"Wir fälschen nicht die Währung einer anderen Nation"
Vietnam, Kambodscha und Laos bildeten seit Ende des 19. Jahrhunderts die Kolonie Französisch-Indochina. Die Việt Minh, bestehend aus nationalistischen und kommunistischen Gruppen, hatten von den USA unterstützt im Zweiten Weltkrieg gegen die japanischen Besatzer gekämpft. Wohl auch im Vertrauen auf die US-amerikanischen Versprechungen hatte ihr Führer Hồ Chí Minh am 2. September 1945 in Hanoi die Demokratische Republik von Vietnam ausgerufen. Aber schon bald änderten sich die Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion grundlegend. Aus den ehemaligen Verbündeten wurden entschiedene Gegner. Die US-Amerikaner fürchteten den wachsenden Einfluss der Kommunisten in Europa und Asien. Dies wusste der französische Präsident Charles de Gaulle meisterlich auszunutzen, sodass die US-Amerikaner von ihrem Kurs in Vietnam abrückten und die Franzosen nicht an ihrem Vorhaben hinderten, Indochina wieder in Besitz zu nehmen.
Gegen den Widerstand der Bevölkerung wurde das Land 1946 wieder besetzt.
Am 23. November bombardierten die Franzosen Hải Phòng, wobei 6000 Zivilisten ums Leben kamen. Daraufhin gab Hồ Chí Minh dem Druck der Hardliner innerhalb der Việt Minh nach, und ein landesweiter Guerillakrieg gegen die französische Kolonialherrschaft begann.
Auch deren Politik orientierte sich neu. An die Stelle der bisherigen US-amerikanischen Unterstützungen traten nun die Hilfen aus der Sowjetunion und China. In der Schlacht von Điện Biên Phủ (13. März 1954 – 7. Mai 1954) erlitt die französische Kolonialarmee eine vernichtende und entscheidende Niederlage. Noch im selben Jahr wurde Französisch-Indochina aus der Französischen Union herausgelöst und am 20. Juli 1954 bestätigte die Indochina-Konferenz[1] die volle Souveränität von Kambodscha, Laos und Vietnam.
Die Việt Minh zogen sich vereinbarungsgemäß hinter den 17. Breitengrad in den Norden Vietnams zurück und überließen den Süden dem unter westlichen Einfluss stehenden Kaiser Bảo Đại. Die für Juli 1956 für ganz Vietnam vereinbarten freien Wahlen wurden vom Präsidenten der Republik (Süd)-Vietnam Ngô Đình Diệm verweigert, weil er bei der Popularität Hồ Chí Minhs eine Niederlage und die USA eine kommunistischen Machtübernahme befürchteten.
Seit den frühen 1960er Jahren wurde die politische Situation in Südvietnam instabil. Unter den Vorzeichen des Kalten Kriegs unterstütze die Sowjetunion Nordvietnam, während Südvietnam Hilfe von den USA erhielt. Zudem drohte Gefahr vom Vietcong[2], die einen Guerillakrieg gegen die südvietnamesische Regierung führte und einen Herrschaftsanspruch über das gesamte Land erhob. Die eingesetzte südvietnamesische Armee blieb gegenüber dem Vietcong weitgehend erfolglos.
Bereits ab 1952 vertrat US-Präsident Truman die Domino-Theorie, wonach der Kommunismus ideologisch unvermeidbar nach Weltherrschaft strebe, sodass ein kommunistisches Regime eine Kettenreaktion in seinen Nachbarstaaten bewirken würde. Daher unterstützten die aufeinander folgenden US-Regierungen unter den Präsidenten Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon die südvietnamesischen Regierungen finanziell, mit Waffenlieferungen und militärischen Ausbildern.
Der Anspruch der USA, in Südostasien die sog. Freie Welt zu verteidigen, wurde jedoch dadurch belastet, dass sie es in Saigon mit einem unfähigen und korrupten, vom Volk nicht unterstützten Regime zu tun hatten. Nicht von ungefähr waren 1963 die CIA und die US-amerikanische Botschaft an dem Militärputsch gegen Präsidenten Ngô Đình Diệm beteiligt. Doch unter den neuen Machthabern wurde das Chaos eher noch größer. Der durch die USA fingierte „Tonkin-Zwischenfall“ vom 2. August 1964 lieferte den Vorwand in Vietnam aktiv in die Kampfhandlungen einzugreifen. Der US-Kreuzer Maddox, ein Spionage-Schiff, vollgestopft mit elektronischen Horch-Geräten, war angeblich von drei Schnellboten der Nordvietnamesischen Küstenwache im Golf von Tonkin in internationalem Gewässer angegriffen worden, so zumindest die offizielle Meldung. Am 4. August erfolgte der US-amerikanische Vergeltungsschlag. Bomber griffen Hanoi an. Mit der „Operation Rolling Thunder“ (Donnergrollen) führte US-Präsident Lyndon B. Johnson einen nicht erklärten Krieg gegen Nordvietnam. Zwischen dem 2. März 1965 und dem 30. Oktober 1968 flog die US-Luftwaffe 304.000 Einsätze in Nordvietnam. Dabei kam auch das Entlaubungsmittel „Agent Orange“ zum Einsatz. Das gefährliche Pflanzenvernichtungsmittel zerstörte Reisfelder und vergiftete Wasserreservoirs. Die chemischen Massenvernichtungswaffen trafen nicht nur die kommunistische Befreiungsarmee, sondern hauptsächlich die Zivilbevölkerung. Auch die berüchtigten Napalmbomben der US-Amerikaner forderten fürchterliche Verluste unter der zivilen Bevölkerung.
Erstmals seit dem Koreakrieg betraten am 8. März 1965 wieder US-Kampftruppen das asiatische Festland. In Da Nang gingen 3.500 Marines an Land. In den folgenden Monaten verstärkte der Vietcong seine Aktivitäten. Am 31. Januar 1968 begann die sog. Tet-Offensive. Guerillaeinheiten nahmen zeitweise Teile Saigons ein und drangen bis zum Präsidentenpalast vor, obwohl jetzt etwa 500.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert waren.
Das United States Military Assistance Command ließ für die psychologische Kriegsführung
in den Jahren 1965 bis 1972 Propaganda-Flugblätter in Millionen-Auflage drucken. Darunter befanden sich auch Flugblätter in Form von Banknoten der Vietnamesischen Staatsbank
zu 1, 2 und 5 Dong. Sie wurden wohl zunächst in einer japanischen Druckerei in Tokio, in der letzten Phase der Kampagne in einer US-amerikanischen Druckerei in Manila gedruckt.
Von dort gelangten die Scheine dann zum Kommando für psychologische Kriegsführung des Verteidigungsministeriums auf Okinawa, das sie dann weiter auf die Stützpunkte in Süd-Vietnam verteilte.
Abb. 1.1: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 1 Dong, Codenummer 4543 (horizontal), mit Fehler, Vorderseite.
Abb. 1.2: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 1 Dong, Codenummer 4543 (horizontal), mit Fehler, Rückseite.
Abb. 2.1: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 2 Dong, Codenummer 4541, Vorderseite.
Abb. 2.2: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 2 Dong, Codenummer 4541, Rückseite.
Abb. 3.1: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 5 Dong, Codenummer 4542, Vorderseite.
Abb. 3.2: US-Propaganda-Note, Vietnamesischen Staatsbank, 1958, 5 Dong, Codenummer 4542, Rückseite.
Die Mitarbeiter der psychologischen Kriegsführung – „Psychological Operations“ (PSYOP) – nannten diese Propaganda-Noten „die Inflationsserie“, da mit ihnen die Nord-Vietnamesen davon überzeugt werden sollten, dass die Kosten des Krieges zur Zerstörung ihrer Wirtschaft führen würde. Den 1-Dong-Propaganda-Schein gibt es in sechs Varianten. Die erste Variante unterscheidet sich von allen anderen dadurch, dass sich hier der Schaurand mit der Propaganda-Botschaft auf der rechten Vorderseite statt auf der linken befindet.
Die Nummerierung lautet „TO309592“. Zusätzlich wurde auf der Rückseite die Codenummer „50“ angebracht. Die Scheine wurden während der Operation Rolling Thunder zwischen Mitte April 1965 und Anfang November 1968 über Nord-Vietnam abgeworfen.
Die Propaganda-Botschaft auf der Vorderseite umfasst fünf Zeilen und beginnt mit „Dong tien cang ngay mat gia …“. Die Übersetzung lautet: „Das Geld hat immer weniger Wert. Mit dem Fortgang des Krieges wird es immer weniger zu kaufen geben. Die Preise steigen und steigen. Ihre Ersparnisse werden zu wertlosem Papier.“ Und auf der Rückseite: „Warnung vor einer weiteren Währungsreform wie der von 1959. Sie könnten Ihren Reichtum verlieren, die Frucht Ihres Schweißes und ihrer Tränen.“
Die zweite Variante mit der Nummerierung „RE412887“ wurde ohne Code-Nummer gedruckt. Der Propaganda-Text beginnt mit „Tam anh mot dong …“ und lautet in der Übersetzung:
„Das Flugblatt bildet eine Ein-Dong-Note ab, um die Menschen im Norden daran zu erinnern, dass es die Aggression der Lao Dong-Partei[3] ist, die den Wohlstand des Landes und ihr Wohlergehen zerstört.“ Der längere Rückseiten-Text mahnt zur Vorsicht: „Bitte achten Sie sorgfältig auf ihre Reisvorräte. In diesem Jahr ist vielleicht ihr Vorratsbehälter nur zur Hälfte gefüllt, weil der Marktpreis jetzt so hoch ist und der zum offiziellen Preis gekaufte Reis nicht ausreicht. Die Lao Dong-Partei setzt ihre Aggression gegen den Süden fort, was Ihr Land und Sie ärmer gemacht hat.“
Im April 1972 begannen die USA erneut Nordvietnam zu bombardieren. Gleichzeitig nahm man im Rahmen der „Operation Field Goal“ (Feldtor) wieder den Abwurf von Flugblättern auf. Die Luftwaffe warf mehr als eine halbe Milliarde davon ab. Darunter auch die zwei Varianten des 1-Dong-Scheins, die mit „4540“ und „4543“ codiert sind und bei denen der Code horizontal angebracht wurde. Sie wurden im Auftrag der 7. PSYOP-Gruppe im Regionalen Servicezentrum in Manila gedruckt und im Rahmen der Operation „Linebacker“ (Verteidiger)[4] vom 9. Mai bis zum 23. Oktober 1972 über Nordvietnam abgeworfen. Um das Drift-Muster beim Abwurf der Scheine zu verbessern, wurden sie in unterschiedlichen Größen produziert. 4540 ist etwa 74 x 190 mm (7 ½ x 2 13/16 Inch) und 4543 etwa 71 x 190 mm (7 ¾ x 2 13/16 Inch) groß. Der Propaganda-Text auf der Vorderseite der mit „Hay coi chung mot cuoc cai cach tien …“ beginnt, lautet übersetzt „Warnung vor einer weiteren Währungsreform. Ihr könntet all euren Reichtum verlieren, die Frucht eures Schweißes und eurer Tränen“; und auf der Rückseite „Dang thi vung-phi tien cua … tro nen vo gia-tri“: „Die Kommunistische Partei gibt Ihr Geld für einen aussichtslosen Krieg aus. Wenn der Krieg weitergeht, gibt es für Sie nichts zu kaufen. Der Krieg zerstört Ihr Land. All Ihre Ersparnisse werden wertlos sein.“
Den Scheinen mit der horizontalen Codenummer „4540“ und „4543“ waren Scheine mit derselben Codenummer vorausgegangen, die jedoch vertikal angebracht waren. Bei ihnen hatten sich zwei Fehler eingeschlichen. Beim ersten Fehler wurde das Wort „cach“ zwischen „cai“ und „tien“ ausgelassen, wodurch der Satz bedeutungslos wurde. Beim zweiten Fehler hieß es auf der Rückseite „vo-gia“ (unbezahlbar) statt „vo gia-tri“ (wertlos).
Die 2- und 5-Dong-Propaganda-Scheine sind nur mit dem korrigierten Text bekannt.
Der 2-Dong-Schein trägt die Codenummer „4541“ und hat die Größe 7 ½ x 3 Inch.
Der 5-Dong-Schein mit der Codenummer „4542“ und hat die Maße 7 ½ m 3 1/8 Inch.
Da die Propaganda-Botschaften des Öfteren von der Bevölkerung abgetrennt wurden, gelangten diese „Noten“ als Falschgeld in den Zahlungsverkehr. Radio Hanoi meldete am
6. Oktober 1972, dass die Nixon-Regierung Banknoten der Vietnamesischen Staatsbank fälsche, um das Finanz- und Währungssystem und das Wirtschaftsleben der Demokratischen Republik Vietnam zu stören. Gleichzeitig hätten die US-Amerikaner den psychologischen Krieg intensiviert. Aber das vietnamesische Volk habe mit Patriotismus, tiefen Hass auf den Feind und hoher revolutionärer Wachsamkeit diese Geldscheine eingesammelt und sie der Verwaltung als Beweis für die Verurteilung der Nixon-Regierung übergeben. Auch von anderen kommunistischen Staaten wurde den USA vorgeworfen, sie brächten Falschgeld unter das Volk. Die Antwort der US-Amerikaner lautete stets: „Wir fälschen nicht die Währung einer anderen Nation. Wir drucken nur Propaganda-Noten.“
Die US-amerikanischen Flugblätter waren Reproduktionen der Banknoten der Vietnamesischen Staatsbank, die diese mit der Jahreszahl 1958 in Shanghai drucken ließ. Natürlich weisen die US-Drucke einige Abweichungen zu den Originalen auf, so fehlt bei ihnen das Wasserzeichen und die Einfärbung ist bei einigen Details der zentralen Vignetten etwas dunkler, wodurch feine Details des Originals verdeckt werden. Auch die Maße weichen leicht von den Originalbanknoten ab. Trotzdem dürften diese Unterschiede einem Durchschnittsbürger kaum aufgefallen sein, zumal wenn der Schaurand abgeschnitten war.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Vietnam-Abkommens am 27. Januar 1973 beendeten die USA ihr militärisches Engagement in Vietnam und begannen mit dem Truppenabzug. Mit dem Einmarsch der sogenannte Volksbefreiungsarmee in Saigon am 30. April 1975 endete der elfjährige Vietnamkrieg. Nord- und Südvietnam bilden seit dem 2. Juli 1976 als Sozialistische Republik Vietnam wieder einen Staat und Saigon wurde zu Ho-Chi-Minh-Stadt.
Die traurige Bilanz des Vietnam-Krieges: Die US-Amerikaner warfen im Verlauf des Krieges acht Millionen Tonnen Bomben auf Vietnam ab, mehr als doppelt so viel wie im gesamten Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kamen. Allein 1,2 Millionen vietnamesische Zivilisten wurden von 1965 bis 1974 bei Kampfhandlungen getötet. Die Gesamtschätzungen gehen weit auseinander und man geht von bis zu vier Millionen Opfern aus, etwa einem Achtel der Gesamtbevölkerung Vietnams, davon 2,6 Millionen Südvietnamesen und 1,1 Millionen NVA- und NLF-Kämpfer. Das US-Militär registrierte seit dem 8. Juni 1956 exakt 58.220 in Vietnam getötete US-Soldaten – und der Krieg hinterließ eine gespaltene US-Gesellschaft.
Und was wurde aus den Propaganda-Noten? Der Experte Herbert A. Friedman meint, dass die Scheine 1972 eingelagert wurden. Um 1985 wurden dann plötzlich große Mengen auf dem Sammlermarkt angeboten. Nach Gerüchten vergruben die US-Streitkräfte die Restbestände auf ihren Basen und vietnamesische Bauern buddelten diese unter Müllbergen und Brandstellen wieder aus. So konnten bisher 40 verschiedene Nummerierungen für den
1-Dong-, 19 für den 2-Dong- und 17 für den 5-Dong-Wert ermittelt werden. Möglicherweise geben die Nummern Auskunft darüber, in welchem Bereich die Scheine abgeworfen wurden. Die Scheine sind heute als Relikte des Kalten Krieges heiß begehrt. Aber Vorsicht, Verkäufer bieten bei Ebay Reproduktionen an und ob diese immer gekennzeichnet sind, bleibt dahingestellt.
Uwe Bronnert
Literatur
SGM Herbert A. Friedman (Ret.), Propaganda Banknotes of the Vietnam War. <http://www.psywarrior.com/Vietnambanknote.html> (15.1.2021)
Anmerkungen
[1] Bei der Genfer Indochina-Konferenz (26. April 1954 - 20. Juli 1954) nahmen neben den Kriegsparteien im Indochinakrieg, Frankreich und den Việt Minh, das Vereinigte Königreich, die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik China teil.
[2] Vgl. Wikipedia (20.08.2021): Die Nationale Front für die Befreiung Südvietnams (vietnamesisch Mặt Trận Giải Phóng Miền Nam Việt Nam), auch Vietcong (vietnamesisch Việt cộng), war eine Guerillaorganisation, die während des Vietnamkrieges in Südvietnam den bewaffneten Widerstand gegen die Regierung und die sie unterstützenden Streitkräfte der Vereinigten Staaten führte. Der Vietcong war sehr heterogen und setzte sich aus religiösen, ethnischen und politischen Gruppierungen zusammen, wurde jedoch durch die Kommunistische Partei dominiert. Die Organisation wurde 1960 gegründet und 1977 offiziell aufgelöst.
[3]Bezeichnung für die Kommunistische Partei Vietnams.
[4] Position des Verteidigers beim American Football.
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