Besonders bewegt waren die Verhältnisse in Bayern. In München kamen am 7. November 60.000 Menschen zu einer Kundgebung auf der Theresienwiese zusammen. Kurt Eisner, Erhard Auer und zehn weitere Redner forderten in einer Resolution die Abdankung des Kaisers, den sofortigen Friedensschluss und die Einführung des Achtstunden-Arbeitstages. Noch in der Nacht proklamierte der USPD-Politiker Kurt Eisner im Landtag den „Freien Volksstaat Bayern“. Die bayerischen Soldaten waren zu kriegsmüde, um noch Kraft und Interesse zu haben, die Monarchie zu verteidigen, sodass der Bayernkönig Ludwig III. in einer Nacht- und Nebelaktion aufs Land floh und am 12. November die Beamten vom Treue-Eid entband, was einer Abdankung gleichkam.
Bis zur Einberufung der Nationalversammlung übernahm der Provisorische Nationalrat die Regierung. Ihm gehörten außer Vertretern der Räte auch Landtagsabgeordnete der Sozialdemokraten, des Bauernbundes sowie der Liberaler Vereinigung an. Von München aus griff die Revolution rasch auf die übrigen industriellen Zentren Bayerns über.
Im Dezember 1918 gab es in ganz Bayern etwa 7000 Räte.
Bayern wurde nicht nur Freistaat, sondern die „Königlich Bayerische Bank“ wurde durch eine Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 15. November 1918 auch zur „Bayerischen Staatsbank“.
„Um der Zahlungsmittelnot zu begegnen, gab die Bank Mitte November auf Anforderung der neuen Regierung für 120 Millionen Mark Gutscheine in einer Stücklung von einer halben Mark bis zwanzig Mark aus; die Gutscheine erhielten die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels.“[1]
Auf den Vorderseiten der Nominale zu einer halben, einer, zwei und fünf Mark wird im Unterdruck in der Scheinmitte ein großer fünfzackiger Stern gezeigt – ein Zeichen, das seit der Oktoberrevolution in Russland als bolschewistisches Symbol gilt und für den Arbeiter-und-Bauern-Staat beziehungsweise die Diktatur des Proletariats steht. Ferner wurden Gutscheine zu 10 und 20 Mark emittiert. Bei allen Werten kommen verschiedene Schraffuren bei den Rauten im Siegel vor. Als Ausgabedatum nennen die Scheine den 15. November 1918 und als Ausgabeort Nürnberg. Erst mit der Bankverordnung vom 24. März 1920 wurde der Sitz des Direktoriums und der Hauptsitz von Nürnberg nach München verlegt. Franz von Coluzzi (Bankpräsident von 1915 bis 1927) und Kohlmüller unterschrieben die Geldscheine. Vom Nominal zu 20 Mark sind auch solche ohne Wasserzeichen bekannt; hierbei handelt es sich um Fälschungen. Noten, die aus der Druckerei gestohlen wurden und bei denen noch die Kontrollnummer fehlte, wurden von den Dieben häufig von Hand vervollständigt.
Bleibt noch anzumerken, dass bis Ende Dezember die Hälfte der umlaufenden Gutscheine bereits wieder eingezogen war.
Abb. 1: Bayerische Staatsbank, 15. November 1918, eine halbe Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 2: Bayerische Staatsbank, 15. November 1918, 1 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 3: Bayerische Staatsbank, 15. November 1918, 2 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 4: Bayerische Staatsbank, 15. November 1918, 20 M. (Fälschung), Vorder- und Rückseite.
Bei den Wahlen zur bayerischen Nationalversammlung am 12. Januar 1919 musste die USPD eine vernichtende Niederlage hinnehmen. Sie erreichte gerade einmal 2,5 Prozent der Stimmen. Stärkste Partei wurde mit 35 Prozent die erst am 12. November 1918 gegründete Bayerische Volkspartei (BVP) vor der SPD mit 33 Prozent. Enttäuscht vom Wahlausgang wollte Eisner am 21. Januar der Verfassungsgebenden Versammlung seinen Rücktritt anbieten. Hierzu kam es nicht mehr. Auf dem Weg zum Landtag wurde er von dem 22-jährigen Anton Graf von Arco auf Valley, einem Mitglied der völkischen, republikfeindlichen und antisemitischen Thule-Gesellschaft, erschossen.
Nach Eisners Ermordung radikalisierte sich die politische Lage in Bayern. Im April wurden schließlich kurz hintereinander zwei Räterepubliken ausgerufen – die erste dominiert von Literaten, Pazifisten und Anarchisten, die zweite von Kommunisten.
Als im Frühjahr die Räteherrschaft ausgerufen wurde, erklärte diese die Bayerische Staatsbank sofort zur „Staatsbank der Räterepublik“.
„Für die Leitung der Bankanstalten im Herrschaftsbereich der Räte, hauptsächlich München, war es keine leichte Aufgabe, ja geradezu mit Lebensgefahr verbunden, in diesen Tagen die Ordnung in der Bank aufrecht zu erhalten. Glücklicherweise ließen sich die Gewalthaber durch ruhige und bestimmte Haltung immer wieder ablenken. Einer der Hauptträger der Bewegung, der Russe Axelrod, stürmte zweimal in Begleitung von Matrosen mit aufgepflanztem Seitengewehr in das Vorstandszimmer, forderte Geld – und ließ sich mit der Bemerkung abspeisen, nach der Dienstvorschrift dürfe Geld nur gegen ordnungsgemäß ausgefüllte Schecke der Staatshauptkasse abgehoben werden. Und als der Volksbeauftragte Maenner, ein ehemaliger Buchhalter der Pfälzischen Bank, von der Staatsbank die Ausgabe neuen Notgeldes verlangte und die Vorstandsbeamten ihre Unterschrift verweigerten, begnügte sich das Volksfinanzhaus, von den Novembergutscheinen Lichtbilder und davon Druckstöcke für neue Gutscheine herstellen zu lassen.“[2]
Diese fotochemischen Fälschungen des 20-Mark-Gutscheins haben eine Kontrollnummer über 800.000 und den Buchstaben B.
„Die Scheine wurden hauptsächlich zu Soldzahlungen an die vor Dachau und Freising liegende Rote Armee verwendet. Die rechtmäßige bayerische Regierung, die bei Ausrufung der Räteherrschaft nach Bamberg geflüchtet war, erkannte das Notgeld nicht an und ließ durch Flugzeuge Zettel abwerfen, in denen vor der Annahme gewarnt wurde; die Staatsbank löste jedoch die Gutscheine auch nach Beseitigung der Räteherrschaft anstandslos ein, bis sie angewiesen wurde, die Einlösung auf gutgläubig erworbene Beträge bis zu 100 Mark zu beschränken.“[3]
Historisches Foto: Revolutionstage in München 1.-2. Mai 1919, Volkswehr am Stachus, Abb. Zeitgeschichtliche Sammlung Hans-Ludwig Grabowski
Historisches Foto: München nach den Straßenkämpfen vom 1. bis 3. Mai 1919, eine durch einen Artillerie-Volltreffer zerstörtes Zimmer.
Abb. Zeitgeschichtliche Sammlung Hans-Ludwig Grabowski
Mit Unterstützung von Reichswehr-
und rechtsradikalen Freikorps-Truppen versetzten die bayerische und Berliner SPD-Regierung der Räterepublik den Todesstoß.
Im Mai war München von „Weißgardisten“ eingenommen.
Es folgte eine Woche des „weißen“ Terrors mit Mord und Totschlag und Hunderten von Opfern.
Wenn auch nicht von Arbeiter- und Soldatenräten ausgegeben bzw. initiiert, stehen die folgenden Notgeldausgaben im direkten Zusammenhang zu den Ereignissen.
Keller fasste dieses Notgeld in seinem Katalog zu den Großgeldscheinen in einer eigenen Gruppe zusammen, die er mit „B. Grossgeld der Kommunistenwirren Frühjahr 1919“ überschrieb.[4]
Während der Rätewirren stellte die Reichsbank in Berlin am 13. April 1919 die Versorgung Münchens mit Banknoten ein. Zudem war die Verbindung verschiedener Orte in Bayern und an der Unterweser mit ihren Wirtschaftsmittelpunkten (München bzw. Bremen) unterbrochen. Einzelne kommunale Verwaltungen und Unternehmen schritten daher zur Selbsthilfe und emittierten Notgeld: Der Distrikt Berchtesgaden gab mit dem Datum 29. April 1919 1-, 2-, 5-, 10- und 20-Markscheine aus; die Marktgemeinde Diessen Notgeld mit Datum vom 22. April 1919 zu 1, 2 und 5 Mark; das Bezirksamt Sonthofen in Immenstadt am 23. April 1919 die Nominale 20, 50 und 100 Mark; die Stadt Landsberg am Lech im April 1919 Scheine zu 10, 20 und 50 Mark; die Stadt Traunstein am 20. April 1919 Geldzeichen zu 5, 10, 20, 50 und 100 Mark.
Im Gegensatz zu den Originalen wurden später Neudrucke mit „S.B.“ gekennzeichnet. Ferner emittierte in Penzberg die Bergwerksdirektion mit Datum vom 23. April 1919 Notgeld über 10, 20 und 50 Mark. Diese Scheine gab die Stadt später mit einem entsprechenden rückseitigen Stempelabdruck, Stadtsiegel und Unterschrift an Sammler ab.
„Die Penzberger Ausgabe entstand, weil ein angeblicher Volksbeauftragter die aus München zu holenden Lohngelder des Bergwerks unterschlug und damit verschwand.“[5]
Bereits mit Datum vom 16. April 1919 gab die Oberbaier. A.-G. für Kohlenbergbau, Bergwerks-Direktion Hausham einen Schein zu 20 Mark aus.
Abb. 5: Berchtesgaden, Distrikt, 29. April 1919, 2 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 6: Berchtesgaden, Distrikt, 29. April 1919, 20 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 7: Diessen a. A., Marktgemeinde, 22. April 1919, 5 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 8: Immenstadt, Distrikt Sonthofen, 23. April 1919, 50 Mark, Vorder- und Rückseite
Abb. 9: Landsberg a. Lech, Stadt, April 1919, 10 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 10: Traunstein, Stadt, 20. April 1919, 100 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 11: Traunstein, Stadt, 20. April 1919, 100 Mark, Neudruck, Vorder- und Rückseite.
Abb. 12: Penzberg, Bergwerksdirektion, 23. April 1919, 10 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 13: Oberbaier. A.-G. für Kohlebergbau, Bergbau-Direktion Hausham, 16- April 1919, 20 Mark, Vorder- und Rückseite.
Der einzige Emittent außerhalb Bayerns war die Bremer Woll-Kämmerei in Blumenthal, die Notgeldscheine mit Datum vom 22. April 1919 emittierte, und zwar die Werte zu 1, 5 und 20 Mark. Sie sind mit "Serie 2" gekennzeichnet. Das Unternehmen gab bereits im November 1918 Gutscheine mit gleichen Werten aus.
Abb. 14: Blumenthal, Bremer Woll-Kämmerei, 22. April 1919, 20 Mark, Vorder- und Rückseite.
Obwohl die 1918er Großnotgeld-Ausgaben selbst Kinder der revolutionären Umwälzungen sind, finden sich bis auf die wenigen Beispiele kaum unmittelbare Hinweise auf die politischen Vorgänge. Manchmal sind es nur winzige Änderungen, wie beim Münchener Stadtnotgeld, die den politischen Wandel andeuten. Unterzeichnete der Oberbürgermeister bei der Ausgabe vom 25. Oktober 1918 noch als „Dr. v. Borscht“, so verschwand das „von“ über Nacht. Am 28. November heißt es auf den Scheinen nur noch „Borscht“. Bei der Reichsbank dauerte es bis Ende Dezember 1920, bis die ersten Banknoten – 10 Mark vom 6. Februar 1920, 50 Mark vom 23. Juli 1920 und 100 Mark vom 1. November 1920 – mit republikanischen Insignien ausgegeben wurden.
Der gekrönte kaiserliche Adler im Banksiegel wurde durch den republikanischen Adler ersetzt.
Uwe Bronnert
[1] Franz Steffan, Die Bayerische Staatsbank 1780-1930, Geschichte und Geschäfte einer öffentlichen Bank, Zur 150. Wiederkehr des Gründungstages, hrsg. vom Staatsbankdirektorium, München und Berlin 1930, 185. [2] Ebenda, 186. [3] Ebenda, Fußnote 2. [4] Arnold Keller, Katalog Großgeldscheine 1918 – 1921, Unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1955, München 1976, 90f. [5] Ebenda, 10.
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