Der Golfkrieg und politische Parolen auf DM-Banknoten Anfang der 1990er Jahre.
Am 15. April 1991 wandte sich die Deutsche Bundesbank mit einem Problem an das Bundesministerium der Justiz in Bonn, das ihr große Kopfschmerzen verursachte.
Seit Wochen tauchten immer mehr Bundesbanknoten im Verkehr auf, die mit politischen Parolen verunstaltet waren. Zwar waren auch schon früher hin und wieder Banknoten mit Firmenreklame und politischen Parolen wie z. B. „Fort mit Pershing“, „Keine Startbahn West“ oder „Aktiver Widerstand – Erste Bürgerpflicht“ überdruckt worden, dabei hatte es sich aber um Einzelfälle bzw. örtlich begrenzte Aktionen gehandelt.[1]
„Die ‚Stempel-Aktionen‘ der letzten Wochen waren demgegenüber jedoch systematisch auf breiter Front über das gesamte Bundesgebiet organisierte Aktionen, die insbesondere von bestimmten Gruppierungen an Universitäten und Schulen sowie von kirchlich orientierten Gruppen ausgingen. … Vielfach wurde öffentlich zu Stempelaktionen aufgerufen, bei denen dann gemeinschaftlich größere Mengen von Banknoten gestempelt wurden. Die auf diese Weise verunstalteten Banknoten wurden anschließend von den Inhabern in den Verkehr gegeben.“ [2]
Abb. 1: Deutsche Bundesbank, 2. Januar 1980, 10 DM, Vorderseite mit Aufschrift.
Abb. 2: Deutsche Bundesbank, 2. Januar 1960, 20 DM, Vorderseite mit Aufschrift.
Ausgelöst wurden diese Aktionen durch den Zweiten Golfkrieg, die Parolen lauteten etwa „Kein Geld für den Krieg“, „Kein Geld für Öl“, „Kein Blut für Öl“, „Politiker in die Wüste“,
„KEIN Krieg => Frieden“. „Kein deutsches Geld für Krieg!“ oder „Keine Zerstörung dieser Welt wegen Macht und Geld“.
Am 2. August 1990 überfiel der Irak das benachbarte Emirat Kuwait. Noch am gleichen Tag verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Invasion und forderte einen „sofortigen und bedingungslosen Rückzug“. Gleiches galt auch für die Mehrheit der Staaten der Arabischen Liga. Am 6. August verhängte der UN-Sicherheitsrat ein Wirtschafts-, Finanz- und Militärembargo gegen den Irak.
Da der Irak mit dem Einmarsch in Kuwait sowohl das regionale Gleichgewicht als auch die globale Energieversorgung bedrohte, ermächtigte die UN-Vollversammlung mit der Resolution 678 vom 29. November 1990 die UN-Mitgliedsstaaten „alle notwendigen Mittel“ einzusetzen, falls die irakischen Truppen Kuwait nicht bis zum 15. Januar 1991 verlassen haben.
Während der Vorbereitungen zur Resolution hatten die USA ein Militärbündnis aus insgesamt 34 Staaten geschmiedet, das in Kuwait eingreifen sollte. Das mit Abstand größte Truppenkontingent stellte die USA, zu den wichtigsten Koalitionsstreitkräften gehörten Großbritannien, Saudi-Arabien, die Türkei, Ägypten, Syrien und Frankreich. Deutschland stellte keine Soldaten für die Interventionsstreitkräfte, lieferte jedoch Rüstungsmaterial und beteiligte sich finanziell mit rund 17 Mrd. DM.
Nach Ablauf des UN-Ultimatums griffen die alliierten Truppen in der Nacht zum 17. Januar 1991 den Irak und die irakischen Streitkräfte in Kuwait an – dies war der Beginn der Aktion „Desert Storm“ (Wüstensturm). Am 24. Februar marschierten alliierte Bodentruppen in Kuwait ein und besetzten das Land.
Einen Tag nach Einnahme der Hauptstadt Kuwait City am 28. Februar, erkannte der Irak die UN-Resolutionen an und US-Präsident Bush verkündete eine Waffenruhe. Friedensverhandlungen wurden aufgenommen. Erst am 12. April 1991 trat offiziell ein Waffenstillstand im Golfkrieg in Kraft.
Die Zahl der Golfkriegsopfer ist umstritten. Nähere Angaben gibt es nur für die Streitkräfte der Alliierten: 237 Tote und 776 Verwundete bei den Kampfhandlungen; bei Unfällen starben 138 Soldaten und 2.978 wurden verletzt. Auf irakischer Seite reichen die Schätzungen von 1.500 bis 200.000 getötete Soldaten. Seriöse Wissenschaftler gehen von 25.000 bis 75.000 aus.
Die so beschrifteten und mit Stempeln versehenen Banknoten lösten unter den Bürgern eine gewisse Unruhe aus. Man fragte sich, „ob diese Noten durch die Verunstaltung ihre Geldeigenschaft verloren haben oder ob sie trotz dieser Verunstaltung noch als gesetzliche Zahlungsmittel dem unbegrenzten Annahmezwang nach § 14 Abs. 1 Bundesbankgesetz unterliegen.“
Die Bundesbank stellte sich auf den Standpunkt, „dass die Noten in Anbetracht der groben Verunstaltung ihre Geldeigenschaft verloren haben, also niemand verpflichtet ist, solche Noten als Zahlungsmittel anzunehmen.“Allerdings stünde dem Inhaber einer solchen Note ein Anspruch auf Ersatzleistung gemäß § 14 Abs. 3 Bundesbankgesetz zu – also der Austausch der „beschädigten“ Note. Bei den „Tätern“, die die Noten mutwillig beschädigt haben, sehe es natürlich anders aus. Sie hätten ihren Erstattungsanspruch verwirkt.
„Diese Ausnahme spielt jedoch praktisch keine Rolle, da im Regelfall nicht bewiesen werden kann, daß es sich bei den Vorlegern solcher Noten um die jeweiligen ‚Täter‘ handelt“, so der Verfasser des Schreibens.
Die Deutsche Bundesbank suchte verzweifelt nach rechtlichen Möglichkeiten, den „Tätern“ das Handwerk zu legen. Im Brief wird im Juristendeutsch der damalige Rechtszustand so beschrieben:
„In Anbetracht der erheblichen Dimension, die die Verunstaltung von Bundesbanknoten in letzter Zeit angenommen hat, halten wir es für sehr abträglich, daß es nach geltendem Recht keine Handhabe gibt, gegen die Verunstaltung der staatlichen Zahlungsmittel vorzugehen. Das Strafrecht (vgl. insb. §§ 88, 90 a, 303, 304 StGB) gibt hier tatbestandlich nichts her. Im geltenden Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es zwar den § 118 OWiG (‚Belästigung der Allgemeinheit‘); es ist jedoch zweifelhaft, ob in dem Verunstalten von Banknoten durch das Bestempeln mit politischen Parolen, die oft an sich ein zu billigendes Anliegen (Umweltschutz, Eintreten für den Frieden) zum Ausdruck bringen, eine ‚grob ungehörige Handlung‘ gesehen werden kann. Ferner dürfte die Deutsche Bundesbank auch nicht aufgrund urheberrechtlicher Vorschriften vorgehen können. Sie nimmt zwar für sich das ausschließliche urheberrechtliche Verwertungsrecht am Bild der Bundesbanknoten in Anspruch (etwa im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen unzulässige Banknotenabbildungen nach § 128 OWiG), § 14 Urheberrechtsgesetz schützt jedoch ein Werk gegen Entstellung nur insoweit, als es um die geistigen oder persönlichen Interessen am Werk geht. Uns geht es im Kern jedoch nicht um die Erhaltung des Banknotenbildes, sondern um die reibungslose Funktion des Zahlungsverkehrs. Schließlich haben wir keinerlei Einfluß darauf, ob eventuell Länderpolizeibehörden unter polizeirechtlichen Gesichtspunkten gegen die in Rede stehenden Stempelaktionen oder sonstige Verunstaltungen von Banknoten vorgehen könnte. Uns ist von einem derartigen Vorgehen der Polizei auch nichts bekannt geworden.“
Nach Meinung der Bundesbank, war es ein untragbarer Zustand, dass nach geltendem Recht keine Möglichkeit bestand, gegen den Missbrauch des staatlichen Geldes als Medium für politische Meinungsäußerungen einschreiten zu können. Die bestehende Gesetzeslücke sollte durch entsprechende Vorschriften im OWiG geschlossen werden, dazu machte die Bundesbank gleich einen entsprechenden Vorschlag:
Verunstaltung von Papiergeld
(1) Ordnungswidrig handelt, wer unbefugt Papiergeld verunstaltet, indem er es bedruckt, beschriftet, bemalt oder sonstwie sein äußeres Bild beeinträchtigt.
(2) Absatz 1 gilt auch für Papiergeld eines fremden Währungsgebietes.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.
Die Bundesbank wies auch darauf hin, dass es in anderen Ländern entsprechende Bestimmungen gäbe. Als Beispiel wurden die §§ 4 und 6 eines belgischen Dekrets des Finanzministers vom 23. Dezember 1988 (N 88 – 2279) angeführt, wonach „mit Gefängnis von acht Tagen bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe von sechsundzwanzig bis tausend Francs oder einer dieser beiden Strafen … bestraft [wird], der ein Geldzeichen, das in Belgien oder im Ausland gesetzliches Zahlungsmitte ist, als Träger von Werbezwecken dienenden oder sonstigen Mitteilungen benutzt oder es mutwillig beschädigt, beschmutzt, überdruckt oder dessen Verwendung als Zahlungsmittel unmöglich macht oder erschwert.“
Im Bundesjustizministerium erkannte man zwar den Wunsch der Bundesbank nach einer Regelung des Problems an, bezweifelte jedoch, dass ein „Bedürfnis für die Schaffung eines entsprechenden neuen Ordungswidrigkeiten-Tatbestandes“ bestehen würde und hatte Bedenken „gegen eine Regelung im Gesetz über Ordnungwidrigkeiten …, da dieses Gesetz im wesentlichen die allgemeinen materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften für Ordnungswidrikeiten regelt und in §§ 111 bis 131 lediglich solche Tatbestände aufführt, für die bei der Abschaffung der früheren Übertretungstatbestände kein anderer Standort gefunden werden konnte. Mit weiteren Bußgeldtatbeständen sollte dieses Gesetz nicht mehr befrachtet werden.“[3] Dr. Katholnigg regte im Schreiben an das Bundesfinanzministerium an, im Gesetz zur Änderung des Bundesbankgesetzes, das zurzeit im Bundesfinanzministerium erarbeitet würde, einen entsprechenden Bußgeldtatbestand in § 14 aufzunehmen.[4]
Da die Angelegenheit nicht vorankam, erkundigte sich die Bundesbank am 23. Dezember 1991 beim Bundesjustizministerium nach dem Stand der Dinge. Um eine Entscheidung herbeizuführen, wandte sich die zuständige Fachabteilung im Ministerium an den Finanzminister.[5] Er entschied am 21. Februar 1992 folgender Maßen:
„Die Frage einer gesetzlichen Regelung, aufgrund der gegen den von Zeit zu Zeit auftretenden Mißbrauch des staatlichen Geldes als Medium insbesondere für politische Äußerungen eingeschritten werden kann, wurde mit dem Bundesministerium der Justiz bereits bei der Beratung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Bundesbankgesetzes im letzten Jahr mehrfach erörtert. Damals hatte ich die Auffassung vertreten daß
Die von der Deutschen Bundesbank vorgeschlagene Regelung aus meiner Sicht sachgerecht und wünschenswert ist,
Die gesetzliche Regelung aus rechtssystematischen Gründen nicht im Bundesbankgesetz vorgenommen werden sollte.
An dieser Auffassung hat sich nichts geändert.“[6]
Mit Schreiben vom 26. März 1992 lehnte das Ministerium endgültig das Ersuchen der Bundesbank ab. Allerdings könne die Bank den Gesetzesvorschlag weiterverfolgen, „falls .. [man] das Bedürfnis dafür im Sinn der ‚Blauen Prüfungsfragen‘ rechtfertigen .. [könne].“ [7]
Nach einem handschriftlichen Vermerk vom 5. April 1993 bestand in der Angelegenheit aus Sicht der Bundesbank kein Handlungsbedarf mehr: „Die Bundesbank wird auf die Sache zurückkommen, wenn Verunstaltungen sich erneut häufen und eine Gesetzesänderung erforderlich sein sollte.“ Damit war die Angelegenheit endgültig vom Tisch.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Alle Angaben nach der Akte des Bundesarchivs. BA Koblenz, B126/346138.
[2] Brief der Deutschen Bundesbank vom 15. April 1991 an das Bundesministerium der Justiz, Abteilung II.
[3] Dr. Katholnigg antwortete am 12. Juni 1991 der Bundesbank.
[4] Schreiben vom 12. Mai 1991.
[5] Schreiben vom 10. Januar 1992.
[6] Brief des Bundesministers der Finanzen an den Bundesminister der Finanzen vom 21. Februar 1992
[7] Die blauen Prüffragen sind ein Instrument zur Überprüfung von neuen Vorschriften auf ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Verständlichkeit. Diese Fragen sollen sicherstellen, dass jede neue Regelung tatsächlich erforderlich ist und ihren Zweck erfüllt. Hier sind die Hauptkriterien:
Notwendigkeit: Ist die neue Vorschrift wirklich notwendig? Gibt es keine anderen Mittel, um das gleiche Ziel zu erreichen?
Wirksamkeit: Wird die Vorschrift die gewünschten Ergebnisse erzielen? Sind die Maßnahmen geeignet, um das Problem zu lösen?
Verständlichkeit: Ist die Vorschrift klar und verständlich formuliert? Können die Betroffenen die Regelungen leicht nachvollziehen?
Diese Kriterien helfen dabei, die Qualität und Effizienz von neuen Vorschriften zu verbessern und unnötige Bürokratie zu vermeiden.
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