Am 22. August 1923 gab der Magistrat der Stadt Melle einen Notgeldscheck in Höhe vom 500.000 Mark aus. Dieser Notgeldschein ist nicht im Keller-Katalog verzeichnet. Dem Autor ist nur dieses hier vorgestellte Exemplar bekannt.
Der Scheck war bezogen auf das Guthaben der Stadt Melle bei der Meller Volksbank A.-G. und nur gültig in der Stadt Melle sowie im damaligen Kreis Melle. Er konnte nur im Verrechnungswege eingelöst werden.
Gedruckt wurde dieses Notgeld bei der Buchdruckerei F. E. Haag. Die Druckerei war in Melle in der Grönenberger Straße 3/7 ansässig, zog 1929 nach Leipzig um und schloss sich bereits 1928 mit der Offizin W. Drugulin zur Offizin Haag Drugulin AG zusammen[1].
Der vorliegende Schein hat das Format 115 mm x 80 mm und trägt die gedruckte Unterschrift des Bürgermeisters Hans Meyer zum Gottesberge[2]. Auffällig ist, dass der Notgeldscheck ohne Wasserzeichen ist und mit keinem Stempel sowie keiner Kontrollnummer versehen wurde. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass es sich bei dieser Ausgabe um eine ungenehmigte Notgeldemission gehandelt haben könnte. Die unweit von Melle gelegene Stadt Lingen scheint im August 1923 vor einem Zahlungsproblem gestanden zu haben.
Zitat aus dem Lingener Stadtarchiv:
„Im Krisenjahr 1923 verschärfte sich die wirtschaftliche Situation auch in Lingen massiv. Im August konnte das Eisenbahnausbesserungswerk keinen Lohn mehr zahlen. Die Arbeiterschaft wurde unruhig und legte schließlich die Arbeit nieder. Kommunistische Gedanken machten die Runde. Eine nach Münster ausgesandte Lokomotive kehrte mit 50-Millionen-Mark-Scheinen zurück – zu groß, um die Arbeiter auszahlen zu können. Nirgendwo in der ganzen Stadt konnten die Scheine eingewechselt werden. Schließlich gab die Reichsbahndirektion Notgeldscheine in Höhe von 1 Million Mark aus, mit denen die Löhne und Gehälter nun endlich bezahlt werden konnten. Damit war die Notgeld-Frage in Lingen wieder aktuell. Am 20. August 1923 ermächtigte der Stadtrat die Verwaltung, Notgeldscheine anfertigen zu lassen. Die Reaktion des Regierungspräsidenten erfolgte prompt. Wieder lehnte er das Vorhaben ab und verwies auf das Notgeldmonopol der Handelskammer in Osnabrück.“[3]
Ähnliche Probleme wie in Lingen dürften auch in Melle bestanden haben, aber das Notgeldmonopol der Handelskammer Osnabrück dürfte sich auch auf die Stadt und den Kreis Melle bezogen haben.
Die Stadt Melle gehörte 1923 zur preußischen Provinz Hannover und liegt heute im Landkreis Osnabrück in Niedersachsen. Im Zuge der Gebietsreform in Niedersachsen wurde der Landkreis Melle am 1. Juli 1972 in den Landkreis Osnabrück eingegliedert. Alle Gemeinden des Landkreises wurden in der Stadt Melle vereinigt.
An dieser Stelle sei auch auf die sehr interessante Veröffentlichung von Benedikt Falz
„Mehr als bunte Blättchen – Wie das Notgeld nach Osnabrück kam“ aus dem Jahr 2020 hingewiesen (Geldgeschichtliche Nachrichten 55, Heft 312, Seite 248-256).[4]
Thomas van Eck
Quellen
Comments