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AutorenbildMichael H. Schöne

Toplitzsee ... und kein Ende

Aktualisiert: 15. Sept. 2022

Über die Fälschung englischer Pfund-Banknoten, die die SS im Konzentrationslager Sachsenhausen bis 1945 von Häftlingen drucken ließ, weiß man schon sehr viel an Einzelheiten. Es gibt eine Menge an guter Literatur und auch Spielfilme darüber.

Wissen wir alles? Anscheinend nicht!


Fast 9 Mio. falsche Scheine wurden nachweisbar gedruckt – in den Wertstufen 5, 10, 20

und 50 Pounds. Aber wie dachten die Nazis über Fälschungen von 1- oder auch 100-Pfund-Banknoten? Von falschen 100-Pfund-Noten hat man bisher wirklich nichts Näheres erfahren.

Was man aber weiß: 2009 wurden falsche 1-Pfund-Noten erwähnt, Vorhaben zur Fälschung von 100-Pfund-Noten genannt und 2012 falsche Druckplatten der Hunderter in einem Video gezeigt!


Auf die 100-Pfund-Wertstufe wurde verzichtet, da sie nur unter erhöhtem Risiko illegal hätte verbreitet werden können. Im »Unternehmen Andreas« war an Fälschungen von zunächst

Ein-Pfund-Noten gearbeitet worden. Erste Banknoten mit einem Nennwert von einem Pfund wurden im Sommer 1940 fertig gestellt.“1)


Auch Karlheinz Walz berichtete über die geplanten Pfund-Noten „Grundsätzlich hatte man zwar zunächst geplant, alle Wertstufe bis zum 100-Pfund-Schein zu fälschen. Dann aber entschloss man sich, nur die Werte zu 5 und 10 Pfund nachzuahmen ...“2)

Die falschen 20- und 50-Pfund-Banknoten fertigte man später ebenfalls.


Abb. 1: Druckplatte/Galvano für falsche 100-Pfund-Noten, Vs. – die Aussparungen waren

für das Einfügen der „Britannia“ und das Datum vorgesehen; das Bild wurde gespiegelt,

damit es lesbar ist.


Abb. 2: echte 100-Pfund-Note, einseitig gedruckt – mit der Unterschrift von Chief Cashier

der Bank of England Sir Kenneth Oswald Peppiatt (1934–1949).


Abb. 3: Klischees unterschiedlicher Datumsleisten für falsche Pfund-Noten –

das Bild wurde ebenfalls gespiegelt.



Also hatten die Nazis die Fälschung von 100-Pfund-Noten nicht nur erwogen, sondern vorangetrieben und mit der Herstellung der Druckplatten auch druckreif gemacht. Sie wurden aus dem Toplitzsee geborgen. Ein Dokument der Briten sagt aus, daß bei den späteren Falschgeld-Vernichtungsaktionen keine 100-Pfund-Noten verbrannt wurden: „It is interesting to note that the list refers to a cypher of a £100 note although to our knowledge no forgeries of this denomination were printed; although we searched, we found none among those which we destroyed.“3)


Aber schon im Herbst 1944 wurde den Briten der Umfang der Nazi-Fälscherei bekannt: US-amerikanische Soldaten der 102. Aufklärungskompanie stellten am 19. Oktober 1944 einen deutschen Zivilisten bei Wirtzfeld/Belgien. Mit falschem Pass versuchte der berüchtigte Obersturmbannführer Alfred Naujocks überzulaufen; man erkannte ihn dennoch und der

SD-Mann wurde den Briten übergeben. In den Verhören beim britischen Geheimdienst MI5 wurde er im südlichen London gelegenen Camp 020 wochenlang befragt – er hatte über die Falschgeld-Herstellung von Anfang an alles ausgeplappert ... um seine eigene Haut zu retten.


Auch den Amerikanern waren die Fälschungen schon 1945 bekannt; der Geheimdienst CIC kam zu Kriegsende in den Besitz von Fälschungen im Wert von 21 Mio. Pfund – in 23 Kisten. Die Tauchgänge der Amerikaner und Briten im Jahr 1946 brachten aber keine Erfolge.

Der „Schatz vom Toplitzsee“, Falschgeld, Druckplatten, Dokumente usw. usf., wurde angeblich in der Nacht zum 29. April 1945 versenkt. Die Geschichte ist bekannt; auch das Auffinden erster Funde im Jahre 1959.

Hatten die Nazis auch 1-Pfund-Banknoten gefälscht? Im Toplitzsee hat man bisher davon nichts gefunden. Aber falsche Pfund-Noten sind bekannt – beschrieben von Dr. Sven Gerhard.4)


Abb. 4: Bergung erster Falschgeldmengen aus dem Toplitzsee im Juli 1957 unter Aufsicht der österreichischen Gendarmerie.


Erst über 10 Jahre später wurden abermals falsche Pfund-Noten und danach nochmals Falschgeldbündel sowie 44 dazugehörige Druckplatten sowie insg. 30 größere und kleinere Nummerierwerke geborgen; außerdem unterschiedliche Probeplatten (!) aus Messing und Zink. Aber was der Öffentlichkeit bis heute überhaupt nicht bekannt war, sind andere gefundene Druckplatten – für die Fälschung von französischen Francs.

Originalvorlagen waren die in den USA gedruckten Francs-Scheine, die bei der Landung der Alliierten an der Küste der Normandie ab 6. Juni bis zum 15. Juni 1944 ausgegeben wurden.


Abb. 5: 50 Francs 1944, Vs., sog. „Supplemental French Francs“.

Abb. 6: einheitliche Rückseite der 1944er Scheine zu 50, 100, 500, 1000 und 5000 Francs.


Die Franzosen waren über die Ausgabe dieses „Besatzungsgelds“ überrascht und überhaupt nicht einverstanden. Der Legende nach soll General Charles de Gaulle nach seinem Eintreffen am 27. Juni 1944 in Frankreich mit der Faust auf den Tisch geschlagen und das Alliiertengeld mit der Trikolore auf den Rückseiten der Scheine als „Falschgeld“ bezeichnet haben;

er verbot den Umlauf dieser Scheine. Beim Treffen de Gaulles mit US-Präsident Franklin Roosevelt am 6. Juli 1944 erpresste man die Franzosen. Roosevelt gab de Gaulle (damals Vorsitzender der provisorischen französischen Regierung) unmissverständlich zu verstehen: falls das französische Volk das Invasionsgeld nicht akzeptiere, würde er General Dwight Eisenhower ermächtigen, statt dessen die US-„Yellow-Seal-Dollars“ und britische „BMA“-Noten in Umlauf zu bringen; de Gaulle wäre dann für mögliche negative Auswirkungen verantwortlich. Danach lenkte General de Gaulle ein, forderte aber den Druck neuer Scheine mit der Auftragserteilung durch die Franzosen. Seine erhoffte Anerkennung als oberster französischer Staatschef durch die Alliierten erfüllte sich nicht.


Die Deutschen hatten tatsächlich gemeint, auch diese Scheine fälschen zu müssen – knapp ein Jahr vor Kriegsende! Der Hochmut und die völlige Fehleinschätzung der Nazi-Führung, damit den Kriegsausgang noch irgendwie beeinflussen zu können, ist durch das Auffinden von Druckplatten belegt.


Abb. 7: falsche Druckplatten für 50 und 100 Francs 1944, Vs., Bild gespiegelt.


Abb. 8: falsche Druckplatte für die Rückseiten, Bild gespiegelt.


Abb. 9: falsche Druckplatte für 500 Francs 1944, Vs., stark korrodiert und kaum erkennbar, Bild gespiegelt.


Abb. 10: echter 500-Francs-Schein 1944, Vs., mit Aufdruck ÉMIS EN FRANCE

(bei den Nachfolgescheinen verändert).


Diese Geldscheinserie wurde dennoch gefälscht – von französischen Kriminellen. In einem SHAEF-Dokument kann man nachlesen, dass in der nordöstlich von Paris gelegenen Stadt Pantin die französische Polizei am 6. Januar 1945 zehn Personen verhaftete, die vorwiegend 500-Francs-Scheine gefälscht hatten.


Abb. 11: falscher 500-Francs-Schein 1944, Vorderseite.


Im 10 Kilometer entfernten Aulnay-sous-Bois fanden die Fahnder über 56.000 falsche 500er. Der Banque des Francs lagen zu diesem Zeitpunkt schon 5200 falsche 500er, 500 falsche 1000er und außerdem 10 falsche 5000er vor. Außerdem beschlagnahmte man 30 Zinkplatten und 7 Nummerierapparate. Original-Scheine waren verhältnismäßig leicht zu fälschen; sie wurden ab 1943 unter Zeitnot in der Privatdruckerei Forbes LMCo. unter dem Decknamen „Tom Cat“ in Boston im Offsetdruck hergestellt. Bei den US-amerikanischen Militär-Finanzoffizieren in Frankreich wurden zuvor schon über 400 Fälschungen, meist 500-Francs-Scheine, von Soldaten abgegeben.


Michael H. Schöne


Anmerkungen:

1) Florian Osuch: „»Blüten« aus dem KZ«, Hamburg 2009

2) Karlheinz Walz: „Fälscher & Falschgeld“, Regenstauf 2012

3) aus einer Aktennotiz der Bank von England vom 1. Dezember 1959 über die Verbrennung falscher Pfund-Noten, die im Toplitzsee gefunden und vom österreichischen Innenministerium an London übergeben wurden

4) Sven Gerhard: „Eine falsche englische 1-Pfund-Note der Ausgabe 1940“, in Banknoten-online vom 26. April 2022; auf Nachfrage wurde eine Nazi-Fälschung von 1-Pfund-Noten ausgeschlossen


Weitere Quellen:

www.easydive24.de (Toplitzsee)

www.discovery-nationalarchives.gov.uk

www.lawrencemalkin.com

www.youtube.com vom 8. Juni 2012 = www.dive-adventures.at

(„Der Schatz vom Toplitzsee/Aktion Bernhard“)

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