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AutorenbildSven Gerhard

Wie eine Neuenburgerin die Druckerei Orell Füssli gefügig machte

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hielt bis in die 1990er Jahre neben den umlaufenden Banknoten zugleich Reservenoten bereit, um im Falle von Fälschungen umlaufender Banknoten diese schnell durch Austauschnoten ersetzen zu können. Bis in die 1950er Jahre spielte auch die Bevorratung im Falle eines plötzlich stark ansteigenden Banknotenbedarfs etwa infolge von Krisen eine Rolle.




Abbildung: Schweizerische Nationalbank, 10 Franken vom 1. April 1921, nicht ausgegeben. Einzig bekanntes nummeriertes Exemplar. Verkauft in der SINCONA-Auktion 68 am 21. Oktober 2020 für Fr. 8.000,- zzgl. Aufgeld. Abbildung mit freundlicher Genehmigung der SINCONA AG.


Zu dieser Notenreserve gehörte auch die 10-Frankennote mit dem Porträt einer Neuenburgerin und dem Datum 1. April 1921[1], die insofern etwas Besonderes darstellte, als dass ein solcher Notenwert von der SNB erstmals 1955 emittiert wurde und für die Ausgabe zum Zeitpunkt der Herstellung keine gesetzliche Grundlage vorlag[2]. Entworfen wurde der 13,5 mal 8,2 cm messende Schein von den Grafikern Gabriel Lory & Friederich Wilhelm Moritz, den Stich der Vorderseite besorgte James Drummond von der Banknotendruckerei Waterlow & Sons in London, wo die Noten auch gedruckt wurden. Die Gesamtauflage betrug 5 Millionen Stück,[3] eingeteilt in die Serien 1 A bis 2 Z. Warum die SNB die Herstellung einer 10-Frankennote bei Waterlow & Sons anfragte und beauftragte ist nicht bekannt. Möglicherweise suchte man nach einer Alternative zu der von der Druckerei Orell Füssli in der Schweiz hergestellten und umlaufenden 5-Frankennote, scheute sich aber, für denselben Nennwert eine andere Ausführung in Auftrag zu geben.


Ende Dezember 1920 hatte Orell Füssli ungefragt und wohl auf Basis von Presseberichten, wonach die SNB die Herausgabe einer solchen Wertstufe vorbereite, auch die Herstellung einer 10-Frankennote angeboten und dabei Musterscheine vorgelegt, die mit Datum 20. August 1914 hergestellt worden waren. Entwürfe solcher Scheine sind bisher nicht bekannt geworden. Der Druckpreis sollte bei einer Auflage von 30 Serien à 100.000 Stück 8,8 Rappen je Schein betragen, wobei die SNB das Papier stellen sollte. Diese Offerte wurde von der SNB nicht angenommen – einerseits, weil man durch die Bindung von Druckkapazitäten bei Orell Füssli eine verzögerte Lieferung der 5-Frankennote befürchtete, andererseits, weil man auf ein Angebot der Banknotendruckerei Waterlow & Sons in London zur Herstellung von Scheinen dieser Wertstufe wartete. Im Februar 1921 erneuerte Orell Füssli seine Offerte und drängte auf die Erteilung eines Druckauftrags mit dem Ziel, zukünftig alle Notenabschnitte der SNB herstellen zu dürfen. Davon waren die technischen Kapazitäten von Orell Füssli jedoch weit entfernt, da man zu diesem Zeitpunkt nur Drucke im Steindruck und im Offsetdruck anbieten konnte, die beide gegenüber dem Stahlstich, wie bei den in London hergestellten Wertstufen zu 50 bis 1.000 Franken angewandt, nur einen verminderten Fälschungsschutz bot.


Die SNB hatte Ende 1920 Waterlow & Sons im Rahmen der Angebotsanfrage vier Bilder von Neuenburgerinnen in Tracht zur Verfügung gestellt. Im Februar 1921 sandte Waterlow & Sons Entwürfe der Vorder- und Rückseiten des Scheins.


Eine interne Prüfung durch das I. Department der SNB bestand der Entwurf mit „gut“ – eine etwas vorschnell und ohne gründliche Prüfung gefasste Entscheidung, da man irrig annahm, dass der Druck in gleicher Weise wie bei den Noten zu 50 bis 1.000 Franken ausgeführt werden sollte, was tatsächlich nicht der Fall war, da kein Stahlstich, sondern nur Kupferdruck zur Ausführung vorgesehen war, und das auch nur in der Hauptdruckplatte der Vorderseite. Allein das mit einem Hut versehene Frauenporträt der Neuenburgerin stieß auf Kritik, da die Frauen auf den anderen Noten der SNB allesamt „unbehutet“ waren. Am 19. Februar 1921 beantragte das für den Bargeldverkehr zuständige II. Departement der SNB bei der Direktion, Waterlow & Sons einen Druckauftrag über 5 Millionen Scheine zu einem Preis von 7,1 Rappen einschließlich Papier zu erteilen bei acht Wochen Lieferzeit für die erste Tranche und weiteren vier Wochen Lieferzeit für die zweite. Das Angebot von Waterlow & Sons war damit deutlich günstiger als das Angebot von Orell Füssli aus dem Dezember 1920, bei zudem gegenüber dem Offset besserer Druckausführung.


Orell Füssli blieb bei diesem Druckauftrag auf der Strecke. Es sollte aber noch dicker kommen, denn der günstigere Preis von Waterlow & Sons für den Druck der Neuenburgerin sollte in den kommenden Monaten noch eine bedeutende Rolle bei einem anderen Druckauftrag spielen.


Schon seit Ende 1920 befanden sich Orell Füssli und die SNB in Verhandlungen über die Druckkosten der von Orell Füssli gedruckten 5-Frankennote. Im April 1921 bot Orell Füssli eine Preisreduktion bei den Druckkosten auf 5,75 Rappen je Schein an. Der SNB war dies zu wenig. Sie forderte einen Preis von 5 Rappen je Note. Die Verhandlungen zogen sich hin, man überlegte eine Kostenreduktion durch Veränderung des Papierformates, doch ohne Ergebnis. Als die 10-Frankennoten von Waterlow & Sons im Sommer 1921 bei der SNB eingetroffen waren und tatsächlich zur Ausgabe hätten gelangen können, nutze die SNB diese Möglichkeit aus, dadurch gehörig Druck auf die Druckerei auszuüben: Sie appellierte am 30. August 1921 an Orell Füssli „recht und billig“ einen „bescheidenen“ Beitrag zur Senkung der heimischen Arbeitslosigkeit zu leisten und den weiteren Druckauftrag für die

5-Frankennote zu dem geforderten Preis von 5 Rappen je Schein anzunehmen. Gleichzeitig drohte sie, die in London gedruckte 10-Frankennote zeitnah in den Umlauf zu setzen, Orell Füssli den Druckauftrag für die 5-Frankennote ganz zu entziehen und die Scheine von den Original-Druckplatten durch Waterlow & Sons in England drucken zu lassen – das Argument der Schaffung heimischer Arbeitsplätze zählte insoweit scheinbar weniger. Es drohte für Orell Füssli neben einem Reputationsschaden durch den Verlust des Druckauftrages auch ein herber wirtschaftlicher Verlust.


Bereits am folgenden Tag lenkte Orell Füssli gegenüber der SNB „mit Rücksicht auf … [die] Äußerungen, ev. die englische 10-Fr.Note in Zirkulation zu setzen“ ein und gab dem Preisdiktat der SNB nach – nicht ohne Hinweis darauf, dass man bereits große Opfer für die Aufbringung der Arbeitslosen-Unterstützung im Druckereigewerbe leisten würde und jedenfalls mit einem kräftigen Seitenhieb, dass „die heutigen Verhältnisse in der Schweizerischen Industrie nicht derart [seien], dass man es verstehen könnte in dieser Zeit erneut ausländisches Schweizergeld auszugeben …“. Nun war dieses Geld bereits ausgegeben, da die Scheine bereits gedruckt waren.


Die Neuenburgerin hatte vorerst ihre Schuldigkeit als Preisbrecherin getan und konnte für die nächsten vier Jahre in die Reserve abtreten.


Im Jahr 1925 befasste sich die SNB erneut mit dem Schein, da inzwischen Zweifel an der Fälschungssicherheit aufgekommen waren und man seitens der SNB erkannte, dass die Druckausführung doch nicht von der Qualität war, die man zwar nicht bestellt und bezahlt, aber erhofft hatte. 1925 übersandte die SNB Orell Füssli ein Musterexemplar des Scheins mit dem Auftrag, davon eine Fälschung anzufertigen, die Orell Füssli mit Schreiben vom 13. Oktober 1925 dann auch ablieferte. Ob und wie der „Fälschungsauftrag“ vergütet wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Er muss wohl gelungen gewesen sein. Denn Zweifel an der Fälschungssicherheit des Scheins waren Gegenstand eines Gesprächs zwischen William Waterlow und Bankdirektor Schnyder von Wartensee anlässlich eines Besuches von Waterloo in Bern im Februar 1926. Die SNB hatte zu billig gekauft. Waterlow & Sons schlug den Austausch der Scheine gegen neu zu druckende Exemplare vor, die im Kupferdruck auf Vorder- und Rückseite und auf einem mehrfarbigen Unterdruck hergestellt werden sollten, und bot dafür Sonderkonditionen an. Mit Beschluss vom 18. März 1926 lehnte das Direktorium der SNB dieses Angebot ab, weil eine Inverkehrsetzung der Scheine nicht geplant war.

Auch wenn man anerkannte, dass die Scheine für den regulären Zahlungsmittelumlauf ungenügend waren, hielt man sie als Reservenoten, die nur im Falle einer außergewöhnlichen Notlage ausgegeben werden sollten, doch für gut genug. Waterlow & Sons erhielt durch Hauptkassierer Bornhauser eine freundliche Absage sowie die übersandten Musterscheine zurück.


Zu einer Ausgabe des Scheins kam es nie. Die Neuenburgerin verbrachte über 40 Jahre in den dunklen Tresoren der SNB, bis die Scheine schließlich 1962 vernichtet wurden.


Dr. Sven Gerhard


Anmerkungen:

[1] Richter/Kunzmann, Die Banknoten der Schweiz RS2, Pick 31, The Banknote Book B306.

[2] Das Bankgesetz von 6. Oktober 1905, durch das das Notenausgaberecht des Bundes gemäß Art. 39 der Bundesverfassung von 1874 in der Fassung von 1891 allein der SNB übertragen wurde, ermächtige diese nur zur Ausgabe von Noten im Nennwert ab 50 Franken und darüber, mit Bundesratsbeschluss vorübergehend auch zu Noten im Nennwert von 20 Franken. Für die Ausgabe der 5-Frankennote schuf ein Bundesratsbeschluss vom gleichen Tag die gesetzliche Grundlage.

[3] Richter/Kunzmann, Die Banknoten der Schweiz, RS2.


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