Schweizer Journalisten berichteten 1943, dass von deutschen Flugzeugen aus Tausende von „gefälschten“ Zehn-Dollars-Banknoten über Jugoslawien abgeworfen worden seien. Bei den Noten handele es sich um sog. Propagandascheine, in denen Titos Partisanen aufgefordert würden zur deutschen Wehrmacht überzulaufen.
Deutsche Dornier Do-17 im Einsatz auf dem Balkan (Abb. "Der Zweite Weltkrieg in Bildern", Sammlung Reinhard Selzle, München).
Abb. 1.1: Überläufer-Ausweis, 1943, im Design der 10 Dollars United States Gold Certificate, Vorderseite.
Abb. 1.2: Überläufer-Ausweis, 1943, im Design der 10 Dollars United States Gold Certificate, Rückseite.
Auf den ersten Blick sehen sie aus wie United States Gold Certificates zu 10 Dollars von 1928. Angegeben ist jedoch die Serie „1943“. Die Kontrollnummer lautet A55838131A.
Im Kleingedruckten auf der Vorderseite der Propagandanote finden sich oben, unten und links über dem Goldsiegel einige Botschaften, die in freier Übersetzung wiedergeben werden:
„Dieser Schein ist zwar nichts wert, aber er kann Ihnen das Leben retten. Er ermöglicht es Ihnen, in Sicherheit zu den deutschen Truppen überzugehen. Wir fordern Sie auf, die Partisanen zu verlassen und zu den deutschen Streitkräften zu kommen. Mit diesem Ausweis in den Händen sind Sie von jeder Strafe befreit.“
Die Rückseite garantiert dem Überbringer des Scheins in deutscher, serbischer und kroatischer Sprache sicheres Geleit. Der deutsche Text lautet: „Ueberläufer-Ausweis / Nicht erschiessen, sondern zur nächsten / Deutschen Kdo-Stelle bringen und gut behandeln“. Rechts hiervon in einem Kreis der Reichsadler mit dem Hakenkreuz in den Fängen. Statt der Wiederholung der Wertzahl in Buchstaben befindet sich im Balken der unteren linken Wertziffer „10“ der Code „P.S.K.83“.
Abb. 2.1/2: United States Gold Certificate, 1928, 10 Dollars, Vorder- und Rückseite (Quelle ebay).
Der Überläuferausweis stammt also von der „Propagandaabteilung Südost Staffel Kroatien“, die ihren Hauptsitz in Belgrad und Zweigstellen in Banja Luka, Sarajevo, Varazdin, Essegg, Dubrovinik, Vukovar und Bjelovar hatte. Die Zahl „83“ gibt an, dass es sich bei diesem Druckerzeugnis um das 83. einer ganzen Serie von Flugblättern handelt.
Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs veranlassten die Wehrmachtsführung am
16. September 1938 zunächst vier Propaganda-Kompanien (PK) aufzustellen.
Am 1. September 1939 wurde dann die Abteilung Wehrmachtspropaganda (WPr) beim Wehrmachtsführungsstab (WFSt) geschaffen, die für die Organisation und Führung der Propagandaeinheiten der drei Wehrmachtsteile und der Waffen-SS verantwortlich war und deren Einsatz steuerte. Bei der inhaltlichen Tätigkeit war die Wehrmacht an Weisungen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) gebunden.
Zu den Aufgaben der Propaganda-Kompanien gehörte die Kriegsberichtserstattung, sowie die sog. „Aktivpropaganda“, also die Beeinflussung der Meinung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten und der feindlichen Soldaten. Ein weiterer Arbeitszweig war die Betreuung der eigenen Truppen. Bis 1942 hatte sich die Zahl der Propaganda-Kompanien des Heeres auf insgesamt einundzwanzig erhöht und ihr Personal erreichte fast Divisionsstärke (ca. 15.000 Mann). 1943 wurden die Propagandatruppen zur selbständigen Waffengattung und der neu geschaffenen Dienststelle „Chef der Propagandatruppen“ unterstellt.
Für die besetzten Gebiete wurden Propaganda-Abteilungen gebildet, die sich wiederum in Staffeln gliederten. Die Propaganda-Abteilungen waren im Bereich eines Militärbefehlshabers tätig und diesem unterstellt; fachlich und einsatzmäßig blieben sie an Weisungen der Abteilung WPr gebunden. Sie sollten in den besetzten Gebieten die Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung, insbesondere die Presse, den Rundfunk und den Film, wieder in Gang setzen, deren Arbeit überwachen und zensieren sowie u. a. mit Flugblatt- und Lautsprecheraktionen gezielt auf die einheimische Bevölkerung und die feindlichen Truppen einwirken.
Zur Zeit der Flugblattaktion stand Jugoslawien unter dem Befehlshaber der Heeresgruppe E, dem die Propaganda-Kompanie 690 zu geordnet war.
Zurück zu den Überläuferausweisen. Sie wurden in zwei Auflagen gedruckt, wobei auf der Rückseite der Abstand der kyrillischen Wörter in der zweiten Zeile vom unteren Rand 93 mm bzw. 80 – 83 mm lang ist. Der Druck der Scheine dürfte in der eigenen Druckerei der Propaganda-Kompanie erfolgt sein.
Uwe Bronnert
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