Ende August 1944 fand im Führerhauptquartier, der „Wolfsschanze“ in der Nähe von Rastenburg (Ostpreußen), eine Südost-Besprechung statt. Versammelt hatten sich neben Adolf Hitler, Reichsaußenminister Joachim von Rippentrop, Reichsführer SS und Reichsinnenminister Heinrich Himmler, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht), Generaloberst Alfred Jodel (Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht), General Walter Warlimont (Stellvertreter von Generaloberst Alfred Jodl im Wehrmachtführungsstab), Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer, Sonderbevollmächtigter des Auswärtigen Amts für den Südosten Hermann Neubacher, Generalfeldmarschall Freiherr Maximilian von Weichs (Oberbefehlshaber der Heeresgruppe F) und Generaloberst Alexander Löhr (Oberbefehlshaber Südost und zugleich Oberbefehlshaber der Heeresgruppe E).
„Die Räumung Griechenlands lag in der Luft, Hitler griff die Formel auf: ‚Die Inseln haben ihre Aufgabe erfüllt!‘ und befahl die Räumung der ägäischen Inseln und Kretas. Einen Tag später erfolgte der Umsturz in Bukarest, Bulgarien folgte nach, und aus der Räumung der Inseln wurde die Räumung des Balkans.“[1]
Die Heeresgruppe E begann mit der Rückführung ihrer Verbände von den zahlreichen griechischen Inseln. Wegen der alliierten Überlegenheit wurde der Seetransport unmöglich und die Truppen mussten unter Zurücklassung des schweren Gerätes per Lufttransport evakuiert werden. Am 15. September 1944 wurde die Rückführung aufgrund der gegnerischen Luftüberlegenheit eingestellt. Für zahlreiche Wehrmacht-Einheiten bedeutete dies, dass sie bis zum Kriegsende auf griechischen Inseln ausharren mussten.
Mit der Räumung der Peloponnes begann die Wehrmacht am 6. September. Am 12. Oktober verließ das deutsche Militär Athen und am 31. Oktober Thessaloniki. Ohne nennenswerte Feindberührung überschritt die Nachhut in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1944 die griechisch-mazedonische Grenze.
Die verbliebenen 20.000 deutschen Soldaten auf Kreta bildeten den „Festen Platz Kreta“.
Im September 1944 zogen sie sich in die „Kernfestung“ um Chania zurück. Da von der Bank von Griechenland keine Geldlieferungen mehr erfolgten, aber weiterhin Einkäufe bei der einheimischen Bevölkerung zu bezahlen waren, schuf die Wehrmachtsverwaltung in Chania ihre eigenen Zahlungsmittel: Anweisungen, die auf eine bestimmte Menge von Okades Olivenöl lauteten[2], wobei eine Oka 1,280 kg entspricht.
Bereits im März 1942 hatte der damalige Festungskommandant General Alexander Andrae[3] angesichts der zunehmenden griechischen Inflation und der unzureichenden Zahlungsmittelversorgung durch die Bank von Griechenland vorgeschlagen, für Kreta eine besondere Währung zu schaffen. Sie sollte durch Olivenöl und andere Landesprodukte gedeckt sein. Dieser Vorschlag, der praktisch auf eine Parallelwährung hinauslief, übersah die politischen Auswirkungen und technischen Schwierigkeiten. Daher untersagte der Wehrmachtsbefehlshaber Südost (AOK12) dem General, die Währungsidee der „Öl-Drachme“ weiter zu verfolgen. Auch der Bevollmächtigte des Reichs für Griechenland stand dem Ansinnen ablehnend gegenüber, da die Öl-Drachme Kreta wirtschaftlich von Rest-Griechenland abschnüren würde und die Maßnahme auch im Widerspruch zu den deutsch-italienischen Vereinbarungen stünde.[4] Im Herbst 1944 hatten Bedenken dieser Art jedoch keine Bedeutung mehr.
Die „Deckung“ der Anweisungen bestand, wie bereits bei den Plänen des Jahres 1942, in Olivenöl. Dazu legte die Wehrmachtsverwaltung in Chania einen Öl-Vorrat bei der ETEL-Fabrik (Ölproduktion Griechenland) an. Dieser stammte sowohl aus beschlagnahmtem Öl wie auch aus Ankäufen, die durch die Abgabe von nicht benötigten Wehrmachtsgütern (Benzin, Reis, Stiefelsohlen, Schuhe, Räder, Ersatzteile für Autos usw.) bezahlt wurden.
Wenn nun die Wehrmachtsverwaltung von der Bevölkerung Chanias Gemüse, Obst, Fleisch und andere Waren kaufte, erhielt der Verkäufer Anweisungen, die auf Okades Öl lauteten. Gegen diese Anweisung erhielt er von der ETEL die geschuldete Menge Olivenöl, wobei das Öl einen Säuregehalt von 2–4 % hatte. Obwohl die Anweisungen jeweils auf eine bestimmte Person ausgestellt waren, wurden sie als Zahlungsmittel von der Bevölkerung weitergegeben. Sie liefen so lange um, bis der letzte Inhaber sie bei der ETEL einlöste.
Abb.: Anweisung vom 14. Dez. 1944 an die Firma ETEL, an den Griechen Koulisakis 164 Okades Öl auszuliefern.
Die Anweisungsformulare wurden im Umdruckverfahren auf einfachem Papier hergestellt und anschließend handschriftlich vervollständigt und mit der Unterschrift des Oberzahlmeisters und dem Siegel der Feldkommandantur versehen. Mit der Anweisung wurde ETEL entweder beauftragt, A eine bestimmte Menge Öl auszuhändigen bzw. von B eine bestimmte Menge Öl als Zahlung anzunehmen, damit dieser ein Gut bei der Wehrmachtsstelle erhalten konnte.
Die jeweils nicht zutreffende Verwendung wurde auf der Anweisung durchgestrichen.
Mit diesen Gutscheinen glichen die Deutschen in den sieben Monaten zwischen Oktober 1944 und Mai 1945 den Mangel an Banknoten aus und erleichterten den Warenaustausch auf dem lokalen Markt. Der Endbestand an Öl betrug am 15. Mai 1945 bei ETEL noch 2731,5 Okades.
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 9. Mai 1945 blieb zunächst alles wie gehabt. Erst nach und nach gaben die deutschen Soldaten ihre Waffen ab und gingen in britische Gefangenschaft. Der letzte Befehlshaber der Besatzung Kretas, Generalmajor Hans-Georg Benthack[5], kam am 19. Juni in ein Kriegsgefangenenlager nach Ägypten, dann nach Island Farm in England und wurde im Mai 1948 entlassen.
Uwe Bronnert
Abb.: Antonis Linardakis, German oil vouchers in Chania, Crete, 1944–1945, S. 127.
[1] Hermann Neubacher, Sonderauftrag Südost 1940–1945, Bericht eines fliegenden Diplomaten, 2., durchgesehene Auflage, Göttingen/Berlin/Frankfurt 1957, S. 90. [2] Die folgende Darstellung orientiert sich an: Antonis Linardakis, "German oil vouchers in Chania, Crete, 1944–1945", A periodical publikcation of the Hellenic Numismatic Society, Bd. 28 (2010), S. 125–130. [3] Festungskommandant vom 21. Juli 1941–30. August 1942, Befehlshaber der deutschen Truppen ab 9. Juni 1941. [4] Bundesarchiv Berlin, R29/196, Schreiben vom 20. April 1942 des Deutschen Kommissars bei der Bank von Griechenland an das Reichsbankdirektorium in Berlin sowie ein Aktenvermerk bei der Reichskreditkassenverwaltung, Tgb.Nr. 7795/42. [5] Festungskommandant vom 22. September 1944–10. Mai 1945. „Benthack wurde 1953 zusammen mit anderen ehemaligen Wehrmachtssoldaten, darunter einem Divisionsrichter, vor dem Landgericht Hamburg angeklagt, bei Kriegsende auf Kreta die Erschießung von renitenten Soldaten angeordnet zu haben. Fünf Soldaten wurden am 11. und 12. Mai 1945, also zwei Tage nach der Kapitulation der Wehrmacht, ohne Verfahren hingerichtet. Das Gericht folgte im Urteil der Argumentation der Verteidigung, dass diese Erschießungen notwendig gewesen seien, um die Disziplin der Truppe aufrecht zu halten, da die Truppe andernfalls schutzloses Opfer der Übergriffe der griechischen Partisanen geworden wäre. Das Gericht gestand Benthack Verbotsirrtum zu und sprach ihn frei. Auch die sechs anderen Beschuldigten wurden freigesprochen. Der Antrag der hamburgischen Staatsanwaltschaft auf Revision beim Bundesgerichtshof wurde gegenstandslos, als das Landgericht Hamburg das Verfahren am 6. Dezember 1954 gemäß § 6 des Straffreiheitsgesetzes einstellte“. <https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Georg_Benthack> (18.07.2021).
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