Während der letzten Monate des Jahres 1918 schwand die Hoffnung, dass der Krieg noch siegreich beendet werden könnte. Die Unsicherheit in der Bevölkerung über die künftige politische und wirtschaftliche Entwicklung veranlasste weite Kreise, Zahlungsmittel verstärkt zu horten. „Handel- und Gewerbetreibende, kleinere und größere Kapitalisten hoben namentlich seit etwa Anfang Oktober Guthaben bei Banken, Bankfirmen, Sparkassen und Genossenschaften ab, um das bare Geld aufzubewahren.“ [1] Unglücklicherweise folgte diese Entwicklung unmittelbar dem schon ungewöhnlich großem Ultimobedarf des Septembers. Auch schaffte es die Reichsdruckerei nicht annähernd, die erteilten Druckaufträge zu erfüllen, da in den vorangegangenen Wochen eine größere Anzahl ihrer Arbeiter zum Heer eingezogen worden war. Hunderte Arbeiter waren zudem an der Spanischen Grippe erkrankt. Die Reichsbank sah sich in dieser Situation genötigt, die vorsorglich angesammelten großen Papiergeld-Reserven und die vorhandenen Vorräte an Reichssilbermünzen in Verkehr zu bringen. Ferner beauftragte das Reichsbankdirektorium mehrere Privatdruckereien mit der Herstellung von
50-Mark-Reichsbanknoten. Hierbei handelte es sich um den sog. „Trauerschein“ vom
20. Oktober 1918 und den sog. „Eierschein“ vom 30. November 1918. Da in kürzester Zeit große Mengen angefertigt werden mussten, waren diese im Buchdruckverfahren hergestellten „Hilfsbanknoten“ nur ungenügend gegen Fälschung geschützt. Daher behielt sich die Reichsbank ihren Aufruf zum 1. März 1919 gegen andere gesetzliche Zahlungsmittel ausdrücklich vor. Auch diese Maßnahme konnte den Mangel an Zahlungsmitteln nicht beheben.
Nach einer Zeitungsmeldung vom 9. Oktober 1918 sollten daher Gemeinden und Industriewerke bei Bedarf ermächtigt werden, Scheine zu 5 und 10 Mark mit einer Umlaufzeit bis zum 30. November herzustellen. Das Reichsbankdirektorium erklärte sich bereit, die Hälfte der Herstellungskosten sowie den Schaden, der durch Fälschungen entstehen würde, zu übernehmen. Ferner stellte sie ihre Kasseneinrichtungen für die Ausgabe, Einlösung und den Umtausch des Notgelds zur Verfügung. Später wurde der Ausgabewert auf 50 Mark erhöht und die Laufzeit bis zum 1. Februar 1919 verlängert. Nach einem Erlass des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe vom 9. Oktober musste der Text der Scheine letzteres vermerken, um so der Fälschungsgefahr zu begegnen.
Zu den Emittenten dieses Notgelds gehörte auch die königliche Haupt- und Residenzstadt Berlin. Mit Datum vom 24. Oktober 1918 gelangten Stadtkassenscheine zu 5 und 20 Mark sowie 50 Pfennig zur Ausgabe. Der Kassenschein zu 5 Mark wurde auf Papier mit Wasserzeichen (waagerechte) „Reichsdruckerei-Wellenlinien“ gedruckt.
Die sechsstellige Kennziffer kommt auch mit vorgedruckter „1 und 2“ vor. Bei den Kassenscheinen zu 20 Mark wurde Papier mit dem Wasserzeichen „Berliner B-Muster“ benutzt. Die sechsstellige Kennziffer kommt auch mit vorgedruckter „1, 2, 3 und 4“ vor und ist 3,5 bzw. 4 mm hoch. Der 50-Pfennig-Schein wurde ebenfalls auf Wasserzeichenpapier mit den Reichsdruckerei-Wellenlinien hergestellt. Die sechsstellige Kennziffer kommt ebenfalls auch mit vorgedruckter „1, 2, 3, 4 und 5“, ferner mit „A“ bzw. „B“ und vorgedruckter „0, 1, 2 und 3“ vor. [2]
Die Entwürfe zu den 122 mm x 82 mm großen 5-Mark-Scheinen und 137 mm x 93 mm großen 20-Mark-Scheinen stammen vom Maler und Graphiker Emil Döpler, dem Jüngeren (* 29. Oktober 1855 in München; † 21. Dezember 1922 in Berlin). [3]
Aufgrund des minderwertigen Drucks – besonders beim Wert zu 5 Mark – gibt es von den Markwerten eine größere Anzahl von Fälschungen. Im Gegensatz zu den echten Scheinen, verraten sie sich dadurch, dass sie meist auf Papier ohne Wasserzeichen gedruckt wurden, die Kennziffer eine falsche Größe aufweist bzw. aufgestempelt wurde und der Trockenstempel fehlt oder nicht mit dem Original übereinstimmt.
Der Trockenstempel zeigt das gekrönte Wappen mit dem Berliner Bären und der Schrift „MAGISTRAT ZU BERLIN“. Ferner weicht häufig auch ihre Größe von den Originalen ab. Da die Fälscher nur mit einem Nummernstempel arbeiteten, bei dem nur die Stelle ausgewechselt wurden, kommen immer wieder dieselben Grundzahlen vor. Neben den Fälschungen gelangten auch gestohlene unfertigen Scheinen in den Umlauf.
Diese wurden zuvor entsprechend „frisiert“, sprich vervollständigt.
Wie die angehaltenen Stadtkassenscheine belegen, waren sie auch noch nach dem
1. Februar 1919 im Umlauf. Die erkannten Fälschungen wurden von den Banken mit einem entsprechenden handschriftlichen Vermerk aus dem Verkehr gezogen und meist an die Reichsbank-Hauptkasse zur endgültigen Echtheitsprüfung weitergeleitet.
Hier erhielten die Fälschungen auf jeder Scheinseite den zweizeiligen Stempel „Falsch! / Reichsbank-Hauptkasse“.
Keller hat die verschiedenen Berliner Fälschungen ausnahmsweise katalogisiert, weil ein Teil dieser verschiedenen Fälschungsarten durch einen Sammler in den Notgeldhandel gegeben wurde: [4]
37. Berlin (Brandenbg.) Stadt, 24.10.1918 – 1.2.1919
5 Mark:
a. Original: Wz. waagr. Reichsdruckerei-Wellen, KZ mit geraden Typen 6stellig,
auch mit vorgedr. 1 od. 2
c. Echte Scheine unfertig gestohlen, KZ-Typen in künstlerischem Schnitt 4 mm = 1797238,
Prägestempel falsch
d. wie c, KZ 5stellig aufgestempelt, der echten KZ ähnlich, Prägestempel undeutlich
g. Fälschungen ohne Wz. Wertzeile Vs. graublau oder grau, Papier grau, KZ den echten ähnlich
207937, 207970, 267937, 277930, 372930, 673930 oder ähnlich.
h. desgl. Wertzeile blaugrau, Papier bläulich, KZ den echten ähnlich, 2266552, 2314290
i. desgl. Wertzeile blau, Papier bläulich oder weiß, KZ wie bei h 2266552
q. Völlig handgemalte plumpe Fälschung, Pap. grau, KZ 1103103, Verkehrsstück
20 Mark:
b. Original: Wz. Berliner B-Muster
1. 2. KZ wie a 3,5 und 4 mm
3. 4. 5. KZ 6stellig mit vorgedr. 1 2 3
6. KZ 6stellig mit vorgedr. 4
c. Echte Scheine unfertig gestohlen, KZ-Typen in künstlerischem Schnitt 4 mm = 1039274, 1975014,
Prägestempel falsch
d. wie c, KZ 5stellig aufgestempelt, der echten KZ ähnlich = 140217, 904986 3121510, Prägestempel
undeutlich
e. Fälschungen, Wz durch Pressung nachgeahmt (viel klarer als bei den echten), KZ der echten
ähnlich: 2052925, 2259920, 2559222, 2652929 u. ähnl., Prägestempel falsch (Schrift größer)
f. wie e, KZ gestempelt 3 mm: 234561
k. desgl. dünnes weißes Papier, Wertzeile rotbraun od. blassbraun, ohne KZ
l. wie k, Normal-Wz., ohne KZ oder KZ fett 5,5 mm: 1257,12574 od. 4,5 mm 638794, 649998
m. desgl. Wertzeile rot, KZ 3137211
n. desgl. Wertzeile blutrot, Wz. durch Weißdruck nachgeahmt, KZ 4 mm 2719964
o. wie l, als Prägestempel Abdruck der Adlerseite eines 10 Pfg.-Stücks, KZ 5,5 mm 15257, 37121,
12725, 72577 oder ähnlich
p. wie o, doch nur den rotbraunen Druck beider Seiten oder nur der Rs. oder bds, nur Rs. aufweisend
(halbfertig beschlagnahmt)
r. Handgemalte Fälschung, rosaviolett, 2719964
c.-r. Der Prägestempel ist bisweilen dem echten nachgeahmt, hat jedoch größere Schrift. In den meisten Fällen ist er durch eine unbestimmbare Pressung oder durch den Abdruck der Adlerseite von Münzen ersetzt.
Bleibt noch anzumerken, dass bei der Entwertung der Scheine fast die Hälfte der linken Seite abgeschnitten wurde. Vollständige, echte Scheine werden erheblich seltener angeboten als diese verstümmelten Exemplare.
Wie bereits angeführt, hatte sich die Reichsbank verpflichtete, die Schäden, die durch Fälschungen entstanden sind, zu tragen. „Die Menge der Fälschungen ist kleiner als man gewöhnlich annimmt; wohl nur Altona und Offenbach haben dadurch ernstlicheren Schaden erlitten.“ [5] Nur in sieben Fällen brauchte die Reichsbank Ersatz leisten.
Bei Keller ist zu lesen, dass sich die damals von den Kommunen zur Ausgabe beschlossene Summe auf insgesamt rund 2 Milliarden Mark beziffert habe, von denen allerdings ein erheblicher Teil nicht ausgegeben zu werden brauchte. Nach Angaben der Reichsbank belief sich die Höchstumlaufsumme am 15. Januar 1919 auf 1.486,6 Millionen Mark. Am 31. Mai 1919 waren hiervon nur noch rund 189,6 Millionen Mark im Umlauf. [6] Nach dem Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1919 betrugen die Kosten der Herstellung und an der Deckung der durch Notgeldfälschungen entstandenen Verluste nur 2.148.601,65 Mark. [7]
Anmerkungen
[1] Die Reichsbank 1901 – 1925, Berlin 1925, S. 115.
[2] Reinhard Tieste, Katalog Kleingeldersatz aus Papier 1915 – 1922, Bremen 2010, S. 75, Kat.-Nr. 0460 245.01
[3] Helmut Casper, Vom Taler zum Euro, Die Berliner, ihr Geld und ihre Münze, 2., korrigiert Auflage, Berlin 2006, S. 135.
[4] Dr. Arnold Keller, Das Deutsche Notgeld, Katalog Großgeldscheine 1918 – 1921, Unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1955, München 1976, S. 21 f., Kat.-Nr. 37.
[5] Ebenda, S. 9.
[6] Ebenda.
[7] S. 28.
Uwe Bronnert
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