Vom Finanzierungsinstrument der Arbeitsbeschaffung zum Zahlungsmittel der nationalsozialistischen Aufrüstungs- und Kriegspolitik 1932 bis 1940, Teil 1
- Uwe Bronnert
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Die Steuergutscheine vom 30. November 1932
Das nationalsozialistische Regime emittierte während seiner zwölfjährigen Herrschaft zahlreiche Geldschein ähnliche Finanzpapiere. Die Gründe hierfür waren vielschichtig: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Steigerung der Geburtenzahl, Senkung des Zinsniveaus, ideologische Gründe (Führerprinzip auch in den Unternehmen) und natürlich Finanzierung der Aufrüstung. Die Anfänge hierzu reichen bis in die Endphase der "Weimarer Republik" zurück.
Wesentlich härter als die Inflation 1923 traf die Weltwirtschaftskrise die Lohn- und Gehaltsempfänger in Deutschland.[1] Massenentlassungen und Kurzarbeit bedrohten die wirtschaftliche Existenz der Arbeiter und Angestellten. Die leeren Kassen der öffentlichen Haushalte erzwangen eine erhebliche Kürzung der Beamtenbezüge. Es kam zu Zusammenbrüchen von namhaften Banken, Industrie- und Handelsunternehmen.
Mit 6,13 Millionen Erwerbslosen wurde im Februar 1932 die höchste Arbeitslosenzahl erreicht. Die langanhaltende Depression zwang die Reichsregierungen zu aktiver Arbeitsbeschaffungspolitik.
Die Regierung unter Reichskanzler von Papen stellte dafür im Rahmen der Notverordnung des Reichspräsidenten zur Belebung der Wirtschaft[2] vom 4. September 1932 Zwei-Milliarden Reichsmark zur Verfügung. Der Hauptbetrag sollte den Unternehmen in Form von Steuergutscheinen zugeführt werden, die zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Steuernachlass berechtigten. Durch Veräußerung der Steuergutscheine konnten sich die Unternehmen kurzfristig neue Liquidität beschaffen. Als „Erfinder“ der Steuergutscheine gilt der Staatssekretär im Finanzministerium Arthur Zarden.[3]
Finanztechnisch wurde dies dadurch erreicht, dass der Arbeitgeber, der in der Zeit
vom 1. Oktober 1932 bis 30. September 1933 in einem Kalendervierteljahr in seinem Betrieb durchschnittlich mehr Arbeitnehmer beschäftigte als im Durchschnitt der Monate Juni bis August 1932 je mehrbeschäftigten Arbeitnehmer einen Steuergutschein in Höhe von 100 Reichsmark beanspruchen konnte. Desgleichen erhielt der Unternehmer, der in diesem Zeitraum fällige Umsatz-, Gewerbe-, Grund- oder Beförderungssteuern entrichtete, 40 % seiner gezahlten Steuer in Steuergutscheinen (bei der Entrichtung der Beförderungssteuer sogar 100 %) zurück. Abgegeben wurden die Gutscheine in beiden Fällen von dem für die Umsatzbesteuerung zuständigen Finanzamt.
Die Steuergutscheine gab es in zwei Emissionen. Die erste umfasst die Werte 10, 20 und 50, die zweite die Werte 100, 200, 1.000, 10.000 und 20.000 Reichsmark. Beide Ausgaben waren Inhaberpapiere. Bei der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft durfte der Wert der Gutscheine auch 20.000 Reichsmark übersteigen. Bei der Zahlung von Reichssteuern und Zöllen – mit Ausnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuer – wurden sie dann von den Finanz- und Zollkassen angerechnet, und zwar die Scheine zu 10, 20 und 50 Reichsmark in der Zeit vom 1. April 1934 bis 31. März 1939 in jedem Jahr zu einem Fünftel ihres Nennbetrags plus einem Aufgeld, die Steuergutscheine zu 100, 200, 1.000, 10.000 und 20.000 Reichsmark vom 1. April des jeweils darauf angegebenen Jahres bis zum 31. März 1939 zum vollen Nennbetrag und dem Aufgeld.

Die Steuergutscheine zu 50, 100 und 200 Reichsmark wurden in Blöcken zu je 100 Stück,
die zu 1.000 Reichsmark zu je 25 Stück und die zu 10.000 und 20.000 Reichsmark zu je
10 Stück hergestellt. In den Blöcken ab 100 Reichsmark befanden sich immer Gutscheine der gleichen Farbe. Die Gutscheine wurden an einen Berechtigten wie folgt abgegeben.
Standen ihm z. B. Gutscheine für 500 Reichsmark zu, so erhielt er fünf Scheine zu je 100 Reichsmark in den fünf Farben, sprich je einen für die fünf Einlösungstermine.



Die Steuergutscheine wurden als einseitiger Druck vom Reichsminister der Finanzen mit Datum 30. September 1932 auf Wasserzeichenpapier ausgefertigt. Die Gutscheine der ersten Gruppe (bis 50 RM) bestehen aus dem Stamm und fünf Abschnitten, die auf je ein Fünftel des Betrages (zuzüglich des Aufgeldes) lauten, über den die Steuergutscheine ausgegeben wurden. Diese Abschnitte durften am Fälligkeitstag nur vom Finanzbeamten abgeschnitten werden. Der komplette Schein hat die Maße 148 x 370 mm. Unter der Bezeichnung Steuergutschein ist der Reichsadler abgebildet. In der oberen linken Ecke befindet sich eine 6-stellige Kontrollnummer, der ein Serienbuchstabe voran gesetzt ist. Dann folgen sechs Zeilen Text, die auf den Einlösungswert der Abschnitte hinweisen. Es folgt Ausgabeort und
-datum, der Emissär „Der Reichsminister der Finanzen“ und die Unterschrift des Finanzministers Graf Schwerin von Krosigk.[4] In der linken unteren Ecke des Stammes ist ein Prägestempel mit „Reichsadler und Umschrift Reichsfinanzministerium“ angebracht, in der anderen Ecke ist Raum für das Dienstsiegel des ausgebenden Finanzamtes. Der Stamm ist mit einem Schmuckrahmen umgeben.
Die Werte ab 100 Reichsmark (Gruppe 2) haben die Größe 148 x 210 mm. In der rechten oberen Ecke ist wiederum die sechsstellige Kontrollnummer mit vorangestellter Serie gedruckt, in der anderen wird der Nennwert in Ziffern wiederholt. Die Scheine sind ebenfalls mit Steuergutschein überschrieben, dann folgt die Angabe des Nennwertes in Buchstaben, darunter die Darstellung des Reichsadlers. Im folgenden Text werden der Einlösungszeitraum und Einlösungswert angegeben. Ansonsten sind beide Emissionen bildgleich; allerdings entfallen hier die Abschnitte.
Die Steuergutscheine waren Inhaberwertpapiere, jedoch keine gesetzlichen Zahlungsmittel. Die großen Nennwerte wurden ab 1. November 1932 an allen deutschen Börsen zu den von der Reichsbank festgesetzten Kursen amtlich gehandelt. Dabei waren sie von der Börsenumsatzsteuer befreit und unterlagen den Vorschriften des Depotgesetzes.
Die Reichsbank diskontierte und lombardierte die Steuergutscheine mit 73 % des Kurswertes.
Ende 1933 waren Steuergutscheine in Höhe von 472 Millionen Reichsmark ausgegeben.
Bis Ende 1935 belief sich das Volumen der ausgegebenen Steuergutscheine auf 1,172 Milliarden Reichsmark. Bis 1939 waren die Steuergutscheine von 1932 vollständig abgelöst. Es bleibt festzustellen, dass die Steuergutscheine kaum genutzt wurden, da sie „unter den vorherrschenden wirtschaftlichen Umständen keinen ausreichenden Anreiz für die privaten Unternehmen darstellten.[5]
Uwe Bronnert
Anmerkungen:
So Fritz Blaich, Der Schwarze Freitag, Inflation und Wirtschaftskrise, Deutsche Geschichte der neuesten Zeit vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. von Martin Broszat, Wolfgang Benz und Hermann Graml, 2. Auflage München 1990, S. 58 ff.
RGBl. 1932 I, S. 425 ff.
Arthur Heinrich Ludwig Zarden (* 27. April 1885 in Hamburg; † 18. Januar 1944 in Berlin) war in den 1920er Jahren einer der führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung. Im Juni 1932 wurde er zum Staatssekretär unter dem neuen Finanzminister Schwerin von Krosigk ernannt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der jüdische Beamte am 31. März 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt und am 25. September erfolgte dann unter Berufung auf § 6 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Versetzung in den dauernden Ruhestand. Am 12. Januar 1944 wurde Zarden und seine Tochter Irmgard aufgrund einer Denunzierung verhaftetet und in ein Gestapo-Gefängnis eingeliefert. Ihm war klar, dass er das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen und gefoltert würde. Daher sprang er am 18. Januar aus einem Fenster des Treppenhauses auf die Joachim-Friedrich-Straße und verstarb beim Transport ins Krankenhaus.
Johann Ludwig „Lutz“ Graf Schwerin von Krosigk (* 22. August 1887 in Rathmannsdorf/Anhalt; † 4. März 1977 in Essen), war vom 2. Juni 1932 bis zum 23. Mai 1945 Reichsminister der Finanzen.
Avraham Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1988, S. 153.
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