Wie viele andere deutsche Städte und Gemeinden, musste auch die oberfränkische Stadt Bamberg während der Hochinflation 1923 eigenes Notgeld ausgeben, weil das von der Reichsbank zur Verfügung gestellte Papiergeld längst nicht mehr ausreichte, um mit der rasant wachsenden Inflation Schritt zu halten.
Der Stadtrat von Bamberg gab aber nicht nur einfach Gutscheine aus, mit den Sinnsprüchen auf den Rückseiten sind die Bamberger Notgeldscheine nicht nur als Zeugen der Geldgeschichte von Interesse, sondern auch sehr interessante Belege zur Zeitgeschichte jener Zeit, die man auch "Tollhaus der Proportionen" nannte, verdeutlichen sie doch eindringlich den Zeitgeist jener Epoche zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg mit den Folgen des Versailler Vertrags, Inflation, Weltwirtschaftskrise und aufstrebenden radikalen Parteien.
Von Serienscheinen, die fast ausschließlich für Sammler hergestellt wurden, sind vielfältige Sinnsprüche bekannt. Bei den Notgeldscheinen der Hochinflation und sogar den wertbeständigen Notgeldscheinen am Ende der Inflation bilden die Bamberger Scheine eine seltene Ausnahme.
Über den "Knallprotz" wurde bereits in einem Beitrag von Katharina Depner von der HVB Stiftung Geldscheinsammlung berichtet. Hier sind nun alle Bamberger Scheine der Hochinflation 1923 mit ihren Sprüchen.
500.000 Mark vom August 1923 – 30. November 1923 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Ein Pfund Butter eine Million,
Ein Pfund Fleisch eine halbe schon.
Zweihunderttausend Mark ein Liter Bier,
Zehntausend Mark ein "Weckla" (Brötchen, Semmel) hier.
Schwer ist zu beschaffen das tägliche Brot,
Dies Geld zeugte Teuerung und Not.
St. Heinrich, St. Kunigund stets hilfsbereit
Schützt Bamberg in dieser schweren Zeit!
1 Million Mark vom August 1923 – 30. November 1923 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Niederlagen erleiden auch Helden.
Verharren in der Niederlage ist Schwächlingen eigen.
2 Millionen Mark vom September 1923 – 31. Dezember 1923 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Und ist die Mutter noch so arm,
hält sie doch ihr Kindlein warm.
50 Millionen Mark vom Oktober 1923 – 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
In Bamberg, der einst "gar lustreichen Stadt",
Ein löblicher Rat mich geschaffen hat.
An meiner Wiege, da sind zwei Tanten,
"Frau Sorge" und Teuerung Pate gestanden.
Ihr seid zwar alle jetzt Milliardäre,
Gar viele sogar schon Billionäre;
Doch tragt Ihr Armut und Bettel im Schild,
Da eine Million keinen Pfennig mehr gilt!
Wie Bier gemundet und Fleisch geschmeckt,
Wird als Erinnerung nur noch geweckt,
Indes der Feind an Ruhr und Rhein (französisch-belgische Rheinlandbesetzung)
Die Peitsche schwingt zu Fron und Pein.
Und dennoch – ich bin zwar nur aus Papier –
Möcht' eine Hoffnung ich geben Dir:
Seid einig, Ihr Deutschen, seid einig alle!
Dann bringt Eich nicht Haß und Hölle zu Falle.
100 Millionen Mark vom Oktober 1923 bis 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Was? Hundert Millionen? Die Nachwelt wird staunen;
"Die lebten wie Fürsten", so wird man einst raunen.
Doch kennt Ihr des "Multiplikators" Tücken?
Vor seinem Steigen muß tief ich mich bücken!
Die Teu'rung ist jetzt unerträglich geworden,
Es leiden die Deutschen an allen Orten.
Fünfzigtausend Mark eines Zündhölzleins Schimmer!
Was kostet dann erst ein warmes Zimmer?
Drum bitt' ich Euch, die Ihr mich nehmt zur Hand,
Verschwendet mich nicht an Spiel und Tand.
Zum Kauf für das Nötigste dien' ich Euch gern,
Leichtfertigen Dingen doch haltet mich fern!
Und schmutzt mein Gewand auch, ich bleibe doch rein,
Zieht Ihr nicht in Schmutz mich und Laster hinein!
Nun hört wohl, was heimlich die Regnitz (Fluss) rauscht:
Einst wird diese Zeit gegen bess're vertauscht!
1 Milliarde Mark vom Oktober 1923 bis 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Hört, Ihr Herren, und merket auf:
Als eine Milliarde beginn' ich den Lauf.
Ganz Frankreich zahlte einst fünf Milliarden (Kriegsreparation nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871),
Als es "Siebzig" empfand des Krieges Scharten.
Die Summe, welch eine Kleinigkeit,
In der Westentasche habt Ihr sie bereit!
Doch was Ihr dafür kaufet ein,
Passt fast in die Westentasche hinein!
Wir lachen darob, doch Unzählige klagen
und die Teuerung hat Alarm geschlagen.
Dass gut dies ende, was uns betroffen,
Ihr Herren, dies wollen wir wünschen und hoffen!
10 Milliarden Mark vom Oktober 1923 bis 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Wie staunt ich die Astronomen an,
Berechnend Milliarden, Billionen;
Nun wandern wir selbst die Zahlenbahn
Und verachten schon längst die Millionen.
Millionen - pah! Eine Kinderwelt!
Wir zahlen Milliardenwerte -
Doch weh! Aus den Händen flattert das Geld
Und winzig ist, was es bescherte.
Papierlein, du bist nur schlechter Tausch!
Der Dollar zwingt tödlich dich nieder –
Zum Kuckuck mit dem Milliardenrausch!
Gebt den alten Pfennig mir wieder!
20 Milliarden Mark vom Oktober 1923 bis 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch und Zeichnung auf der Rückseite wie auf 50 Millionen Mark vom Oktober 1923!
10 Millionen Mark vom Oktober 1923 bis 31. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Wir stehen auf Trümmern und werden zu neuer Arbeit gerufen.
50 Millionen Mark vom Oktober 1923 bis 31. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
In Bamberg zieh' ich von Haus zu Haus
Und wand're auch zu Dir.
O, gib nicht leichten Sinns mich aus,
Bin ich auch nur Papier!
Ich möcht' wohl eine Glocke sein
Ins Herz zu läuten Sturm.
Ein Heroldsrufer möcht' ich sein,
Ich rief vom Rathausturm:
Liebt Arbeitswillen, Sparsamkeit,
Seid guten Sitten hold –
Dann kommt nach der papiernen Zeit
Auch wieder Silber und Gold!
500 Milliarden Mark vom Noveber 1923 bis 1. Januar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Das Pfennigstück und der Fünfer,
Der Nickel und erst die Mark,
Die waren einst hoch geachtet,
Kaufkräftig, solid und stark.
Der Taler nun gar und endlich
Aus Gold und Doppelkron,
Die herrschten wie echte Fürsten
Auf gold'nem und silbernem Thron.
Jetzt trage ich Berge von Zetteln
Mit Riesenzahlen herum:
Millionen, Milliarden, Billionen –
Ein papierenes Bettlertum!
50 Milliarden Mark vom Noveber 1923 bis 1. Februar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Der Herbst streut durch die Gassen
Der Blätter farbige Saat.
Es flattern umher auch in Massen
Geldblätter von Stadt und Staat.
Es leuchten Milliardenscheine
Wohl braun und gelb und rot –
Wie der sterbende Baum, so künden
Sie Deutschlands Herbst und Tod ...
Doch halt! Die Bäume leben,
Sind sie auch matt und erschlafft –
O Deutschland! Auch dir wird gegeben
Einst im Stamm neue Frühlingskraft!
50 Milliarden Mark (Serie B) vom Noveber 1923 bis 1. Februar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Wer schreitet zur Nacht aus dem Kaiserdom
Vom Sternenmantel umwallt?
Es wandelt segnend durchs fränkische Rom
Sankt Heinrichs Kaisergestalt.
Neunhundert Jahre schon schlummert er;
Sein Geist aber lebt bei uns fort
Und jugendfrisch steht zu Gottes Ehr'
Sein Bistum, des Glaubens Hort.
Oft hat er umwandelt sorgenvoll
Seine alte Bischofsstadt,
Die früher vor aller Feinde Groll
Gar mächtig beschützt er hat.
Auch jetzt gibt's Feinde, gibt's Teurung und Not –
O Kaiser heb schützend die Hand
Und schenke wie früher, ein Morgenrot
Deinem Babenberger Land!
100 Milliarden Mark vom November 1923 bis 1. Februar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Die Tausender haben wir längst überwunden,
die Millionen sind uns dahingeschwunden,
sie räumten gar bald den Milliarden das Feld,
nun ist die Billion unser Hauptzahlungsgeld.
So beherrschen die Nullen jetzt unser Leben,
doch wahrlich, wir Deutsche gar sehnlichst erstreben,
daß vom Nullpunkt, an dem es angelangt,
sich erhebe das Reich, das tödlich erkrankt.
1 Billion Mark vom November 1923 bis 1. Februar 1924 (31. Mai 1924)
Spruch auf der Rückseite:
Nun kommt der Knallprotz vom ganzen Land:
Billionenschein hat er sich prahlend genannt.
Er wächst wie ein sumpfig giftiger Pfiffer
Im Wirtschaftssumpf als Riesenziffer.
Billionen Mark? Ein Täuschungswert!
Doch billionenfaches Leid hat die Zeit beschert!
Billionen Seufzer steigen rings auf
Und Hunger u. Tränen bezeichnen den Lauf.
O gesunde Zeit, stell wieder dich ein
Und töte den Giftschwamm Billionenschein
Als letzten Tyrannen im kranken Staat –
Und führ' von dem Sumpf uns auf trockenen Pfad!
50 Goldpfennig vom November 1923
Spruch auf der Rückseite:
Wie Raketen fuhren die Zahlen auf
Zur Billionenhöh' rasend geschwind;
Nun plötzlich fällt nieder zur Erd' ihr Lauf
Ein gesundes Rechnen beginnt.
Ein halbes Märklein freundlich u. gut –
Nehmt's hin und halt's in treuer Hut!
1 Goldmark vom November 1923
Spruch auf der Rückseite:
Nicht rechts geschaut,
Nicht links geschaut,
Gott u. der eignen Kraft vertraut!
Denn aus der Not Rettung nur schafft
Der deutsche Gott, die deutsche Kraft!
5 Goldmark vom November 1923
Spruch auf der Rückseite:
Der böse Feind hats so gewollt:
Da ward Papier aus gutem Gold.
Nun, deutsche Herzen, deutsche Hände,
Schafft dieser Not die frohe Wende!
Auf Gott vertraut, ernstlich gewollt,
Dann wird Papier uns wieder Gold!
10 Goldmark vom November 1923
Spruch auf der Rückseite:
Wer immer an sich selber denkt,
Gehört gehenkt.
Zuerst bei allem denk' an Gott,
Dann lind're deines Nächsten Not.
Dem Staat gib, was des Staates Teil,
Daraus erblüht dein eigen Heil.
Die meisten Sprüche schuf Eduard Diener. Gedruckt wurden die Gutscheine von der Firma J. Nagengast bzw. vom Bamberger Tagblatt.
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Battenberg Gietl Verlag, Bildarchiv, www.battenberg-gietl.de
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