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AutorenbildUwe Bronnert

Serienscheine erinnern an die Nordische Woche vom September 1921 in Lübeck

Aktualisiert: 28. Nov. 2023

Zum 100. Jahrestag der „Nordischen Woche“ wird am 1. September 2021 das Behnhaus, offizieller Name Museum Behnhaus Drägerhaus, Galerie des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne, in Lübeck eine Jubiläumsausstellung eröffnen, „die sich u. a. mit Lübecks Rolle innerhalb einer (nordischen) Moderne auseinandersetzen will.“[1]

Die Nordische Woche war ein gesellschaftliches Großereignis. Nach dem Ersten Weltkrieg war man im Deutschen Reich bemüht, an die zerrissenen Auslandskontakte wieder anzuknüpfen. Dies galt im besonderen Maße für die alte Hansestadt Lübeck. Georg Rudolf Reinhold Kalkbrenner (* 20. Dezember 1875 in Dammer; † 18. Mai 1956 in Lübeck), Finanzsenator der Hansestadt, und Wilhelm Theodor Erich Wallroth (* 28. Januar 1876 in Berlin; 6. Januar 1929 in Oslo), Mitglied der Lübecker Bürgerschaft und später als Diplomat im Reichsdienst tätig, gründeten mit anderen Vertretern der Lübecker Politik und Wirtschaft die „Nordische Gesellschaft“. Sie trat dafür ein, die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den Staaten des europäischen Nordens neu zu beleben und zu fördern.


Abb. 1: Titelseite des Programmheftes zur Nordischen Woche.

Die Darstellung auf der Titelseite ist fast identisch mit der des Plakates zur Ausstellung. Beide stammen vom Gebrauchsgraphiker Alfred Mahlau (* 21. Juni 1894 in Berlin; † 22. Januar 1967 in Hamburg). Er hat plakativ eine Vielzahl von Fischkuttern mit roten und schwarzen Masten um einen roten Duckdalben (eingerammte Gruppe von Pfählen zum Festmachen von Schiffen im Hafen) vertäut dargestellt. Während in der Presse die Darstellung als „blutiges Stachelschwein“ bezeichnet wurde, sprach Reichskunstwart Edwin Redslob dagegen von einem der am besten gelösten Plakat, das er in der letzten Zeit gefunden habe.


Bei der Umsetzung dieses Zieles griff man auf Ideen der Deutsch-Nordischen Handels- und Industrie-Ausstellung aus dem Jahre 1896 zurück. Auch Ende des 19. Jahrhunderts strebten Industrielle und Politiker eine Verbesserung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Skandinavien an. So wurde die Nordische Woche ins Leben gerufen. Vom 1.–11. September 1921 fand eine Reihe von Veranstaltungen statt, die die alte Hansestadt Lübeck aus ihrer Randlage befreien sollte und ihre Stellung im Ostseeraum als ehemaliges Haupt der Hanse in Erinnerung brachte. Dies wird auch aus den einleitenden Worten im Programmheft deutlich:

„Jahrhunderte verbanden Deutschland und die nordischen Länder. Ströme wirtschaftlichen und geistigen Lebens fluteten über Meere und Staatsgrenzen. Auf den Schiffahrtsstraßen der Ostsee steigerte sich von Jahr zu Jahr der Verkehr, Erzeugnisse des Bodens und des Gewerbefleißes hinüber und herüber tragend, das Wirtschaftsleben der angrenzenden Länder enger und enger verknüpfend. Die Reformation brachte religiöse Erneuerung Deutschland wie den nordischen Ländern. Nordisches Schauspiel, nordischer Roman befruchteten deutsches Schaffen, Meisterwerke deutscher Musik und Literatur fanden Heimstätte in nordischen Ländern. Häufige Reisen mehrten das Wissen vom Leben der anderen Völker. Politische Notwendigkeiten und wirtschaftliche Zerrüttungen der Kriegs- und Nachkriegszeit zerrissen viele Bande, schnitten ab vom Denken und Schaffen anderer Völker, an denen teilzunehmen Gewohnheit und Bedürfnis war. Umwälzungen der geistigen und politischen Struktur vollzogen sich, dem Fernstehenden kaum faßbar, entfremdend. Gemeinsamer Kampf in Finnland, tätige Nächstenliebe nordischer Völker an deutschen Kindern knüpften manches neue Band.[2] Hier weiterzuschaffen, einengende Kette nationaler Abschließung sprengend, ruft Lübeck zur ‚Nordischen Woche‘ auf. …“

Das Programm der Nordischen Woche war vielfältig. Vor und im alten Bahnhofsgebäude am Holstentor stellte sich das lokale Handwerk und die Lübecker Industrie in einer Messe vor. Die Katharinenkirche wurde zum Mekka historisch- und kunstinteressierter Besucher. Im Langschiff der Kirche wurden „Emil Noldes religiöse Bilder“ ausgestellt, im hohen Chor waren Urkunden, Siegel und Inkunabeln zur Lübecker Geschichte zu sehen, im Unterchor schließlich eine Ausstellung über deutsche und nordische Architektur. Skandinavische Kunst war in den Räumen der Overbeck-Gesellschaft im zweiten Stock des Schabbelhauses zu bewundern, und die sog. „Jahrhundert-Ausstellung“ im Behnhaus präsentierte Lübecker Kunst vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. In zahlreichen Vorträgen wurden Themen aus Politik, Wirtschaft und Kunst aufgegriffen; z. B. sprach Thomas Mann über „Goethe und Tolstoj“ und der Kunsthistoriker Johnny Roosval über „Beziehungen Lübecker Kunst zu Skandinavien“. Sportveranstaltungen, Liederabende, Kirchenmusik-, Sinfonie- und Kammerkonzerte sowie allabendliche Opern- und Theateraufführungen im Stadttheater waren wesentliche Bestandteile der Nordischen Woche.


Abb. 2: 50 Pfennig, Nordische Woche 1.–11. September 1921, Gemeinsame Vorderseite.


Abb.3: 50 Pfennig, Nordische Woche 1.–11. September 1921, Rs. A (Lübecker Wappen).


Abb. 4: 50 Pfennig, Nordische Woche 1.–11. September 1921, Rs. B (schwedisches Wappen).


Abb. 5: 50 Pfennig, Nordische Woche 1.–11. September 1921, Rs. C (dänisches Wappen).


Abb. 6: 50 Pfennig, Nordische Woche 1.–11. September 1921, Rs. D (norwegisches Wappen).


Abb. 7: 50 Pfennig, Nordische Woche 1. – 11. September 1921, Rs. E (finnisches Wappen).


Anlässlich der Nordischen Woche wurden 100.000 Serien von jeweils fünf Geldscheinen zu 50 Pfennig ausgegeben.[3] Die Vorderseite aller Scheine ist identisch. In den oberen Ecken das Lübecker Wappen, im Zentrum in einem Oval die Ansicht der Marienkirche und die Umschrift „Musterschau . Lübeck“. Die Rückseiten der Scheine zeigen jeweils in einem Oval Wappen und Landesfarben von Lübeck, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Gedruckt wurden die undatierten, 110 x 78 mm großen Scheine im Verlagshaus H. G. Rahtgens in Lübeck. Der Entwurf stammt vom Maler und Graphiker Walter Günteritz (*11. Juli 1888 in Neubrandenburg; † 23. September 1962 in Darmstadt). Nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste München wurde er zunächst 1914/15 Konservator am Großherzoglichen Schlossmuseum in Neustrelitz und Fachlehrer für Technisches Zeichnen am Technikum Strelitz. Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, wurde er 1918/19 Fachlehrer in Lübeck. Hier entwarf er 1921 nicht nur die erwähnte Serie, sondern auch das Notgeld des Lübecker Fischerdorfes Gothmund und der Lübecker Schiffergesellschaft. Von ihm stammt aber auch der Entwurf eines 3-Mark-Scheines der nicht existierenden Stadt Neukirch. Obwohl die Scheine der Musterschau nur in der Ausstellung gültig waren, meldete ein Polizeibericht vom 18. Oktober 1921: „Scheine Nordische Woche sind im Umlauf“. Diese Scheine war demnach zusammen mit dem „Eiergeld“ und der „Sprücheserie“ der Stadtkasse im Verkehr.


Bei der „Eierserie“ handelt es sich um fünf 20-Pfennig-Scheine mit dem Datum vom 1. April 1921 und bei der „Sprücheserie“ um fünf 50-Pfennig-Scheine mit Datum vom 1. Mai 1921, die auch mit zwei zusätzlichen roten Aufdrucken „Nordische Woche“ vorkommen.


Abb. 8: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Gemeinsame Vorderseite.


Abb. 9: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Rückseite I: Lübecker Dom mit Stadtsilhouette.


Abb. 10: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Rückseite II: Rathaus.


Abb. 11: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Rückseite III: Heilig-Geist-Spital.


Abb. 12: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Rückseite IV: Burgtor.


Abb. 13: 50 Pfennig, Stadtkasse Lübeck, 1. Mai 1921, mit Stempel „Nordische Woche“, Rückseite V: Holsten Tor.


Die Scheine der „Sprücheserie“ entwarf der Maler und Grafiker Asmus Jessen (* 15. Mai 1890 in Havetoft; † 6. Februar 1977 in Lübeck). Sein Honorar betrug 2000 Mark. Den Auftrag für den dreifarbigen Druck erhielt die Firma Joh. Moll KG im Mai 1921 mit der Auflage, 250.000 Stück 50-Pfennig-Scheine bis zum 23. August 1921 zu liefern. Für jeden Tag Verzögerung drohte eine Konventionalstrafe in Höhe von 200 Mark. Für den Druck der 90 x 60 mm großen Scheine wurde Papier mit dem Wasserzeichen „Helle Kreuze“ verwendet.[4] Diese Scheine wurden auch mit einem runden, roten Aufdruck „Nordische Woche 1.–11. September“ versehen. In einem Bericht vom 11. Januar 1921 an die Reichsbankstelle wurde der Ausgabebetrag der beiden Sorten mit 360.000 Mark angegeben. Ende 2021 wurde die Laufzeit bis zum 15. März 1922 verlängert. Danach konnten die Scheine noch bis zum Ende des Monats bei der Stadtkasse eingelöst werden. Während die umgelaufenen Scheine im Laufe des Jahres vernichtet wurden, gelangten die noch vorhandenen druckfrischen Scheine der Stadtkasse in Verkauf. Am 9. Juni 1922 waren 280.000 Scheine der Sprücheserie ohne Aufdruck und 70.000 Scheine mit Aufdruck „Nordische Woche“ vorhanden.[5]


Uwe Bronnert

[1] <https://katharineum.de/plakatwettbewerb-zur-jubilaeumsausstellung-100-jahre-nordische-woche-2021> (12.05.2021). [2] Anm. d. Verf.: Diese Zeile erinnert an die Hilfe, die das deutsche Militär der „Weißen Regierung“ im finnischen Bürgerkrieg leistete, sowie an die Hilfsgüterlieferungen aus Skandinavien nach dem Ersten Weltkrieg. [3] Vgl. Heinz Röhl und Jan Romanowski, Lübecks Papiergeld im 19. und 20. Jahrhundert, Lübeck 2011, S. 130. [4] Wasserzeichen Nr. 171, vgl. Arnold Keller, Deutsche Wertpapierwasserzeichen, Die Wasserzeichenpapiere des deutschen Reiches 1914 – 1948, Abbildungen gezeichnet von Kurt Lehrke, Berlin-Wittenau 1955, S. 49, Tafel 9. [5] S. Hein Röhl und Jan Romanowski, S. 56 ff.

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