Kreditscheine von Kreditgenossenschaften, Kaufhäusern und Banken in Deutschland
Das kennen wir alle. Der Werbeprospekt des Möbelhauses winkt mit einem Super-Spar-Angebot für eine neue Küche – und naja, die eigene ist in die Jahre gekommen. Auch das teure E-Bike steht schon lange auf der Wunschliste … Aber auf dem Konto herrscht gerade wieder einmal Ebbe. Das ist doch kein Grund zu verzweifeln und auf die Anschaffung zu verzichten. Versprechen nicht die Banken, dass sie den Weg freimachen? Schließlich kann man doch sein Bankkonto überziehen, einen Bankkredit sogar Online aufnehmen, und dies ohne Schufa-Auskunft, wie die Werbung suggeriert. Der aufgenommene Konsumentenkredit lässt sich dann hoffentlich bequem in monatlichen Raten zurückzahlen. Zudem locken auch heute noch viele Händler beim Kauf mit der Möglichkeit der Ratenzahlung.
Noch Anfang der 1960er Jahren erhielten in der Bundesrepublik viele Arbeitnehmer ihren Lohn bar ausgezahlt und nur die wenigsten von ihnen verfügten über ein Bankkonto, sieht man von dem obligatorischen Sparbuch ab. Auch damals wurden (größere) Anschaffungen durch Kredite finanziert. Jedoch unterscheidet sich das damalige Verfahren in wesentlichen Punkten von der heutigen Kreditabwicklung. Anstatt zu seiner Bank, ging man zu einer Kreditgenossenschaft und ließ sich dort einen Kredit geben, der jedoch nicht bar ausgezahlt wurde, sondern man erhielt ein Heft mit Kreditgutscheinen, die auf unterschiedliche D-Mark-Beträge lauteten. Mit diesen Gutscheinen konnte dann der Kreditnehmer seine Einkäufe in bestimmten Geschäften, die Vertragspartner der Kreditorganisation waren, bezahlen.
Die Scheine tragen nur in Ausnahmefällen ein gedrucktes Datum. Häufig wurde das Ausgabedatum gestempelt, handschriftlich eingetragen oder perforiert.
Ein Beispiel hierfür ist der Kundenkreditscheck über 5 DM der Pfälzischen Kunden-Kredit-Genossenschaft e.G.m.b.H., der im Dezember 1952 an den Kunden abgegeben wurde.
Laut Aufdruck musste er innerhalb von 30 Tagen zum Kauf in den angeschlossenen Geschäften verwendet werden. Das am rechten Rand in Lochschrift – 16 1 1953 – angegebene Datum dürft das Ende der Gültigkeit angeben.
Abb. 1.: Pfälzische Kunden-Kredit-Genossenschaft e.G.m.b.H., Dez. 1952, 5 DM Kundenkreditscheck, Vorderseite. Einseitiger Druck; Größe: 159 x 90 mm; weißes Papier mit schwachem Wasserzeichen Y-Muster.
Vom Ende der 1950er-Jahre stammen die bei Giesecke & Devrient gedruckten Zahlungsanweisungen der Kunden-Kredit G.m.b.H. Nürnberg. Nach Ausstellung waren sie
90 Tage gültig. Hier wird das Ausstellungsdatum durch Lochschrift am unteren linken Rand angegeben.
Abb. 2: Kunden-Kredit G.m.b.H. Nürnberg, 26.5.59, 1 DM, Vorderseite.
Abb. 3: Kunden-Kredit G.m.b.H. Nürnberg, 4.4.59, 2 DM, Vorderseite.
Abb. 4: Kunden-Kredit G.m.b.H. Nürnberg, 23.3.59, 5 DM, Vorderseite.
Abb. 5: Kunden-Kredit G.m.b.H. Nürnberg, 12.1.59, 20 DM, Vorderseite.
Einseitiger Druck; Größe: 150 x 65 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen.
„Das Verfahren [dieser Kreditgewährung] scheint sehr erfolgreich angewendet worden zu sein, denn aus der Nachkriegszeit kennen wir eine beträchtliche Anzahl von Kreditorganisationen und Teilzahlungsbanken, die dieses Verfahren praktizierten. Auch große Handelshäuser und Kaufhausketten beteiligten sich an diesem Geschäft, wobei bei diesen die Einkaufsmöglichkeiten natürlich auf Häuser der jeweiligen Kette beschränkt waren.“[1]
Weit verbreitet waren die Wertscheine der DeFaKa. Die Deutsche Familien-Kaufhaus GmbH war eine seit den 1920er-Jahren bestehende Warenhauskette mit Schwerpunkt Textilien.
Das Unternehmen wurde 1924 vom Hamburger Kaufmann Emil Köster als „Emil Köster Textil AG“ gegründet. Sie übernahm die „Gemeinnützige Beamtenversorgungs-GmbH“. Beide Unternehmen boten Beamten die Möglichkeit, ihre Einkäufe in Raten zu bezahlen. Was war näherliegend, als beide Unternehmen zum „Deutschen Familienkaufhaus“ (DeFaKa) zu verschmelzen. Jakob Michael, dem unter anderem die Berliner „Industrie- und Privatbank“ gehörte, übernahm die Kapitalmehrheit. Er wanderte bereits 1932 in die USA aus. Da er die Kaufhauskette in die von ihm gegründete „New Jersey Industries Co. Inc.“ einbrachte, entgingen die 21 Filialen der DeFaKa als US-Firma der Arisierung. 1954 verkaufte Michael die DeFaKa-Kaufhäuser für 60 Millionen DM an die Helmut Horten GmbH.
Durch diesen Zukauf wuchs die Zahl der Horten-Niederlassungen um 19 Häuser. Die DeFaKa wurde als Zweitmarke mit der Marke Köster (nur in Wiesbaden) für Kaufhäuser ohne Vollsortiment weiterverwendet, während die Vollsortiment-Warenhäuser unter der Marke Horten und MERKUR betrieben wurden. In den 1970er Jahren wurden auch die DeFaKa-Filialen in Horten umbenannt. [2]
Die DeFaKa machte sich als Pionier eines eigenen Kundenkredit-Systems einen Namen, das sich in der Nachkriegszeit bei der westdeutschen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreute.
Abb. 6: DeFaKa, Deutsches Familienkaufhaus, Zweigniederlassung der Helmut Horten GmbH, Düsseldorf, o. D., 1 DM, Vorderseite. Einseitiger Druck; Größe: 105 x 75 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen „DEFAKA“; Druckerei: Giesecke & Devrient.
Abb. 7: DeFaKa, Deutsches Familienkaufhaus, Zweigniederlassung der Helmut Horten GmbH, Düsseldorf, o. D., 20 DM, Vorderseite; keine Angabe der Druckerei.
Einseitiger Druck; Größe: 107 x 73 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen mit DEFAKA
im Rahmen; Trockenstempel.
Abb. 8.1/2: Aufbewahrungsmappe für DEFAKA-Wertscheine, Vorder- und Rückseite,
Größe: 105 x 75 mm.
War die Gestaltung und der Druck der bisher vorgestellten Scheine eher einfach, so sind die Wertscheine der Kaufhauskette „Hertie/KaDeWe/Alsterhaus/Held/KFA“ wertpapiermäßig ausgeführt. Die renommierte Wertpapierdruckerei Giesecke & Devrient lieferte Scheine, die mit den damals neuesten Sicherheitsmerkmalen versehen waren. Zur Ausgabe gelangten mehrere Ausführungen.
Abb. 9.1/2: Hertie/KaDeWe – Alsterhaus – Held/KFA, o. D., 5 DM, Vorder- und Rückseite.
Größe: 147 x 72 mm; weißes Papier ohne Wasserzeichen.
Abb. 10.1/2: Hertie/KaDeWe/Alsterhaus, o. D., 20 DM, Vorder- und Rückseite.
Größe: 145 x 72 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen.
Abb. 11.1/2: Hertie – KaDeWe – Alsterhaus – Wertheim, o. D., 20 DM, Vorder- und Rückseite.
Größe: 135 x 73 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen.
„Die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH war bis zur Übernahme durch Karstadt 1994 einer der führenden Warenhauskonzerne in Deutschland. Die Konzernzentrale befand sich zuletzt in der Herriotstraße 4, heute Campus Tower, in Frankfurt am Main. Die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH betrieb rund 115 Warenhäuser unter den Namen Hertie, Wertheim, Alsterhaus und KaDeWe sowie rund 35 Bilka-Warenhäuser. Daneben gehörten zu Hertie die Restaurant-Kette Le Buffet, die Elektronik-Fachmärkte Schaulandt, Schürmann und WOM (World of Music) sowie die Bekleidungs-Märkte Wehmeyer.“[3]
Die Anfänge des Unternehmens gehen auf Oskar Tietz zurück, der am 1. März 1882 mit dem Kapital seines Onkels Hermann Tietz ein Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und Wollwarengeschäft in Gera eröffnete. Die Hermann Tietz OHG wuchs schnell und es folgten Filialen in Weimar, Bamberg, München und Hamburg. 1900 wurde der Firmensitz nach Berlin verlegt. Nach und nach eröffnete das Unternehmen in der Reichshauptstadt zehn Warenhäuser. In Hamburg folgte 1912 das „Warenhaus Hermann Tietz“ (seit 1935 Alsterhaus) am Jungfernstieg. Die Hermann Tietz OHG konzentrierte seine Aktivitäten auf den Süden und Osten des Deutschen Reichs, währen Oscars Bruder, Leonard Tietz die gleichnamige Aktiengesellschaft gründete, die Filialen im Westen Deutschlands und in Belgien betrieb und ab 1933/34 als Westdeutsche Kaufhof AG, vorm. Leonhard Tietz firmierte.
Ende 1926 übernahm die Hermann Tietz OHG das Berliner Kaufhausunternehmens A. Jandorf & Co., zu der das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) gehörte.
Die Weltwirtschafskrise setzte auch den Warenhäusern zu. Vor allem Arbeiter und einfache Angestellte mussten einen massiven Kaufkraftschwund hinnehmen. Bei Tietz ging der Umsatz kontinuierlich zurück. Bankkredite überbrückten die Durststrecke. Bereits kurze Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ging man daran, Unternehmen jüdischer Eigentümer zu "arisieren". Ein Bankenkonsortium aus Dresdner Bank, Deutscher Bank und Disconto-Gesellschaft, Bankhaus Hardy und anderen Gläubigern begann in Absprache mit dem Reichswirtschaftsministerium mit der schrittweisen Enteignung der Familie Tietz.
Am 24. Juli 1933 gründeten die Gläubigerbanken die Hertie Kaufhaus-Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. [Hertie = Kurzform für Hermann Tietz]. Am 18. August 1934 erzwang das Bankenkonsortium das Ausscheiden aller Gesellschafter der Familie Tietz. Vorausgegangen war die Drohung der Banken, die Kredite zu kündigen. Das Firmenvermögen wurde mit lächerlichen 21,5 Millionen Reichsmark angesetzt, von dem die Familie gerade einmal 1,5 Millionen Reichsmark erhielt. In den folgenden Jahren kaufte Georg Karg – vormals Textil-Abteilungsleiter der Hermann Tietz OHG und Gesellschafter mit einer Einlage von 50.000 Reichsmark – die Anteile der Banken an der Hertie GmbH.
1948 öffnete Hertie in München, Stuttgart und Karlsruhe wieder die Kaufhaustüren.
1950 wurde das KaDeWe in Berlin wiedereröffnet. Beim Tod des Eigentümers Georg Karg 1972 bestand die Warenhausgruppe aus 72 Hertie-Warenhäusern und 29 Bilka-Kaufhäusern. 1993 gingen die Geschäfte in den Besitz von Karstadt über.
Auch die folgenden Wertscheine sind aufwendig gedruckt. Die Gebrüder Borst erteilten der Münchner Druckerei R. Oldenbourg den Auftrag zu ihrer Herstellung.
Abb.12.1/2: Bieberhaus Gebr. Borst, Frankfurt und Offenbach, o. D., 1 DM,
Vorder- und Rückseite.
Abb.13.1/2: Bieberhaus Gebr. Borst, Frankfurt und Offenbach, o. D., 10 DM, Vorder- und Rückseite. Größe: 145 x 75 mm; weißes Papier mit Wasserzeichen.
Die Borst-Brüder hatten 1961 in Offenbach das Elektro-Kaufhaus in der „Bieberer Straße“ eröffnet. Dies war der Grund, warum sie das Unternehmen Bieberhaus nannten. Bald folgte ein Geschäft am hintersten Ende der Zeil in Frankfurt. Hier lockte der Elektro-Discounter mit aggressiver Preispolitik und neuesten Hifi-Geräten die Kunden an. Das Bieberhaus war in den 1960er Jahren die erste Adresse für weniger betuchte Käufer. In dieser Zeit entstanden auch die Wertscheine. Um auch Rheinhessen und das Mainzer Hinterland bedienen zu können, wurde 1972 eine Filiale in Mainz eingerichtet. Der erwartete Umsatz blieb allerdings aus, sodass das Unternehmen in finanzielle Schieflage geriet und 1976 Konkurs anmelden musste.
Wie das letzte Beispiel zeigt, gewährten auch kleinere Unternehmen Kredit an ihre Kunden, indem sie diesen in Form von Wertscheinen einräumten. Das Haushaltswarengeschäft J. G. Reichwald in Siegen gab Kunden einen Warenkredit in Höhe von 100 DM. Der Kunde erhielt eine Waren-Kredit-Karte, die 14 Kredit-Marken-Abschnitte enthielt, und zwar drei zu 20 DM, jeweils zwei zu 10 DM und 5 DM, drei zu 2 DM und vier zu 1 DM. Bei jedem Einkauf trennte die Kassiererin Wertmarken in Höhe des Kaufpreises ab. Pfennigbeträge mussten vom Kunden bar gezahlt werden.
Abb. 14.1/2: J. G. Reichwald, Siegen, o. D., 100 DM, Waren-Kredit-Karte,
Vorder- und Rückseite, Druck auf rosa Karton.
Mit steigender Zahl von Bankkonten-Inhabern und der Rationalisierung der Arbeiten in den Banken durch den Einzug der EDV, änderte sich auch die Kreditabwicklung, sodass das bisherige Verfahren völlig verschwand.
In der DDR gab es ein ähnliches Verfahren. Dem Kreditnehmer wurde z. B. von seiner Sparkasse ein Kreditkaufbrief ausgehändigt, in dem auf der Rückseite so lange die Einkäufe eingetragen wurden, bis der Kreditbetrag aufgebraucht war.
Abb. 15.1: Unausgefüllter Kreditkaufbrief der Sparkasse der Stadt Berlin, Vorder- und Rückseite. Größe: 147 x 113 mm; bräunliches Papier ohne Wasserzeichen.
Die Kreditwertscheine erinnern heute an eine untergegangene Warenhauskultur sowie an ein fast vergessenes Kapitel der Geld- und Wirtschaftsgeschichte.
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Kai Lindman, Kreditscheine von Banken, Kreditgenossenschaften und Kaufhäusern in Deutschland 1933 – 1975, Sassenburg 2010, S. 3.
[2] DeFaKa, <https://de.wikipedia.org/wiki/DeFaKa> (27.03.2023)
[3] Hertie Waren- und Kaufhaus, <https://de.wikipedia.org/wiki/Hertie_Waren-_und_Kaufhaus> (27.03.2023)
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