In den letzten Jahren ist es gleich mehrfach vorgekommen, dass man mir einen Scan des hier abgebildeten Scheins (Abb.1) zugesandt und gefragt hat: „Was für ein Geldschein ist das und wo ist er katalogisiert?“ Gerade erreichte mich wieder eine solche Anfrage aus der Ukraine, und zwar von Buchautor M. Istomin. Er hat das Buch „Russian Related Currency Notes in China“ geschrieben.
Abb.1: Ortsangabe Hongkong
Nun, der Schein sieht zwar wie ein Geldschein aus, ist aber gar keiner! Denn in der Mitte stehen drei senkrecht angeordnete Zeichen: 验真券, das kann wörtlich mit „Authentifizierungsschein“ übersetzt werden, oder mit Echtheitsnachweis.
Wie der Titel der „Note“ zeigt, wurde der Schein von einer pharmazeutischen Fabrik namens 唐拾義藥廠 ausgegeben. Die drei ersten Zeichen 唐拾義 (Táng Shíyì) geben den Namen des Gründers dieser Forma an. Das Porträt auf dem Schein stellt ihn auch dar. Als Ortsangabe findet sich Hongkong.
Táng Shíyì wurde 1874 in Sānshuǐ (三水) geboren und starb 1939 in Shànghǎi. Er studierte westliche Medizin am Bójì Hospital in Guangzhou (廣州博濟醫院). 1919 ging er nach Shànghǎi, um hier ein Krankenhaus zu errichten. Er gründete die nach ihm benannte pharmazeutische Fabrik, zunächst in Shànghǎi und Guǎngzhōu (Canton). Später gab es Niederlassungen in Tiānjīn, Hànkǒu und Hongkong. Entsprechend gab es den oben gezeigten Schein auch mit der Ortsangabe Shànghǎi (Abb.2).
Abb.2: Ortsangabe Shànghǎi
Die Pharmafabrik stellte westliche Patentmedizin her. Táng Shíyì entwickelte die sog. „Táng Shíyì Faleng Pille“, ein sehr wirksames Medikament gegen Malaria, das in ganz Südostasien verkauft wurde. Er erfand Hustentabletten und Mittel zur Schmerzlinderung. Schließlich stellte er die erste medizinische Zahnpasta (二友牙膏) in China her.
Táng öffnete in vielen Großstädten eigene Apotheken, die hauptsächlich von ihm hergestellte Medikamente verkauften. Abb. 3 zeigt seine Apotheke in Shanghai. Oben findet man in riesigen Zeichen seinen Namen: 唐拾義.
Abb3: Tángs Apotheke in Shanghai / Abb.4: Tángs Logo
Táng legte großen Wert auf Werbung. In allen Zeitungen und auf Plakaten warb er für seine Medizin. Er entwarf auch ein Logo für seine Produkte. Hier nennt er sich – nach Art der kantonesischen Aussprache – Tong Shap Yee.
Auch die beiden oben abgebildeten Scheine dienten der Werbung! Immer, wenn jemand etwas von Tángs Firma kaufte, erhielt er einen solchen Schein. Wenn man eine bestimmte Anzahl davon hatte, konnte man sie vorlegen und erhielt ein Geschenk.
Táng Shíyì trat auch als Mäzen auf. So gründete er eine Art Gymnasium, dessen Schüler brauchten bei Bedürftigkeit keine Schulgebühren zu zahlen und wurden, wenn geeignet, nach der Abschlussprüfung auf die Universität geschickt.
Seine Unternehmungen machten Táng zu einem sehr reichen Mann. Er kaufte zahlreiche Immobilien und investierte in Restaurants und Hotels. Er hatte drei Söhne, die (teils in Frankreich) Medizin bzw. Pharmazie studierten.
Erwin Beyer
Abbildungsnachweis:
Abb.1: Mikhael Istomin
Abb.2: ehemalige Sammlung Beyer
Abb.3 und 4: chinesisches Wikipedia (lizenzfrei)
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