reaktiviert, war sie der Form nach eine Niederlassung der sowjetischen Staatsbank und Dienstleister der SMAD in Deutschland, über die die SMAD den Zahlungsverkehr in ihrer Besatzungszone, darunter auch die Reparationszahlungen, abwickelte. Die Einführung der Umtauschpflicht hatte daher nur einen einzigen Zweck –
der SMAD Bargeldbeträge in DM-West zu verschaffen. Von der Verordnung profitierte allein die SMAD, denn durch sie erhielt sie Zugang zu den Geldbeträgen von Reisenden in die Ostzone. Außen vor blieb die Deutsche Notenbank, die – streng vertraulich – zwar die Abwicklung des Umtausches zu organisieren hatte und zusammen mit den Emissions- und Girobanken mit den Kosten hierfür belastet war, zudem sehen musste, wie sie den Bargeldumlauf in der sowjetischen Besatzungszone in den Griff bekam, an der die Einnahmen in DM-BdL aus Umtausch und Hinterlegung im Interzonen-Reiseverkehr aber vorbeiliefen. Zähneknirschend musste man mitmachen, denn gegen die Vorgaben der SMAD war nichts auszurichten. Umso ärgerlicher muss es gewesen sein, in einer US-amerikanischen Zeitung nachlesen zu müssen, wie billig die erworbene Westmark durch die SMAD verschleudert wurde, um an US-Dollars zu gelangen. Es blieb bei den Anstreichungen mit dem Rotstift in den Akten.
Erst nach Gründung der DDR im Oktober 1949 begann die DNB langsam, die Kontrolle über die Deviseneinnahmen zu gewinnen. Die Verordnung vom 26. November 1948 wurde durch spätere Verordnungen überholt. 1956 erlangte die DNB dann durch das Devisengesetz und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen auch offiziell die Kontrolle über den Devisenverkehr in der DDR[13].
Große Einnahmen brachte die Verordnung vom 26. November 1948 der Garantie- und Kreditbank nicht, wie aus den Unterlagen der DNB aus dem Jahr 1949 zu entnehmen ist. Manche der an den Grenzkontrollpunkten errichteten Wechselstuben – etwa für Binnenschiffer – tauschen im ersten Halbjahr 1949 insgesamt nur wenige hundert Ostmark um. Viele Reisende im damals noch relativ offenen Interzonen-Reiseverkehr entzogen sich scheinbar dem Geldumtausch in der sowjetischen Zone und zogen es trotz der Risiken vor, Geldbeträge in Ostmark bereits viel vorteilhafter in Westdeutschland oder Westberlin zu wechseln und dann illegal in die sowjetische Besatzungszone einzuführen.
Abbildung: Wechselstube am Autobahnkontrollpunkt Helmstedt, 1951. Für 100 DM-BdL wurden lt. Kurstafel 530 DM-DN geboten. Quelle: Bildarchiv Region Hannover, Signatur ARH NL Dierssen 1122/0021.
Wie lange die Verkäufe von DM-BdL über die erwähnten Kanäle nach Zürich und weiter in die USA angedauert haben, ist nicht bekannt, vermutlich jedoch nicht über das Jahr 1949 hinaus. Im März 1949 erkannte der sowjetische Stadtkommandant faktisch die Verwendung von DM-BdL im Zahlungsverkehr in Westberlin an. Ab Ende 1949 stieg der Kurs der DM-BdL in Zürich deutlich – betrug er Anfang 1949 etwa 23 Franken je 100 DM, waren es im Mai 1952 bereits 93,56 Franken (bei einer Parität, d.h. einem offiziellen Kurs von 104,11 Franken). Dadurch wurde es zunehmend unattraktiv, Beträge in DM-BdL zu Bruchteilen des offiziellen Kurses in die USA zu verkaufen. Vielmehr waren jetzt die Wechselkurse etwa im Züricher Freiverkehr für einen Umtausch deutlich attraktiver, zumal die Nachfrage nach DM-BdL im internationalen Handel stieg. Dadurch wurden Bestände an DM-BdL auch für die DDR zunehmend interessanter. Die DM-DN blieb eine Binnenwährung, bei der der offizielle Wechselkurs und freie Kurse deutlich voneinander abwichen, ein Umtausch zum offiziellen Kurs blieb jedenfalls für Reisende unattraktiv.
Dr. Sven Gerhard
Anmerkungen
[1] Interessant dazu: https://www.spiegel.de/wirtschaft/strumpfgeld-a-a3d05213-0002-0001-0000-000044419027
[2] Am 27. Juni 1948 waren auf Veranlassung der westlichen Stadtkommandanten die Bürgermeister in den Westsektoren angewiesen worden, möglichst bald „nichtamtliche Geldumtauschstellen zu lizenzieren“, die DM-BdL gegen DM-DN umtauschen sollten, s. dazu Karl-Heinz Arnold, Alltäglicher Gang über den Strich. Von Grenzgängern und Grenzgeschäften. Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001, S. 26.
[3] So etwa im November 1948 am Grenzbahnhof Bebra, s. „Die Welt“ vom 27. November 1948
[4] An großen Bahnhöfen in Westdeutschland war die 1926 von der Deutschen Reichsbahn gegründete Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank in diesem Wechselstubengeschäft aktiv
[5] Interessant dazu: https://www.spiegel.de/wirtschaft/strumpfgeld-a-a3d05213-0002-0001-0000-000044419027
[6] Zentralverordnungsblatt 1948 Nr. 58 vom 23. Dezember 1948
[7] Für Großberlin mit der Währungsreform wurde zunächst nur die DM-DN als alleiniges Zahlungsmittel anerkannt.
[8] Rundschreiben der DNB an die Präsidenten der Emissions- und Girobanken der Länder in der SBZ vom 4. sowie vom 29. September 1948.
[9] Die Gebühr für den Umtausch betrug bei Beträgen bis 200 DM-DN pauschal 1,- DM-DN, darüber 2 DM-DN.
[10] Für Ausländer wurden entsprechenden Regelungen erst in der Anordnung der SMAD vom 23.3.1949 (ZVOBl 1949, S. 211) getroffen.
[11] Die Gebühr für die Hinterlegung selbst betrug 1 Promille des Hinterlegungsbetrages, mindestens 1 DM-DN, für die Einlösung der Hinterlegungsbescheinigung 1 Promille des Hinterlegungsbetrages, mindestens 2 DM-DN.
[12] Die Stichzahl wurde gebildet aus der Addition der ersten und der letzten Kontrollziffer der Nummer der Hinterlegungsbescheinigung, des Betrages der Hinterlegungsbescheinigung auf volle hundert Markt nach unten abgerundet, sowie dem Ausstellungstag der Hinterlegungsbescheinigung. Von der so erhaltenen Summe war die Monatszahl des Ausstellungstages der Bescheinigung abzuziehen. Die Bescheinigung für einen am 15.11.1948 mit Bescheinigung Nr. 7126 hinterlegten Betrag von DM-DN 745,- erhielt also die Stichzahl (7+6+7+15-11=) 24.
[13] Eine verbindliche Regelung erfolgte dann mit Gesetz über Devisenverkehr und Devisenkontrolle (Devisengesetz) vom 11.2. 1956, Gesetzblatt DDR 1956 I S. 321, sowie den dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen.
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